Retax-Fragen
Praxiswissen
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Retaxfalle Sprechstunden­bedarf: Was die Kasse erstattet

unbeschriebenes Rezept, Mundspatel, Kugelschreiber
Rezepte über Sprechstundenbedarf sind retaxanfällig, da die Regeln hierzu sich je nach Bundesland unterscheiden. | Bild: Henrik Dolle / AdobeStock 

Aus einer Apotheke erreichte uns folgende Anfrage:

„Wir haben eine Retaxierung der AOK Rheinland-Pfalz einer SSB-Verordnung über „4 OP Betaisodona Salbe 25 g N1 PZN 03930478“ erhalten, die wir nicht nachvollziehen können. Der Arzt hatte sogar das früher häufiger verwendete Ausrufezeichen gesetzt, um kenntlich zu machen, dass er 4 Salben, für jedes Behandlungszimmer eine, benötige. Abgerechnet wurde 4-mal die verordnete PZN zum Gesamt-VK von 30,24 €.

Als Retaxierungsgrund nannte die Kasse einen falschen Preis und kürzte die Bezahlung um 12,25 €.“

Auszug aus dem Retaxierungsschreiben:

FeldOriginalinhaltKorrigierter InhaltGrund
Bruttobetrag363,96351,0899
Betrag 130,2417,36231
RBT Apo 11,510,88-19

Erläuterungen der Korrekturgründe:

99) ... Bruttoausgleich
-19) ... abhängige Apothekenrabattkorrektur
231) ... falscher Preis

Was zählt zum Sprechstundenbedarf?

Der Sprechstundenbedarf (SSB) umfasst Artikel (z. B. Arzneimittel, Verbandsmittel und Hilfsmittel), die im Rahmen der ambulanten Behandlung in der Praxis oder bei Notfällen bzw. zur Sofortbehandlung benötigt werden und deren Kosten nicht zu den allgemeinen Praxiskosten gehören. Was aber genau im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnungsfähig ist und somit zulasten der Kasse abgegeben und berechnet werden darf, wirft häufig Fragen auf. Nicht selten endet eine Sprechstundenbedarfsverordnung in einer Retaxierung.

Vereinbarungen über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf werden zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) der jeweiligen Bundesländer und den Krankenkassen getroffen. Diese werden im Gegensatz zu anderen Arzneimittellieferverträgen auf den Internetseiten der KVen veröffentlicht. In Anlagen zu diesen Vereinbarungen findet man Sachverzeichnisse, in denen die Artikel oder Artikelgruppen gelistet sind, die im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnet werden können. Doch auch mithilfe dieser Unterlagen ist es manchmal schwierig, eine Retaxierung einer Sprechstundenbedarfsverordnung zu verstehen.

Kasse erstattet nur eine wirtschaftlichere Abgabe

Ein Blick in die Anlage zur Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf zwischen der KV Rheinland-Pfalz und den Krankenkassen bestätigte, dass Antiseptika im Zusammenhang mit operativen Eingriffen, zur Wundversorgung oder für Notfälle zur direkten Anwendung für den Sprechstundenbedarf in Rheinland-Pfalz verordnet werden dürfen. Dort wird jedoch schon auf die große Preisspanne der Produkte hingewiesen:  

Artikel / ArtikelgruppenVerordnungsfähig als SSBErgänzung / Begründung
Als SSB / nicht SSB verordnungsfähige Beispiel (nicht vollständig)
AM-RL = Arzneimittel-Richtlinie
Wund-DesinfektionsmittelJa

Große Preisspanne der verschiedenen Produkte!

Beispiele: Wässrige Jodlösung, Octenidin-Lsg., Polihexanid-Lsg., PVP-haltige Produkte

Die Vermutung liegt also nahe, dass die Kasse nur eine wirtschaftlichere Abgabe erstattet. Dazu auch ein Ausschnitt aus der oben genannten Verordnung:

„3. Für Sprechstundenbedarf gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot. Der Sprechstundenbedarf soll nur in solchen Mengen verordnet werden, die für die einzelne Praxis am wirtschaftlichsten sind und in angemessenem Verhältnis zu der Zahl der Behandlungsfälle sowie dem abgerechneten Leistungsspektrum bei den in Abschnitt II genannten Anspruchsberechtigten stehen. Sind von einem Mittel größere Mengen zu ersetzen, sind preisgünstige Groß-, Klinik- oder Bündelpackungen zu verordnen. Ferner ist der Arzt angehalten, bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf einen günstigen Bezugsweg zu wählen und – soweit verfügbar – Generika zu verordnen.“

Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf

Es wird also deutlich, dass möglichst günstigere Großpackungen und preisgünstige generische Mittel verschrieben werden sollten.

Kürzung erfolgte auf maximalen Festbetrag

Ein genauer Blick in die Lauer-Taxe und die Preisgestaltung der abgegebenen Salbe verrät jedoch, warum die Kasse den Abgabepreis gekürzt hat. Es wurde nicht auf den Preis eines günstigen Generikums oder einer Großpackung retaxiert, sondern auf den maximalen Betrag, den die gesetzlichen Krankenkassen für dieses Arzneimittel bezahlen – den Festbetrag –, gekürzt.

Für Betaisodona-Salbe besteht ein Festbetrag von 4,34 €. Die Kasse erstattet also nur 4-mal diesen Festbetrag (4 x 4,34 € = 17,36 €).

Der von der Kasse retaxierte Betrag in Höhe von 12,25 € ergibt sich aus der Differenz zwischen Festbetrag und abgerechnetem VK-Preis unter Einbeziehung der Apothekenrabatte:

30,24 € – 17,36 € – (1,51 € – 0,88 €) = 12,25 €

Somit erstattet die Kasse 4 kleine Packungen der verordneten Betaisodona-Salbe zum Festbetrag.

Auch bei Sprechstundenbedarfverordnungen Festbeträge beachten

Auch bei Verordnungen von SSB sind Festbetragsregelungen zu beachten. Falls der Arzt dennoch ein Arzneimittel verordnet, dessen Apothekenverkaufspreis über dem Festbetrag liegt, bezahlt die Krankenkasse ausschließlich die Kosten für den Festbetrag.  

„(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.“

§ 12 Abs. 2 SGB V

Die entstehenden Mehrkosten muss der Arzt in einem solchen Fall selbst übernehmen. Es sollte also nicht versäumt werden, dem Arzt auch bei einer SSB-Verordnung eine zusätzliche Rechnung über möglicherweise anfallende Festbetragszuzahlungen in Rechnung zu stellen.

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