COVID-19-Krankheitsverlauf
Corona-Pandemie
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Was macht SARS-CoV-2 mit dem Mikrobiom?

Frau hält Lupe auf Höhe ihres Darms
Eine COVID-19-Infektion kann sich auf die unterschiedlichsten Organe auswirken – unter anderem auch auf den Darm. So scheint bei schweren COVID-19-Verläufen die Vielfalt des Mikrobioms eingeschränkt. Es stellt sich die Frage: Beeinflusst die Infektion das Mikrobiom oder ist es gar umgekehrt? | Bild: kei907 / AdobeStock

Wie hängt COVID-19 mit dem Mikrobiom zusammen? Beantworten lässt sich diese Frage derzeit noch nicht allumfassend. Um den Antworten näherzukommen, untersuchten Wissenschaftler in den USA – unter anderem von Yale und der New York University Medical Grossman School – in einem Mausmodell den Einfluss einer SARS-CoV-2-Infektion auf das Mikrobiom. Zudem analysierten sie Stuhlproben von COVID-19-Patienten, um direkt am Patienten Erkenntnisse zu erlangen, ob sich Mikrobiom und SARS-CoV-2 gegenseitig beeinflussen. Derzeit sind die Studienergebnisse noch nicht wissenschaftlich veröffentlicht, sondern liegen lediglich als Preprint vor.

SARS-CoV-2 beeinflusst Darmbakterien direkt und dosisabhängig

Anhand des Mausmodells gelang es den Wissenschaftlern zu zeigen, dass eine SARS-CoV-2-Infektion das Darmmikrobiom durchaus beeinflusst – und zwar „direkt und dosisabhängig“, wie sie schreiben. Dafür hatten sie Mäuse über deren Nase mit SARS-CoV-2 infiziert, einmal mit niedrigen, einmal mit hohen Virusdosen, und anschließend täglich die fäkale Bakterienbesiedlung der Mäuse untersucht. Bei den mit höheren Virusdosen infizierten Mäusen stellten die Wissenschaftler eine „signifikante“ Veränderung des Mikrobioms fest, wobei obligat anaerobe Arten wie Clostridiales abnahmen und Verrucomicrobiales gleichzeitig zunahmen. Außerdem reduzierte sich die generelle α-Diversität (Artenvielfalt) des Mikrobioms. Zudem zeigten die Mäuse klare Erkrankungszeichen wie Gewichtsverlust, gesträubtes Fell, schwere Atmung und reduzierte Aktivität. „Diese Ergebnisse zeigen, dass eine SARS-CoV-2-Infektion eine direkt Dysbiose des Darmmikrobioms in einem Mausmodell verursacht“, erklären die Wissenschaftler.

Gestörtes Mikrobiom korreliert mit Schwere von COVID-19

Doch wie sieht es bei menschlichen COVID-19-Patienten aus? Bereits eine frühere Studie aus Hongkong zeigte, dass die Zusammensetzung des Darmmikrobioms bei COVID-19-Patienten im Vergleich zu Nicht-COVID-19-Patienten signifikant verändert war. Mehrere Darmbewohner, die bekanntermaßen immunmodulierend wirken könnten – wie Faecalibacterium prausnitzii, Eubacterium rectale und Bifidobakterien –, waren „unterrepäsentiert“ und blieben dies auch 30 Tage nach Abklingen der Erkrankung, so die Autoren im BMJ-Fachjournal „Gut Microbiota“. Zudem scheint ein „gestörtes“ Darmmikrobiom an der Schwere von COVID-19 beteiligt zu sein, da die Wissenschaftler damals auch erhöhte Entzündungsmediatoren nachweisen konnten.

Intensivpatienten weisen geringere Mikrobiom-Diversität auf

Die Forschenden der medizinischen Fakultäten von Yale und der New York University entnahmen nun Stuhlproben von SARS-CoV-2-infizierten Patienten, die bei ihnen in den Krankenhäusern behandelt wurden. Sie stellten fest, dass das Mikrobiom von Patienten, die wegen COVID-19 auf der Intensivstation lagen, eine geringere Diversität aufwies, also weniger vielfältig war. Den Wissenschaftlern fiel zudem auf, dass dies in besonderem Ausmaß bei COVID-19-Patienten der Fall war, die eine Blutstrominfektion (BSI, Blood Stream Infection; Einstrom von Bakterien in den Blutkreislauf) entwickelten. Außerdem hatten alle BSI-Patienten während ihres Krankenhausaufenthaltes wegen Verdacht auf BSI Antibiotika erhalten, was die „Verschiebung der Mikrobiota-Population“ verstärkt haben könnte, überlegen die Wissenschaftler. Auffällig war jedoch, dass auch 80 Prozent dieser Patienten bereits kurz vor COVID-19 antibiotisch behandelt worden waren.

Weniger Bakterien mit Darmbarrierefunktion

Nun interessierte die Wissenschaftler, wie „anders“ das Mikrobiom sich bei schwer erkrankten Patienten mit BSI zusammensetzte: Sie fanden unter anderem heraus, dass es zu einer Verringerung der Gattung Faecalibacterium (Ordnung: Clostridiales) kam, was mit einer Störung der Darmbarrierefunktion in Zusammenhang gebracht wird. Diese Dysbiose stimmt mit den Erkenntnissen aus dem Mausmodell überein, wo Clostridiales-Arten bei mit SARS-CoV-2 infizierten Mäusen ebenfalls abgenommen hatten.

Verlagerung der Darmbakterien ins Blut

Beim Vergleich der den Darm besiedelnden Mikroorganismen mit den im Blutkreislauf gefundenen deutete sich zudem eine Übereinstimmung der Arten an. „Die Analyse der Ergebnisse von Blutkulturen, die auf sekundäre mikrobielle Infektionen des Blutkreislaufs getestet wurden, mit den Mikrobiomdaten dieser Patienten legt nahe, dass Bakterien aus dem Darm in den systemischen Kreislauf von COVID-19-Patienten gelangen“, schlussfolgern die Wissenschaftler. Und weiter: „Wir konnten nachweisen, dass eine Dysbiose des Darmmikrobioms bei COVID-19 mit der Verlagerung von Bakterien ins Blut einhergeht und lebensbedrohliche Sekundärinfektionen verursacht.“

Zudem zeigten sie erstmals, dass das Darmmikrobiom durch eine SARS-CoV-2-Infektion in einem Mausmodell direkt und dosisabhängig beeinflusst wird, wodurch ein kausaler Zusammenhang zwischen Virusinfektion und Dysbiose des Darmmikrobioms hergestellt wurde. Die an Patienten beobachtete Dysbiose stimmte darüber hinaus mit den Beobachtungen im Tiermodell überein.

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