Retax-Fragen
Praxiswissen
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Retaxgefahr durch Botendienstpauschale und Akutfall?

PTA mit Arzneimittel für den Botendienst
Mit der SARS-CoV-2-AMVersVO wurde 2020 die Botendienstpauschale eingeführt. Doch was, wenn der Botendienst zusammen mit anderen Spezialfällen wie z. B. der Akutversorgung auftritt? Ist dann eine Vergütung dennoch möglich oder droht gar eine Retaxation?

Aus einer Apotheke erreichte uns folgende Frage:

Wir haben Retaxationen erhalten, weil wir den Botendienst-Zuschlag und die Sonder-PZN für Akutversorgung gleichzeitig aufgedruckt haben. Auf der ersten retaxierten Verordnung waren zulasten der AOK Sachsen-Anhalt transdermale Buprenorphin-Pflaster verordnet (PZN 12870166). Die sofortige Lieferung des Arzneimittels per Botendienst erfolgte am 15. Mai 2020. Das Rezept wurde mit der Sonder-PZN 02567024 und Faktor 5 sowie dem Vermerk „Akutversorgung“ versehen. Darüber hinaus wurde entsprechend der SARS-CoV-2-AMVersVO die Botendienstpauschale abgerechnet (Sonder-PZN 06461110, zu dem Zeitpunkt brutto 5,95 Euro). 

Bei der zweiten retaxierten Verordnung handelte es sich im Juni 2020 um die Akutversorgung mit Venlafaxin-Retardkapseln. Der Fall war der gleiche (Sonder-PZN für Akutversorgung + Botendienstpauschale). Bei beiden Verordnungen lehnte die Kasse die Vergütung der Botendienstpauschale von 5,95 Euro inklusive Mehrwertsteuer mit der Begründung „Botendienstvergütung bei Akut-/Notversorgung unzulässig“ ab. 

Darf die Kasse die Verordnung retaxieren?

Antwort

Die vorliegende Retaxation hat keine gesetzlich oder vertraglich fundierte Grundlage. Eine Vorschrift oder eine Vereinbarung, die den Botendienst in direktem Zusammenhang mit einer Akutversorgung verbietet oder den gesetzlichen Krankenkassen gar Retaxationen erlaubt, wenn beide Versorgungsfälle gleichzeitig erforderlich werden, existiert nicht. Dies wäre auch widersinnig, da in jeder öffentlichen Apotheke Fälle auftreten können, in denen sowohl eine Akut- oder Notversorgung als auch die Zustellung zum Patienten gleichzeitig erforderlich werden. 

Nähere Vereinbarungen zum Botendienst, die weitere Details zu Retaxationen oder Akutversorgung enthalten, müssten zunächst zwischen den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Apothekerschaft und den gesetzlichen Krankenkassen vereinbart werden. Mittlerweile kam vom Landesapothekerverband Sachsen-Anhalt erfreulicherweise die Nachricht, dass die AOK entsprechende Retaxationen nach Einspruch zurücknehmen wird. Es kann jedoch sein, dass die Kasse im Einzelfall ihre Versicherten fragt, wie es zu der gleichzeitigen Lieferung und Akutversorgung kam.

Botendienst: eine Herausforderung

Der Botendienst ist für jede Apotheke eine logistische, organisatorische und daher kostspielige Aufgabe und sollte nicht nur als Abgabe (oder gar Abstellen) einer Tüte an der Haustür angesehen werden. Um Retaxationen zu vermeiden, ist allerdings immer darauf zu achten, dass alle Formalien und rechtlichen Vorgaben eingehalten werden (wie dies die hier betroffene Apotheke auch getan hat). Die Vorgaben finden sich in 

  • § 17 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO),
  • § 129 Abs. 5g SGB V (Botendienstzuschlag 2,50 Euro plus Mehrwertsteuer) und
  • § 4 der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung.

Zur Erinnerung: So nutzen Sie die Pauschale richtig

Pro Liefertag und Lieferort wird die Verordnung mit der Sonder-PZN 06461110, im Feld „Faktor“ mit „1“ und im Feld „Taxe“ mit „298“ (= 2,50 € zzgl. 19% MwSt.) bedruckt. Da der Botendienst-Zuschlag seit 1. Januar 2021 im SGB V festgeschrieben ist und das SGB V nur für gesetzliche Krankenkassen verbindlich ist, kann der Zuschlag nicht mehr auf Privatrezepten abgerechnet werden. Der Botendienst kann zudem nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel, also nicht für OTC-Arzneimittel, Medizinprodukte und Hilfsmittel abgerechnet werden.

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