Retax-Fragen
Praxiswissen
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Retax-Frage des Monats: Ist die Abgabe des Rabatt­arzneimittels immer richtig?

PTA räumt Arzneimittel in Regal
Bild: I Viewfinder / AdobeStock

Aus einer Apotheke erreichte uns folgende Frage:

Wir haben ein Rezept zulasten der AOK Nordwest (IK 103411401) erhalten, auf dem der Arzt Uriduct 4 mg (PZN 01417506) verordnet hatte.

Bei Eingabe in die EDV wurde kein rabattiertes Aut-idem-Arzneimittel angezeigt, daher haben wir mit Doxazosin Aurobindo 4 mg (PZN 09673640) das preisgünstigste Arzneimittel in der Austauschgruppe abgegeben. 

Jetzt haben wir im Nachhinein vom Abrechnungszentrum die Meldung bekommen, dass es bei der vorliegenden Krankenkasse sehr wohl einen Rabattartikel gegeben hätte und wir diesen hätten abgeben müssen. Was ist nun richtig?“

Abb.: Uriduct-Verordnung

Antwort:

Nach § 11 des Rahmenvertrags müssen Apotheken vorrangig rabattierte Arzneimittel abgeben. Daher ist es richtig, stets auf mögliche Rabattarzneimittel der entsprechenden Krankenkasse zu achten. Exisitiert ein Rabattvertrag und wird das entsprechende Rabattarzneimittels nicht abgegeben, kommt es in der Regel zu einer Retaxation. Doch ist die Abgabe des Rabattarzneimittels nicht immer die richtige Wahl.  

Ausgehend vom verordneten Arzneimittel, muss die Apotheke zunächst nach den Austauschkriterien nach § 9 Abs. 3 des Rahmenvertrags die Aut-idem-Suche der EDV starten. Das im obigen Beispiel verordnete Präparat ist zwar AV gemeldet, aber da es nach wie vor in der EDV zu finden ist, sollte es für die Aut-idem-Suche als Ausgangsarzneimittel verwendet werden. 

Gut zu wissen: AV und dennoch verfügbar

Nach § 2 Abs. 13 Rahmenvertrag müssen Arzneimittel, die AV gemeldet sind, für die Abgaberangfolge nicht berücksichtigt werden. Sie können aber, soweit sie weiterhin verfügbar sind und als vertragskonforme Abgabemöglichkeit infrage kommen, abgegeben werden.

Austauschkriterien nach § 9 Abs. 3 des Rahmenvertrags

Arzneimittel sind nach § 9 Abs. 3 des Rahmenvertrags aut-idem-konform, wenn sie die folgenden Kriterien erfüllen: 

  • Gleicher Wirkstoff: Dabei gelten die verschiedenen Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe und Derivate eines Wirkstoffs als ein und derselbe Wirkstoff. Es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen erheblich hinsichtlich der Unbedenklichkeit und der Wirksamkeit. 
    Wirkstoffgleich sind auch biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, sofern diese auf das jeweilige Referenzarzneimittel Bezug nehmend zugelassen sind und sich in Ausgangsstoffen und Herstellungsprozess nicht unterscheiden. Die Verpflichtung der Apotheke zur Berücksichtigung dieser Arzneimittel bei der Auswahl besteht für in Anlage 1 in der jeweils gültigen Fassung als untereinander wirkstoffgleich aufgeführte Arzneimittel.
  • Identische Wirkstärke 
  • Identische Packungsgröße im Sinne des § 8
  • Gleiche oder austauschbare Darreichungsform: Dabei gelten folgende Kriterien:
    • Darreichungsformen mit identischer Bezeichnung in den Preis- und Produktinformationen sind gleich.
    • Darreichungsformen nach den Hinweisen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 129 Absatz 1a Satz 1 SGB V (Arzneimittel-Richtlinie Anlage VII Teil A) sind austauschbar.
    • Bei Importarzneimitteln ist unabhängig von der Angabe im Preis- und Produktverzeichnis die für das Referenzarzneimittel gemeldete Darreichungsform zur Auswahl heranzuziehen.
    • Die in Anlage 1 genannten wirkstoffidentischen biotechnologisch hergestellten Arzneimittel mit gleicher Darreichungsform laut Punkt 3 der Fachinformation sind unabhängig von der im Preis- und Produktverzeichnis gemeldeten Darreichungsform austauschbar.
  • Zulassung für ein gleiches Anwendungsgebiet: Die Übereinstimmung in einem von mehreren Anwendungsgebieten ist ausreichend.
  • Kein Verstoß gegen entgegenstehende betäubungsmittelrechtliche Vorschriften: Die abgegebene Menge bei Betäubungsmitteln hat insbesondere der verordneten Menge im Sinne von § 9 Abs. 1 Nummern 3 und 4 BtMVV zu entsprechen. Darüber hinaus darf ein Austausch nur erfolgen, wenn hinsichtlich des Wirkstoffs sowohl die freigesetzte Menge (gegebenenfalls pro Zeiteinheit) als auch die Gesamtmenge an enthaltenem Wirkstoff pro Dosiseinheit identisch sind. Entsprechend müssen auch Applikationshäufigkeit und Applikationsintervall identisch sein.

Abweichendes Anwendungsgebiet ausschlaggebend

Im vorliegenden Fall ist die Zulassung für ein gleiches Anwendungsgebiet ausschlaggebend: Das verordnete Präparat Uriduct wird bei klinischen Symptomen einer benignen Prostatahyperplasie (BPH) eingesetzt. 

Das vom Abrechnungszentrum angegebene Rabattarzneimittel hat jedoch nur die Indikation essenzielle Hypertonie. Damit sind diese beiden Präparate nicht gegeneinander austauschbar, obwohl die anderen Aut-idem-Kriterien erfüllt werden. 

Maßgeblich: Was wurde verordnet?

Hätte der Arzt ein anderes Generikum verordnet, beispielsweise das von der Apotheke abgegebene Präparat von Aurobindo, wäre die Austauschsituation eine andere gewesen. Da Aurobindo die Zulassung für beide Indikationen hat, wäre die Abgabe des Rabattarzneimittels erlaubt gewesen. 

Fazit

Die Abgabe der Apotheke war korrekt und die Abgabe des Rabattarzneimittels hätte in diesem Fall gegen die Vorgaben des Rahmenvertrags verstoßen. 

Bei der Auswahl des abzugebenden Arzneimittels ist es unerlässlich, vom verordneten Arzneimittel auszugehen. Eine reine Wirkstoffsuche kann fehleranfällig sein, wenn sie wie im vorliegenden Fall zu einem Rabattarzneimittel führt, das zum verordneten Präparat nicht austauschbar ist. Dann würde auch die Abgabe des Rabattarzneimittels einer Retax Tür und Tor öffnen.

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