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Leseprobe PTAheute Ausgabe 6/2019: Warm oder kalt?

Foto: Manki Kim – Unsplash.com

Die meisten Rezepturarzneimittel werden in der Apotheke ohne Anwendung von Wärme hergestellt, denn eine Temperaturerhöhung während des Herstellungsprozesses kann unerwünschte Folgen haben.

Wärme möglichst vermeiden

Grundsätzlich wird durch Anwendung von Wärme die Löslichkeit der meisten Wirkstoffe erhöht. Bei der Herstellung von Lösungssalben liegt der Arzneistoff in der Grundlage vollständig gelöst vor. Hier ist es wichtig, dass die zu lösende Substanz möglichst bei Raumtemperatur in Lösung geht, denn durch Erwärmen während der Herstellung kann sie beim anschließenden Abkühlen wieder auskristallisieren. Dabei können teilweise große Kristalle beobachtet werden, was dazu führt, dass neben einer Reizung der Haut auch die Freisetzung des Wirkstoffs deutlich verringert ist. Auch bei Suspensionszubereitungen ist die Anwendung von Wärme während des Herstellungsprozesses unbedingt zu vermeiden. Bei Suspensionssalben liegt der Arzneistoff ungelöst vor, allerdings sind die meisten Substanzen in der eingesetzten Grundlage nicht völlig unlöslich und durch Zufuhr von Wärme würde sich auch hier die Löslichkeit verbessern. Ähnlich wie bei den Lösungssalben kann der Wirkstoff aber beim anschließenden Abkühlen der Grundlage teilweise wieder ausfallen. Gerade beim Einsatz automatischer Rührsysteme tritt Reibungswärme als Begleiterscheinung durch die hohen Drehgeschwindigkeiten der Rührer auf. Bei der Herstellung von Lösungs- wie auch Suspensionszubereitungen mithilfe von Salbenrührsystemen muss daher je nach verordnetem Arzneistoff das Verfahren zur Herstellung individuell festgelegt werden. Um einen Einfluss von Wärme auf die zu verarbeitenden Wirkstoffe zu vermeiden, muss weiterhin bei der Zubereitung von Dermatika-Grundlagen aus ihren Einzelbestandteilen darauf geachtet werden, dass die Substanzen erst nach dem vollständigen Abkühlen der Grundlage eingearbeitet werden dürfen.

Zubereitungen mit Harnstoff

Harnstoff gehört zu den gut wasserlöslichen Arzneistoffen und kann bei der Verarbeitung zu hydrophilen und lipophilen Cremes im Wasseranteil gelöst werden. Beim Einsatz automatischer Rührsysteme ist es wichtig, darauf zu achten, dass genügend Zeit für das Auflösen der Substanz vorhanden ist. Möglicherweise können die gelisteten Rührzeiten bei der Einarbeitung von Harnstoff in wasserhaltige Zubereitungen zu kurz sein. Wärme sollte während und nach der Einarbeitung des Arzneistoffs nicht angewendet werden, da sich Harnstoff stark temperaturabhängig zersetzt. Bei der Herstellung von harnstoffhaltigen Cremes sollte daher das Mischergebnis sorgfältig überprüft werden, bei den angestrebten Lösungssystemen dürfen keine Harnstoffpartikel mehr vorhanden sein. Falls der Wirkstoff zunächst noch nicht vollständig gelöst vorliegt, wird empfohlen, eine Rührpause einzuhalten. Die durch den Mischvorgang zwangsläufig leicht erwärmte Zubereitung kann sich wieder auf Raumtemperatur abkühlen und im Anschluss ist es möglich, den Mischprozess zu wiederholen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei der Herstellung von wirkstoffhaltigen halbfesten Zubereitungen sollte sowohl bei Lösungs- als auch bei Suspensionssalben eine Anwendung von Wärme während der Herstellung unterbleiben. 
  • Werden Metronidazol-haltige Dermatika mithilfe von Salbenrührsystemen hergestellt, wird empfohlen, die eingesetzte Grundlage im Kühlschrank vorzukühlen. Die fertige Zubereitung sollte dann allerdings bei Raumtemperatur aufbewahrt werden. 
  • Patienten sollten ihre Rezepturarzneimittel zu Hause nicht grundsätzlich in den Kühlschrank stellen, eine Aufbewahrung bei Temperaturen von 2 bis 8 °C sollte nur erfolgen, wenn dazu auf dem Etikett ein Hinweis zur Kaltlagerung steht. 
  • Einige Arzneistoffe und auch Konservierungsmittel neigen bei einer Lagerung im Kühlschrank zur Rekristallisation, die Substanzen fallen in Form von Kristallen aus und lassen sich nicht ohne Weiteres wieder in Lösung bringen.

Verarbeitung von Metronidazol

Ein weiterer problematischer Wirkstoff bei der Verarbeitung in automatischen Rührsystemen ist die häufig verordnete Rezeptursubstanz Metronidazol. Im Gegensatz zum Harnstoff liegt Metronidazol in halbfesten Grundlagen allerdings suspendiert vor. Trotzdem besitzt die Substanz im Vergleich zu ihrer Einsatzkonzentration eine relativ hohe Wasserlöslichkeit. Die Löslichkeit von Metronidazol liegt bei etwa 0,8 %, sodass bei niedrig dosierten Cremes von 1 % Wirkstoffgehalt ein hoher gelöster Anteil vorhanden ist. Schon durch eine Temperaturerhöhung auf 30 °C während des Rührvorgangs kommt es leicht zu einer Übersättigung der Wasserphase und zu einer Rekristallisation beim Abkühlen. Rezepturkonzentrate mit Me­tronidazol besitzen übrigens einen deutlich höheren Anteil an Wirkstoff und sind daher aufgrund des relativ größeren ungelösten Anteils nicht so empfindlich für Rekristallisationserscheinungen.

Vorkühlen der Grundlage

Bei der Herstellung von wasserhaltigen Suspensionszubereitungen von Metronidazol mithilfe automatischer Rührsysteme sollte zur Kompensation der Wärmeentwicklung die Grundlage im Kühlschrank vorgekühlt werden. Um eine Auskristallisation des Arzneistoffs während der Lagerung zu verhindern, wird die fertige metronidazolhaltige Zubereitung dagegen bei Raumtemperatur aufbewahrt. Das NRF empfiehlt bei seiner standardisierten Vorschrift (Hydrophile Metronidazol-Creme NRF 11.91.) sogar explizit den Abgabehinweis an die Patienten, die Zubereitung möglichst konstant bei Raumtemperatur aufzubewahren.

Aufbewahrung von Zubereitungen beim Patienten zu Hause

Viele Patienten stellen grundsätzlich alle in der Apotheke für sie angefertigten Arzneimittel zu Hause in den Kühlschrank. Allerdings ist aus mikrobiologischer Sicht eine Aufbewahrung konservierter Zubereitungen im Kühlschrank nicht zu empfehlen. Die eingesetzten Konservierungsmittel können Keime bei Raumtemperatur schneller abtöten als bei niedrigen Temperaturen. Bei einer Lagerung im Kühlschrank ist die mikrobielle Aktivität also deutlich verringert. Weisen Sie Ihre Patienten bei der Abgabe von konservierten Zubereitungen am besten darauf hin, dass das Arzneimittel besser bei Raumtemperatur aufbewahrt wird. Eine Ausnahme dazu besteht eigentlich nur bei wenigen Rezepturen, entweder weil sie nicht konserviert oder chemisch oder physikalisch instabil sind. In solchen Fällen wird aber bei der Kennzeichnung des Arzneimittels explizit auf eine empfohlene Lagerung im Kühlschrank hingewiesen. Neben der verringerten Wirksamkeit des Konservierungsmittels kommt bei vielen Zubereitungen bei einer generellen Lagerung im Kühlschrank ein weiteres Problem hinzu. Bei einigen Substanzen ist die Löslichkeit bei niedrigen Temperaturen deutlich erniedrigt, es kann dann zu einer Rekristallisation bereits gelöster Stoffe kommen.

Ausfällungen bei niedrigen Temperaturen

Harnstoff-Cremes neigen bei einer Aufbewahrung im Kühlschrank zur Rekristallisation, die Patienten kritisieren dann bei Anwendung der Creme einen spürbaren „Sandeffekt“ durch Harnstoffkristalle. Ein weiteres Beispiel für eine fertige Zubereitung, bei der es häufig zu temperaturabhängigen Ausfällungen kommt, ist Min­oxidil-Haarspiritus (NRF 11.121.). Bei zu kalt aufbewahrter Lösung kann es hier zu einer Trübung kommen, die beim Erwärmen auf Raumtemperatur zwar zunächst wieder verschwindet. Nach einer längeren Lagerung der Zubereitung kann der Arzneistoff dann aber in großen Kristallen ausfallen, die sich nicht ohne Weiteres wieder in Lösung bringen lassen. Ebenso kann es zu einer gelartigen Verfestigung der tensidhaltigen Lösung kommen.

Konserviertes Wasser DAC

Auch bei Konserviertem Wasser DAC kann man diesen Effekt der Rekristallisation beobachten. Es kommt meist als Stammlösung 0,1 % zum Einsatz und besteht aus einer Mischung von Methyl-4-hydroxybenzoat und Propyl-4-hydroxybenzoat im Verhältnis 3+1. Die fertig hergestellte Lösung darf in der Apotheke nicht im Kühlschrank gelagert werden, da bei etwa 15 °C die Sättigungskonzentration des Propyl­esters überschritten wird und der ausgefallene Konservierungsstoff auch beim Erwärmen auf Raumtemperatur nicht mehr in Lösung geht.