Rezeptur
Praxiswissen
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Plausibilitätsprüfung: Rezeptur unter der Lupe

Fantaschale mit Pistill, im Hintergrund Apotheker blättert in Buch
Bild: StockPhotoPro / AdobeStock

Sowohl bei Rezepturen auf Rezept als auch bei Rezepturen ohne ärztliche Verschreibung muss in der Apotheke vor der Herstellung die sogenannte Plausibilitätsprüfung durchgeführt werden. Im Rahmen dieser Prüfung muss die jeweilige Rezeptur zunächst unter pharmazeutischen Gesichtspunkten beurteilt werden. Nach § 7 Apothekenbetriebsordnung sind dabei folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • Dosierung,
  • Applikationsart,
  • Art, Menge und Kompatibilität der Ausgangsstoffe untereinander sowie deren gleichbleibende Qualität im fertig hergestellten Arzneimittel über dessen Haltbarkeitszeitraum,
  • Haltbarkeit des Rezepturarzneimittels.

Gut zu wissen: Informationsquellen für die Plausibilitätsprüfung

Für eine schnelle Durchführung der Plausibilitätsprüfung, eignet sich das Buch „Plausibilitäts-Check Rezeptur“ von A. Ziegler. Hier sind alle zur Prüfung notwendigen Angaben übersichtlich in Tabellen zusammengestellt. 

Auch die „NRF-Tabellen für die Rezeptur“ unterstützen bei der Plausibilitätsprüfung von Individualrezepturen. Sie liefern Informationen zur Dosierung der Wirkstoffe, verschiedenen Dermatika-Grundlagen, rezeptierbaren pH-Bereichen, Konservierungsmitteln und Festlegung der Aufbrauchsfrist. 

Hilfreich sind zudem die Rezepturhinweise des DAC/NRF, hier können gezielt Informationen zu häufig vorkommenden Ausgangsstoffen und Rezepturen gefunden werden. In einer Rezepturhinweis-Datenbank kann dabei gezielt nach einzelnen Begriffen gesucht werden.

Plausibilitätsprüfung am Beispiel einer hydrophilen Creme

Zum besseren Verständnis sei die Plausibilitätsprüfung an einem Beispiel demonstriert. Von einem Hautarzt wurde folgende halbfeste Zubereitung verordnet: 

  • Octenidindihydrochlorid 0,1 g
  • Prednicarbat 0,15 g
  • Anionische hydrophile Creme DAB zu 100,0 g

Die hydrophile Creme kommt bei entzündlichen und pruriginösen Erkrankungen der Haut mit bakterieller Infektion zum Einsatz.

Schritt 1: Dosierung angemessen?

Eine Überprüfung der verordneten Konzentration der Arzneistoffe ist ein wesentlicher Bestandteil der Plausibilitätsüberprüfung, denn versehentlich zu hoch konzentrierte Substanzen können ein Risiko für den Patienten darstellen.

Beim ausgewählten Rezepturbeispiel ist dahingehend alles korrekt: Sowohl Octenidindihydrochlorid als auch Prednicarbat sind innerhalb ihrer therapeutischen Konzentration verordnet. 

Im Rahmen seiner Therapiefreiheit darf der Arzt auch höhere Konzentrationen verschreiben. Diese beabsichtigte Überschreitung muss dann jedoch auf dem Rezept, z. B. durch ein Ausrufezeichen, kenntlich gemacht werden. Fehlt dieser Hinweis, ist die Konzentrationsüberschreitung als Unklarheit zu werten und es muss vor der Herstellung mit dem Arzt Rücksprache gehalten werden.

Schritt 2: Applikationsart geeignet?

Weiterhin ist die Anwendungsart des Arzneimittels zu berücksichtigen und in der Dokumentation zu benennen, denn manche Wirkstoffe und vor allem Konservierungsstoffe sind für bestimmte Applikationsarten ungeeignet. Übrigens: Es genügt dabei nicht nur nach innerlicher und äußerlicher Anwendung zu unterscheiden. 

Geht die Anwendungsart aus der Rezepturvorschrift nicht eindeutig hervor, muss sie im Rahmen des Patientengesprächs oder durch Rücksprache mit dem Arzt in Erfahrung gebracht werden.

Schritt 3: Verträglichkeit der Ausgangsstoffe untereinander gegeben?

Die Kompatibilität aller Inhaltsstoffe untereinander stellt einen besonders wichtigen Punkt bei der Überprüfung der Rezepturvorschrift dar. Gerade bei Individualrezepturen kommen Unverträglichkeiten häufig vor und führen dazu, dass das Arzneimittel so nicht hergestellt werden kann. 

Bei wasserhaltigen Rezepturen ist zunächst zu überprüfen, ob die rezeptierbaren pH-Bereiche aller Inhaltsstoffe zusammenpassen. Dies ist vor allem bei Wirkstoffen und Konservierungsmitteln wichtig, um deren Wirksamkeit sicherzustellen. Aber auch der pH-Wert der Dermatika-Grundlage muss innerhalb der rezeptierbaren pH-Bereiche der Wirkstoffe liegen.

In der Beispiel-Rezeptur gelten folgende pH-Bereiche:

WirkstoffpH-Bereich
OctenidindihydrochloridpH 2 bis 12
PrednicarbatpH 3,5 bis 8
Anionische hydrophile Creme DABpH 3,5 bis 5,5 
(für wirksame Sorbinsäure-Konservierung)

Wechselwirkungen zwischen Kationen und Anionen

Inkompatibilitäten in wasserhaltigen Zubereitungen beruhen zudem häufig auch auf chemischen Reaktionen zwischen Kationen und Anionen. Dabei können sich schwerlösliche Salze bilden, die die Freisetzung des Wirkstoffs verhindern oder zur Verflüssigung der Grundlagen führen. 

Aus diesem Grund dürfen kationische und anionische Substanzen in wasserhaltigen Rezepturen nicht gemeinsam verarbeitet werden. Es ist somit wichtig, sich über den chemischen Charakter der eingesetzten Stoffe zu informieren. 

Austausch der Grundlage im Fallbeispiel nötig

Octenidindihydrochlorid gehört zu den kationischen Arzneistoffen und ist daher mit anionischen Substanzen unverträglich. Prednicarbat als neutraler Stoff ist dahingehend unproblematisch. Die aufgeschriebene Grundlage Anionische hydrophile Creme DAB enthält hingegen einen anionischen Emulgator (Emulgierender Cetylstearylalkohol Typ A).

Bei diesem Komplexemulgator reagiert der anionische Teil mit dem Kation aus Octenidindihydrochlorid zu einem schwer löslichen Salz. Dadurch wird die Wirkung des Octenidins beeinträchtigt und zugleich das Emulsionssystem der O/W-Creme gestört. 

Aufgrund dieser Unverträglichkeit muss eine andere Grundlage ausgesucht werden. Als Alternative stehen nichtionische Grundlagen wie Basiscreme DAC oder Nichtionische hydrophile Creme DAB zur Verfügung.

Grundlagen-Tausch: Rücksprache mit dem Arzt nötig?

Rein rechtlich gesehen dürfen Hilfsstoffe aus galenischen Gründen auch ohne Rücksprache mit dem Arzt ausgetauscht werden, dies gilt auch für Dermatika-Grundlagen. 

Dennoch ist es sinnvoll, den verordnenden Mediziner über diesen Austausch zu unterrichten. Auf diese Weise wird der Arzt über die auftretende Unverträglichkeit informiert und so eine erneute Verordnung in Zukunft vermieden. Zudem wäre es denkbar, dass der Patient gegen einen Inhaltsstoff der neuen Grundlage allergisch reagiert und dieser Punkt daher mit dem Arzt geklärt werden muss.

Weitere Herstellungshinweise für die Beispiel-Rezeptur

Bei der Herstellung der Beispielrezeptur mit veränderter Grundlage ist zu beachten, dass Prednicarbat in Basiscreme DAC zur Klumpenbildung neigt. Die Substanz muss daher zunächst mit einer Flüssigkeit angerieben werden. Dafür eignen sich die ohnehin in der Grundlage enthaltenen Mittelkettigen Triglyceride. 

Octenidindihydrochlorid lässt sich zudem nachträglich nur schlecht in Dermatika-Grundlagen einarbeiten. Aus diesem Grund wird zur Verarbeitung die Verwendung einer Octenidindihydrochlorid-Stammlösung 2% (NRF S.50.) empfohlen.

Die entsprechend optimierte Beispiel-Rezeptur lautet daher:

  • Octenidindihydrochlorid-Stammlösung 2% (NRF S.50.) 5,0 g
  • Prednicarbat (mikrofein gepulvert) 0,15 g
  • Mittelkettige Triglyceride nach Bedarf
  • Basiscreme DAC zu 100,0 g

Schritt 4: Haltbarkeit ermitteln

Im Rahmen der Plausibilitätsprüfung muss zu guter Letzt auch die Haltbarkeit des hergestellten Arzneimittels beurteilt werden. Schließlich müssen alle Zubereitungen vor der Abgabe an den Patienten mit einem konkreten Enddatum der Aufbrauchsfrist versehen werden. 

Octenidindihydrochlorid gilt als stabil, hier sind während der Anwendung des Arzneimittels keine Veränderungen zu erwarten. Bei Prednicarbat besteht hingegen die Gefahr eines eventuellen Kristallwachstums bei längerer Lagerung und einer Zersetzung des Wirkstoffs. Aus diesem Grund sollte die Aufbrauchsfrist der Beispiel-Rezeptur auf 3 Monate begrenzt werden.

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