Rezeptur
Praxiswissen
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Rezeptur: Nicht vegane Wirk- und Hilfsstoffe

Aus einer Pipette fließt Hyaluronsäure
Hyaluronsäure wird heutzutage biotechnologisch durch bakterielle Fermentation hergestellt und hat damit keinen tierischen Ursprung mehr. | Bild: Kunstzeug / AdobeStock

Veganer verzichten meist in sämtlichen Lebensbereichen auf die Nutzung tierischer Produkte. Doch Fertigarzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Medizinprodukte zu finden, die keinerlei Substanzen tierischen Ursprungs enthalten, ist oft gar nicht so einfach. 

Auch bei der Herstellung von Arzneimitteln in der Apotheke kommen einige Wirk- und vor allem Hilfsstoffe zum Einsatz, die als nicht vegan gelten. Die nachfolgende Übersicht klärt auf, welche Wirk- und Hilfsstoffe tierischen bzw. pflanzlichen Ursprungs sind.

Tannin: Ein Wirkstoff aus der Natur

Der Arzneistoff Tannin gilt als natürlicher Wirkstoff, vegan ist die Substanz aber nicht. Chemisch gesehen handelt es sich bei Tannin (Acidum tannicum) um einen Glucoseester der Gallussäure. Damit zählt die Substanz zu den Gerbstoffen. 

Tannin wird als Adstringens mit antibakterieller Wirkung lokal auf der Haut und den Schleimhäuten angewendet. In der Rezeptur wird Tannin vor allem zu anionischen Cremes, Hydrogelen und wässrig-alkoholischen Lösungen verarbeitet. 

In Form von Tanninalbuminat, einem Komplex aus Tannin und Ovalbumin, kommt es auch innerlich als Antidiarrhoikum in Fertigarzneimitteln zum Einsatz (z. B. Tannacomp® Filmtabletten). 

Die Gewinnung von Tannin erfolgt aus sogenannten Galläpfeln, die mit normalen Äpfeln nichts zu tun haben. Gallen sind Wachstumsreaktionen von Pflanzen auf artfremde Organismen, damit sind meist Insekten gemeint. Im Falle von Tannin legt die Eichengallwespe ein Ei in ein Blatt der Galleiche. Daraufhin sondert der Baum Gerbstoffe wie Tannin ab und es bildet sich ein Pflanzengewebe, der sogenannte Gallapfel. 

Gut zu wissen: Nicht mit Tamol verwechseln

Tannin darf nicht mit Tamol verwechselt werden. Bei Tamol handelt es sich um einen synthetisch hergestellten Gerbstoff, der in Form von entzündungshemmenden und juckreizlindernden Präparaten lokal auf die Haut aufgetragen wird (z. B. Tannolact® Creme oder Suspension).

Welche weiteren Wirkstoffe sind tierischen Ursprungs?

Der Arzneistoff Heparin wird in Form seines Natriumsalzes in Dermatika zur Behandlung bei akuten Schwellungszuständen nach stumpfen Traumata und bei oberflächlichen Venenentzündungen verwendet.

Dazu gab es auch mit dem Hydrophilen Heparin-Natrium Gel 600 I.E./g eine geprüfte Rezepturvorschrift aus dem NRF, aufgrund zahlreicher Fertigarzneimittel ist diese aber schon länger entfallen. Heparin wird bis heute aus der Darmschleimhaut von Schweinen extrahiert. Die Gewinnung aus Rinderlungen wird seit der BSE-Krise nicht mehr eingesetzt. 

Ein weiterer Wirkstoff, bei dem sich der tierische Ursprung nicht gleich erkennen lässt, ist die Substanz Ammoniumbituminosulfonat. Die schwarz-braune Flüssigkeit wird aus dem Ölschiefer gewonnen. Dieses Sedimentgestein entsteht aus Meeres-Kleinstlebewesen und Algen unter sauerstoffarmen Bedingungen. 

Ammoniumbituminosulfonat ist damit zumindest teilweise tierischen Ursprungs. Verwendet wird die Substanz hauptsächlich in Form von Zugsalben zur Behandlung von Furunkeln und Abszessen.

Hyaluronsäure: Nicht mehr vom Hahn

Zubereitungen mit Hyaluronsäure kommen zur Befeuchtung der Augen und der Nasenschleimhaut sowie in zahlreichen kosmetischen Produkten zum Einsatz. Als Rezeptursubstanz ist dabei Natriumhyaluronat, das Salz der Hyaluronsäure, erhältlich. 

Das Polysaccharid wurde früher durch Extraktion aus Hahnenkämmen gewonnen, mittlerweile erfolgt die Herstellung biotechnologisch durch bakterielle Fermentation. Hyaluronsäure ist heute also nicht mehr tierischen Ursprungs. 

Die Hilfsstoffe Lactose und Gelatine

Gerade im Rezepturbetrieb kommen zahlreiche nicht vegane Hilfsstoffe zum Einsatz. Eine häufig verwendete Substanz tierischen Ursprungs ist die Lactose (Milchzucker). 

Das weiße, leicht süß schmeckende Pulver wird als Füllstoff zur Herstellung von Tabletten, Kapseln oder Puder verwendet und wird aus Kuhmilch gewonnen. In der Milch von Säugetieren macht der Milchzucker fast den gesamten Anteil an Zuckern aus. Beispielsweise enthält Kuhmilch bis zu 47 Gramm Lactose auf 1 Liter. 

Um ein veganes Arzneimittel zu erhalten, kann bei der Herstellung von Rezepturen Lactose durch andere Füllmittel wie Mannitol oder Mikrokristalline Cellulose ersetzt werden. 

Gut zu wissen: Milchsäure stammt nicht aus Milch

Auch wenn es der Name vermuten lässt, Milchsäure wird nicht aus Milch hergestellt. Die Säure wird mithilfe von Milchsäurebakterien aus Zuckerlösungen gewonnen und ist damit ein Abbauprodukt der Milchsäuregärung. Milchsäure und ihre Salze (Lactate) sind daher keine tierischen Produkte.

Ein weiterer häufig eingesetzter pharmazeutischer Hilfsstoff tierischen Ursprungs ist die Gelatine. Verwendet wird sie zur Herstellung von Hartkapseln und Vaginalzäpfchen. Gelatine ist eine Mischung verschiedener Proteine, die aus tierischem Kollagen gewonnen wird. Als kollagenhaltige Rohstoffe werden überwiegend die Haut, das Bindegewebe und die Knochen von Schweinen und Rindern verwendet. 

Hartkapseln sind mittlerweile grundsätzlich auch aus veganem Material erhältlich, verwendet wird dazu die Cellulose-Verbindung Hypromellose. Diese sind allerdings nicht immer in Kleinmengen in der für die Herstellung von Rezepturen erforderlichen Qualität erhältlich. 

Manche Typen von Hypromellose-Kapselhüllen enthalten zudem noch als weitere Substanz Carrageen. Diese Art von Kapselhüllen sind zur Herstellung von Arzneimitteln ungeeignet, da sie unter bestimmten Bedingungen ihren Inhalt nicht ausreichend schnell freisetzen. 

Hilfsstoffe von Bienen

Weitere nicht vegane Hilfsstoffe stammen von der Honigbiene. Im Europäischen Arzneibuch sind dazu zwei Arten von Bienenwachs zu finden: 

  • Gelbes Wachs (Cera flava) kann durch Ausschmelzen der leeren Waben der Honigbiene gewonnen werden.
  • Gebleichtes Wachs (Cera alba) wird durch Bleichen des gelben Bienenwachs erhalten. 

Beide Wachsarten können als Konsistenzgeber in Dermatika zu finden sein. Cera flava ist unter anderem Bestandteil der Kühlcreme DAB und der Wachssalbe DAB 6. 

Auch wird Bienenhonig zur Wundversorgung eingesetzt, bekannt ist in diesem Zusammenhang eine Honig-Macrogolsalbe. Die hyperosmotische Zubereitung soll eine wundreinigende und geruchsbindende Wirkung haben. Wegen der nicht nachgewiesenen pharmazeutischen Qualität darf zur Herstellung kein Lebensmittelhonig verwendet werden. 

Auch beim Wollwachs (Adeps lanae) handelt es sich um ein tierisches Produkt. Die wachsartige Substanz wird aus der Wolle von Schafen gewonnen. Wollwachs wird zur Herstellung halbfester Dermatika eingesetzt und ist unter anderem in den W/O-Cremes Lanolin DAB und Weiche Creme DAC enthalten. 

Aus dem Wollwachs werden auch die Wollwachsalkohole erhalten. Diese Mischung aus Cholesterin und längerkettigen Alkoholen wird zur Herstellung verschiedener Wollwachsalkoholsalben verwendet.

Magnesiumstearat pflanzlichen bzw. tierischen Ursprungs

Ebenfalls tierischen Ursprungs kann der Hilfsstoff Magnesiumstearat sein. Die Substanz wird als Schmiermittel bei der Tablettenherstellung eingesetzt. Im Rezepturbetrieb kann es als Fließregulierungsmittel bei der Herstellung von Kapseln verwendet werden. 

Magnesiumstearat ist ein Salz der Stearinsäure, diese Fettsäure kann aus pflanzlichen Fetten wie Raps- oder Sojaöl erhalten werden. Eine Gewinnung kann aber auch aus tierischen Fetten wie Milchfett, Rindertalg oder Schweineschmalz erfolgen. Im Zweifelsfall muss bei der Herstellerfirma nachgefragt werden. Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ist-das-vom-tier-139724/seite/alle/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2015/daz-40-2015/arzneimittel-vegan-oder-nicht-vegan
 

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