Rezeptur
Praxiswissen
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Rezeptur: Darf unversteuertes Ethanol verwendet werden?

Rezeptur: Braunglasflasche Ethanol, Waage und Fantaschale
Für die Herstellung von Rezeptur- bzw. Defekturarzneimitteln darf ausschließlich nur unvergälltes Ethanol nach Arzneibuchqualität verwendet werden. | Bild: IMAGO / JOKER

Aus einer Apotheke erreichte uns dazu folgende Anfrage:

Für eine Zahnarztpraxis sollen wir Ethanol 70 % (V/V) und Ethanol 90 % (V/V) herstellen. Die Alkohol-Wasser-Mischungen werden dabei zur Behandlung am Patienten eingesetzt, ausdrücklich nicht zur Flächendesinfektion. Zur Herstellung setzen wir unvergälltes Ethanol ein. Müssen wir dieses versteuern oder darf unversteuerter Alkohol verwendet werden?

Anfrage einer Apotheke an die PTAheute-Onlineredaktion

Eine Steuer auf Alkohol, die sich aus dem Alkoholsteuergesetz ergibt, gehört wohl zu den ältesten Steuern überhaupt. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Verbrauchssteuer. Wird Alkohol als Genussmittel konsumiert, fällt eine Steuer von 13,03 € pro Liter reinem Ethanol an.

Steuerfreies, vergälltes Ethanol für technische Zwecke

Um diese Steuer zu umgehen, wird Ethanol für technische Zwecke vergällt, indem der Flüssigkeit ein Vergällungsmittel zugefügt wird. Auf diese Weise ist der Alkohol nicht mehr zum Verzehr geeignet und wird damit automatisch steuerfrei. 

In Deutschland wird meist Methylethylketon (MEK) als Vergällungsmittel eingesetzt. Bei 100 Litern Ethanol wird zur Vergällung 1 Liter Methylethylketon zugesetzt. 

Zur Herstellung von Arzneimitteln darf aus Gründen der Arzneimittelsicherheit kein vergällter Alkohol verwendet werden. Werden also Rezeptur- oder Defekturarzneimittel in der Apotheke hergestellt, kommt ausschließlich unvergälltes Ethanol nach Arzneibuchqualität zum Einsatz.

Unvergällter Alkohol kann auch steuerfrei sein

Unvergällter Alkohol kann in der Apotheke in bestimmten Fällen ebenfalls von der Steuer befreit sein. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass der Alkohol zur Herstellung von Arzneimitteln eingesetzt wird. 

Die von der Zahnarztpraxis benötigten Alkohol-Wasser-Mischungen gelten als Arzneimittel und sind beide im Deutschen Arzneibuch unter der Monographie „Ethanol-Wasser-Gemische“ aufgeführt. Ethanol 90 % (V/V) wird dabei auch als Spiritus bezeichnet und Ethanol 70 % (V/V) ist unter dem Synonym Spiritus dilutus bekannt. 

Damit tatsächlich keine Steuer anfällt, muss zuvor beim Hauptzollamt eine sogenannte Verwendererlaubnis beantragt werden. Dazu muss vom Apothekeninhaber ein amtlich vorgeschriebener Vordruck ausgefüllt werden. 

Eine solche Erlaubnis zur Verwendung von steuerfreiem, unvergälltem Alkohol wird nur erteilt, wenn mindestens 25 Liter reines Ethanol im Jahr verwendet werden. Wird diese Mindestbezugsmenge nicht erreicht, bleibt der Apotheke nichts anderes übrig, als versteuerten Alkohol zur Herstellung von Arzneimitteln zu verwenden. 

Bis Ende letzten Jahres konnten diese Mehrkosten jedoch nicht den gesetzlichen Krankenkassen in Rechnung gestellt werden. Die Preisberechnung von Rezepturen erfolgte nach der Hilfstaxe und nach Anlage 1 „Liste der Arzneimittelpreise“ wurde grundsätzlich nur der Preis für das unversteuerte, unvergällte Ethanol erstattet. Allerdings gilt seit Anfang des Jahres die Hilfstaxe nicht mehr: Folglich können bei der Preisberechnung aktuell die tatsächlichen Einkaufspreise in Rechnung gestellt werden.

Gut zu wissen: Was, wenn Alkohol-Wasser-Mischungen zur Desinfektion verwendet werden?

Ethanol-Wasser-Mischungen, die als Desinfektionsmittel verwendet werden, gelten nicht als Arzneimittel, sondern fallen unter die Biozid-Verordnung. Die Herstellung solcher Desinfektionsmittel ist nur dann steuerfrei, wenn sie mit vergälltem Alkohol hergestellt werden. 

Ausnahmeregelungen gab es während der Corona-Pandemie: Während eines begrenzten Zeitraums war die Verwendung von unvergälltem Ethanol zur Herstellung von Desinfektionsmitteln steuerfrei erlaubt.

Alkohol-Wasser-Mischungen: Herstellung durch Abwiegen 

Da es beim Vermischen von Ethanol und Wasser zu einer Volumenkontraktion kommt, müssen Alkohol-Wasser-Mischungen immer durch Abwiegen der beiden Flüssigkeiten hergestellt werden. Um jeweils die benötigte abzuwiegende Menge zur Herstellung von beispielsweise Ethanol 70 % (V/V) zu wissen, kann in den NRF-Tabellen für die Rezeptur Folgendes nachgelesen werden:

  • Herstellung: 66,5 g Ethanol 96 % (V/V) werden mit Gereinigtem Wasser zu 100,0 g verdünnt.

Falls nun eine andere Menge als 100 Gramm hergestellt werden soll, können die benötigten Mengen über einen Dreisatz berechnet werden.  

Beispiel: Es sollen 250 g Ethanol 70 % (V/V) hergestellt werden.  

100 g Ethanol 70 % (V/V) entsprechen 66,5 g Ethanol 96 % (V/V)

250 g Ethanol 70 % (V/V) entsprechen x g Ethanol 96 % (V/V)

x = 166,3 g Ethanol 96 % (V/V)Berechnung: 250 g Ethanol 70 % (V/V) x 66,5 g Ethanol 96 % (V/V) / 100 g Ethanol 70 % (V/V)  

Zur Herstellung von 250 g Ethanol 70 % (V/V) werden 166,3 g Ethanol 96 % (V/V) und 83,7 g Gereinigtes WasserBerechnung: 250 g Ethanol 70 % (V/V) - 166,3 g Ethanol 96 % (V/V)  abgewogen.

Steuerfreier Alkohol: Aufzeichnungen über die Verwendung 

Wird steuerfreier Alkohol in der Apotheke verwendet, müssen Aufzeichnungen über die Zugänge und Abgänge dieses Alkohols geführt werden. Damit wird sichergestellt, dass unversteuerter Alkohol ausschließlich zu Zwecken der Arzneimittelherstellung verwendet wird. 

Wenn Apotheken nicht mehr als 100 Liter steuerfreien Alkohol pro Jahr beziehen, reichen die üblichen Aufzeichnungen bei der Rezepturherstellung zum Nachweis aus. Erst ab einer Menge von über 100 Litern muss ein spezielles Verwendungsbuch ausgefüllt werden.

Kennzeichnung von Rezepturen mit Ethanol

Grundsätzlich müssen Arzneimittel nicht nach der Gefahrstoffverordnung gekennzeichnet werden. Folglich müssen Gefahrensymbole bzw. Piktogramme nicht auf das Gefäß geklebt werden. Jedoch sind bei der Etikettierung nötige Hinweise auf besondere Vorsichtsmaßnahmen zu berücksichtigen. 

So empfiehlt es sich bei der Abgabe von Ethanol 70 % (V/V) und Ethanol 90 % (V/V), die Hinweise „Von Zündquellen fernhalten“ und „Vor Feuer schützen“ aufzubringen. 

Nach der Besonderheitenliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gehört Ethanol zudem zu den Hilfsstoffen, bei denen die eingesetzte Menge bei der Kennzeichnung anzugeben ist. Nach dieser Liste müssen in der Apotheke hergestellte Arzneimittel mit Ethanol zur oralen oder parenteralen Anwendung sowie zur Anwendung auf der Haut oder Inhalation mit folgendem Hinweis auf dem Etikett versehen werden: „Enthält x mg Alkohol (Ethanol) pro Dosiereinheit/Dosiervolumen entsprechend x mg/Gewicht bzw. Volumen (y % w/w bzw. v).“

Bei Zubereitungen zum Auftragen auf die Haut wird der Ethanolgehalt in Milligramm pro Gramm Zubereitung auf dem Etikett angegeben. Ethanol 70 % (V/V) entspricht dabei 62,4 % (m/m), in 100 g sind also 62,4 g Ethanol enthalten. 1 g Zubereitung enthält damit 624 mg Ethanol.

Im Direktverkauf nur versteuertes Ethanol

Möchten Kunden in der Apotheke Ethanol erwerben, so darf ausschließlich versteuerter Alkohol verkauft werden. Verwendet die Apotheke gleichzeitig steuerfreien Alkohol zur Arzneimittelproduktion, müssen genaue Aufzeichnungen erfolgen, die den Weg des versteuerten und auch des unversteuerten Ethanols genau nachverfolgen lassen. 

Zudem müssen versteuertes und unversteuertes Ethanol in der Apotheke getrennt voneinander gelagert werden. So soll sichergestellt werden, dass kein unversteuerter Alkohol im Direktverkauf abgegeben wird. Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2020/daz-30-2020/immer-aerger-mit-der-steuer
- DAC/NRF-Rezepturhinweis Alkohol-Wasser-Gemische (21.12.2023)
- https://www.kv-rlp.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Mitglieder/Vertraege/Sprechstundenbedarf/SSB-Vereinbarung_Anlage1_2023.pdf
 

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