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Muss die Einnahme von L-Thyroxin immer morgens nüchtern erfolgen?

Bild: Klaus Eppele / Adobe Stock

Mindestens eine halbe Stunde vor dem Frühstück auf nüchternen Magen, mit einem Glas Leitungswasser – diesen Einnahmehinweis geben tagtäglich Apotheker in Deutschland Schilddrüsenpatienten bei der Abgabe von L-Thyroxin. Die Frage nach der Einnahme anderer Arzneimittel darf natürlich auch nicht fehlen. Denn viele Nahrungsmittel und Medikamente wirken sich auch auf die Schilddrüsenfunktion beziehungsweise auf die Aufnahme und Verstoffwechselung von L-Thyroxin aus. Es wurde zum Beispiel beobachtet, dass die L-Thyroxin-Einnahme zusammen mit Nahrung die Wirkstoffresorption stark mindert. Vor allem sollte die Einnahme von L-Thyroxin nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit Soja- und Milchprodukten erfolgen, da diese einen hohen Calciumgehalt aufweisen. Auch ballaststoffhaltige Nahrung scheint sich negativ auf die Resorption auszuwirken.

Allerdings muss man dazu sagen: Die Substitution von L-Thyroxin ist ein relativ träges System, das nicht so leicht akut zu stören ist. Ein einmaliger „Ausrutscher“ stört also die Therapie nicht. Sich wiederholende Beeinträchtigungen erschweren aber die Einstellung auf einen konstanten Spiegel.

Ist abends auch ok?

Eine Frage, die immer wieder auftaucht ist: muss die Einnahme zwingend morgens erfolgen? Denn nicht bei allen Patienten passt das in den Tagesablauf. Das schwächt wiederum die Adhärenz. Deshalb stellten sich Forscher die Frage, ob eine abendliche Einnahme eine sinnvolle Alternative wäre. Sie untersuchten, inwieweit der Einnahmezeitpunkt Auswirkungen auf den Hormonspiegel und den Therapieerfolg hat. Für die Abendeinnahme wurden in verschiedenen Studien unterschiedliche Zeitpunkte gewählt: entweder direkt vor dem Schlafengehen, mindestens zwei Stunden nach dem Abendbrot oder mindestens 30 Minuten vor dem Abendbrot. Grundvoraussetzung für die Abendeinnahme war ein leerer Magen. Die Morgeneinnahme fand mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück statt.

Ist abends genauso gut wie morgens?

Das Fazit ist also: Eine abendliche L-Thyroxin-Einnahme, entweder 30 Minuten vor dem Abendessen oder vor dem Schlafengehen mit mindestens zwei Stunden Abstand zur letzten Mahlzeit ist ebenso effektiv wie eine morgendliche Nüchterneinnahme 30 Minuten vor dem Frühstück.

Und was ist mit Arzneimitteln?

L-Thyroxin interagiert mit vielen Wirkstoffen. Bei einigen lässt sich das durch Abstand zur L-Thyroxin-Einnahme verhindern, zum Beispiel:

  • Polyvalente Kationen können durch die Bildung von schwerlöslichen Komplexen die Resorption von L-Thyroxin vermindern, sodass Schilddrüsenhormone mindestens zwei Stunden vorher eingenommen werden sollten.
  • Bei Substanzen, die L-Thyroxin im Gastrointestinaltrakt binden, sollte ein Abstand von vier bis fünf Stunden zur L-Thyroxin-Einnahme eingehalten werden. Das gilt für die Ionenaustauscherharze wie Colestyramin und Colestipol, sowie den Gallensäurenkomplexbildner Colesevelam. 

Darüberhinaus können zum Beispiel Glucocorticoide, Betablocker, Mittel zur Empfängnisverhütung oder Hormone zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden die Wirkung von L-Thyroxin vermindern. L-Thyroxin kann wiederum den blutzuckersenkenden Effekt von Metformin, Insulin oder Glibenclamid abschwächen. Diese Wechselwirkungen gilt es bei der Einstellung zu berücksichtigen, inbesondere dann, wenn sich an der Medikation etwas ändert.

Wichtig dabei ist nur, dass die Tablette immer etwa unter den gleichen Umständen eingenommen wird. Wenn also ein Patient der mit abendlicher Einnahme gut eingestellt ist, seinen Einnahmezeitpunkt wechselt, ist es wegen der veränderten Resorption möglich, dass der Spiegel nicht mehr im Normbereich ist.

Nicht selten ist bei der Beratung zu hören: Echt? Nehm‘ ich aber immer schon zum Essen? Ist der Patient gut eingestellt, sollte am Einnahmeschema auf gar keinen Fall etwas geändert werden. Durch eine plötzliche Umstellung auf Nüchterneinnahme und dadurch eine verbesserte Resorption von L-Thyroxin läuft der Patient Gefahr, Symptome einer Hyperthyreose zu entwickeln. Wird allerdings der Spiegel neu eingestellt und dementsprechend kontrolliert, kann man die Umstellung der Einnahme empfehlen. In diesen Fällen ist durch die Nüchterneinnahme und die verbesserte Resorption eventuell eine Dosisreduktion möglich.