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Was ist das Fischgeruch-Syndrom?

Wer unter der seltenen Trimethylaminurie leidet, hat es im gesellschaftlichen Leben meist schwer. | Bild: pathdoc / Adobe Stock

Alles Waschen nützt nichts

Tanja, 37, hat nicht viele Freunde. Die wenigen, echten Freunde aber nehmen sie so, wie sie ist – oder vielmehr so, wie sie riecht. Manch andere Menschen rümpfen über Tanja die Nase. Da wird getuschelt oder auch mal unverhohlen eine spitze Bemerkung in Bezug auf Körperhygiene gemacht. Schon zweimal musste Tanja aus diesem Grund den Arbeitsplatz wechseln. Das sind schlimme, demütigende Erfahrungen. Dabei lässt es Tanja keinesfalls am Duschen, Seifen, Deo-Benutzen etc. fehlen. Doch schon bald nach dem Waschen macht er sich wieder breit: dieser unangenehm fischige Geruch. Besonders Angst hat Tanja vor Belastungssituationen, denn beim Schwitzen entwickelt sich der Geruch verstärkt.

Stinkende Substanz wird nicht abgebaut

Tanja leidet am Fischgeruch-Syndrom, an der sogenannten Trimethylaminurie. Es handelt sich dabei um eine seltene, autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselstörung. Aufgrund einer Genmutation mangelt es den Betroffenen an einem Enzym – der flavinhaltigen Monooxygenase 3 (FMO3). Der Enzymmangel führt dazu, dass die fischig riechende Substanz Trimethylamin (TMA) nicht metabolisiert werden kann. Trimethylamin entsteht im Darm durch die Tätigkeit von Darmbakterien, wenn sie cholinhaltige Lebensmittel abbauen. Beim gesunden Menschen wird das Trimethylamin von der FMO3 in der Leber in das geruchlose Trimethylaminstickstoffoxid (TMA-N-Oxid) umgewandelt. Ist jedoch aufgrund des Gendefekts nicht genügend FMO3 vorhanden, sammelt sich freies Trimethylamin an, das vermehrt ausgeschieden wird. Dies geschieht nicht nur über den Urin, sondern auch über die Atemluft, den Schweiß und andere Körperflüssigkeiten.

Ansonsten keine Krankheitszeichen

Dass die Störung so selten ist, macht sie für die Betroffenen erst recht zur Belastung. So hat Tanja schon vielen Menschen versucht zu erklären, wie ihr unangenehmer Körpergeruch zustande kommt. Dennoch stößt die 37-Jährige immer wieder auf Unverständnis und Ablehnung. Hinzu kommt, dass Tanja ansonsten gesund ist und man ihr die Stoffwechselstörung nicht ansieht.

Was die Symptomatik verstärkt

Die Trimethylaminurie gibt sich meist von Geburt an zu erkennen. Während der Pubertät kann sich die Symptomatik verstärken. Bei Frauen intensiviert sich der Geruch außerdem kurz vor und während der Menstruation, außerdem bei Einnahme oraler Kontrazeptiva sowie in der Zeit rund um die Menopause. Diagnostizieren lässt sich die Stoffwechselstörung, indem die Konzentration an Trimethylamin im Urin bestimmt wird. Außerdem kann die Trimethylaminurie molekulargenetisch nachgewiesen werden.

Auf bestimmte Lebensmittel sollte verzichtet werden

Die Erkrankung ist nicht heilbar und kann auch nicht spezifisch therapiert werden. Mitunter werden sporadische Antibiotikakuren empfohlen, um die Trimethylamin-produzierenden Darmbakterien abzutöten. In erster Linie sollten Betroffene jedoch Lebensmittel meiden, die viel Cholin bzw. Lecithin enthalten, aus denen das Trimethylamin entsteht. Tanja verzichtet deshalb möglichst auf Eier, Innereien, Sojaprodukte, Erbsen, Bohnen und Kohlgemüse. Auch Seefisch und Meeresfrüchte, in denen das Trimethylamin-N-Oxid vorkommt, verzehrt Tanja nur, wenn sie danach nicht in Gesellschaft ist. Außerdem befolgt sie die Empfehlung, leicht saure Körperreinigungs- und Pflegemittel zu verwenden, da Trimethylamin stark basisch ist.

Auch leichte Ausprägungen möglich

Wissenschaftler gehen davon aus, dass es nicht nur die ausgeprägte Form des Fischgeruch-Syndroms gibt, an dem Tanja leidet. Sie vermuten, dass bis zu fünf Prozent der Bevölkerung eine milde Trimethylaminurie haben. Ein unangenehmer Körpergeruch kommt bei den betroffenen Personen nur in bestimmten Situationen vor, etwa nach einer üppigen Fischmahlzeit oder der Einnahme von Carnitin, aus dem im Darm ebenfalls Trimethylamin entsteht.

Fischgeruch-Syndrom in Kürze

  • Seltene, genetisch bedingte Stoffwechselstörung (Trimethylaminurie), bei der sich das nach Fisch riechende Stoffwechselprodukt Trimethylamin ansammelt und über Schweiß, Atemluft, Urin etc. ausgeschieden wird.
  • Aufgrund eines Mangels am Enzym flavinhaltige Monooxygenase 3 (FMO3) kann Trimethylamin in der Leber nicht in das geruchlose Trimethylamin-N-Oxid umgewandelt werden.
  • Betroffene verströmen einen unangenehmen Geruch nach altem Fisch.
  • Diagnostischer Nachweis über die Bestimmung der Trimethylamin-Konzentration im Urin.
  • Keine spezifische Therapiemöglichkeit, Lebensmitteleinschränkungen empfohlen (keine Eier, Innereien, Hülsenfrüchte, Kohlgemüse u. a.)

Quellen: C. Schaaf, J. Zschocke: Basiswissen Humangenetik, Springer-Verlag 2018; Gene Reviews, October 2007; www.aerztezeitung.de