Arbeitsrechtliche Fragen
Im Berufsalltag treten immer wieder Situationen auf, in denen rechtlicher Rat gefragt ist. Gemeinsam mit Juristen gehen wir in dieser Rubrik den häufigsten Fragen nach. 
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Vorgaben zu Aussehen und Kleidung: Ist das erlaubt?

Frau mit roten Haaren und Nasenpiercing schaut lachend auf ihr Handy
Piercings und gefärbte Haare sind heute keine Seltenheit mehr. Arbeitgeber dürfen diese nur in sehr begrenztem Rahmen verbieten. | Bild:  LIGHTFIELD STUDIOS / AdobeStock

Bekleidungsregeln oder -vorschriften in der hiesigen Gesellschaft sind lockerer geworden. Es gibt – von bestimmten gesellschaftlichen Anlässen abgesehen – wenige offizielle Regeln, was wann zu tragen ist. 

Früher war klar, dass in der Apotheke ein weißer Kittel getragen wird. Tattoos gab es in bürgerlichen Kreisen so gut wie gar nicht und Männer hatten stets kurze Haare – schaut man sich nun in den Apotheken um, ist dort alles zu sehen: vom steifen Kittel bis zum legeren Poloshirt in den ausgefallensten Farben. 

Auch Tattoos, Piercings und ausgefallene Frisuren sind bei gut fortgebildeten und engagierten Apothekenangestellten keine Seltenheit mehr. Deren Kompetenz und Expertise stellt dadurch niemand infrage.

Bei dieser Vielfalt ist es nicht verwunderlich, dass es am Arbeitsplatz manchmal zu Konflikten kommt. Eine eher konservative Apothekenleitung ist vielleicht irritiert von den aufwendig gestylten Gelnägeln der PTA, während eine Apotheke, die ein lockeres Image vermitteln möchte, hochgeschlossene weiße Kittel als abweisend empfindet. Doch darf die Apothekenleitung hier eigentlich Vorschriften machen?

Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung vs. einheitliches Marketingkonzept

Es treffen hier zwei Interessen aufeinander. Da ist zum einen das Interesse der Apothekenleitung, ihr Unternehmen „Apotheke“ nach außen zu repräsentieren und eventuell sogar ein einheitliches Marketingkonzept durchzusetzen. 

Dem gegenüber steht das Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung der Mitarbeitenden – ein hohes Rechtsgut. Dieses darf die Unternehmensleitung nur einschränken, wenn die Anordnung verhältnismäßig ist. Man muss also immer im Einzelfall abwägen, ob die Interessen beider Seiten angemessen berücksichtigt sind.  

Ein Beispiel: Wenn die Inhaberin der Bären-Apotheke als Marketinggag ein Konzept erarbeiten würde, nach dem die Mitarbeitenden im Handverkauf flauschige Bärenkostüme tragen müssten, wäre diese Anordnung sicher nicht verhältnismäßig. 

Von Apothekenangestellten kann nicht verlangt werden, die anspruchsvolle Arbeit in einem Tierkostüm zu verrichten, denn dieses hat keinerlei Bezug zu der Tätigkeit. Bei Mitarbeitenden in Freizeitparks, die im Kostüm für bestimmte Fahrgeschäfte werben sollen, würde die Beurteilung anders ausfallen. Es kommt also immer auf den Einzelfall an.

Sind Tattoos in der Apotheke erlaubt?

Bei vielen Apothekenangestellten sind Tattoos und Piercings inzwischen üblich, und zwar auch an Körperstellen, die im Handverkauf sichtbar sind. Tätowierungen im Gesicht sind eher selten, an Armen und Beinen dagegen häufiger. Was darf eine Apothekenleitung, die sich daran stört, unternehmen? 

Ein generelles Verbot von Tätowierungen oder Piercings würde das Persönlichkeitsrecht massiv einschränken und ein überwiegendes Interesse der Leitung ist nicht ersichtlich. 

Eine Anordnung, die tätowierten Bereiche im Handverkauf abzudecken, könnte in einem konservativen Umfeld jedoch zulässig sein. Bei sehr hohen Temperaturen könnte der Gesundheitsschutz der betreffenden Mitarbeitenden allerdings vorgehen, sodass temperaturabhängig auch kurze Ärmel oder Hosen zulässig sein könnten. 

In einem städtischen Umfeld oder gar einer Kiez-Apotheke würde man vermutlich gar kein schützenswertes Interesse der Apothekenleitung feststellen können. Zu einem anderen Ergebnis könnte man kommen, wenn die Tätowierungen zum Beispiel fremdenfeindliche oder rechtsradikale Inhalte hätten. 

Wer sich im Handverkauf die Buchstaben „HASS“ auf Finger tätowiert, müsste mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Aber in aller Regel geht es nicht um solche extremen Beispiele.

Piercings und gestylte Fingernägel dürfen Arbeit nicht beeinträchtigen

Bei Piercings galt früher die Regel, dass diese während der Arbeitszeit im Kundenkontakt zu entfernen sind. Heutzutage sind Piercings aber so verbreitet und üblich, dass eine generelle Anordnung unwirksam sein dürfte. 

Vorstellbar wäre es, dass die Apothekenleitung Zungen- und Lippenpiercings im HV untersagt, wenn diese die Qualität des Beratungsgesprächs beeinflussen. Wenn viele ältere Menschen mit Hörproblemen zur Stammkundschaft gehören, könnten hier wirtschaftliche Interessen der Apothekenleitung beeinträchtigt sein.

Auch Fingernägel können ein Streitpunkt sein, seien es lange verzierte Gelnägel oder lackierte Fingernägel bei Männern, die die Kundschaft vielleicht irritieren könnten. Wenn man hier die Abwägung durchführt, könnte ein Interesse der Apothekenleitung nur dann berechtigt sein, wenn das Arbeiten durch die Länge der Nägel beeinträchtigt wäre oder durch abgesplitterten Lack ein ungepflegter Eindruck entstünde.

Gut zu wissen: Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit

Während bei modischen Gründen im Einzelfall abgewogen werden muss, ist die Lage bei Kleidung aus religiösen Gründen eindeutiger.

So würde zum Beispiel ein Verbot des Tragens eines Kopftuches aus religiösen Gründen nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sondern auch das Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit tangieren. Dieses Grundrecht umfasst nicht nur die Freiheit, sich für einen bestimmten Glauben zu entscheiden, sondern auch, sich entsprechend den Geboten dieses Glaubens zu verhalten.  

Wenn der muslimische Glaube das Tragen einer Kopfbedeckung in der Öffentlichkeit gebietet, so darf eine Mitarbeiterin dieses Glaubens dieses Gebot auch am Arbeitsplatz leben. 

Auch hier muss wieder eine Abwägung mit den Interessen der Apothekenleitung, die vielleicht einen Umsatzrückgang zum Beispiel in einem fremdenfeindlichen oder sehr konservativen Umfeld befürchtet, stattfinden. 

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2002 besagt aber, dass die alleinige Befürchtung des Arbeitgebers für ein Verbot nicht ausreicht. Damals ging es um eine Mitarbeiterin in einem Kaufhaus. Die Leitung hätte beweisen müssen, dass ein Umsatzrückgang aufgrund der muslimischen Kopfbedeckung tatsächlich stattgefunden hat. 

Diese Beurteilungen verändern sich entsprechend der gesellschaftlichen Entwicklung. Muslimische Kopfbedeckungen sind mittlerweile so präsent und akzeptiert in der Öffentlichkeit, dass heutzutage ein tatsächlicher Einfluss auf das Verhalten der Kunden gar nicht mehr zu erwarten wäre.

In der Apotheke: Gepflegtes Erscheinungsbild wichtig

Ein sauberes, gepflegtes Äußeres darf die Apothekenleitung verlangen: In der Apotheke geht es um Gesundheitsprodukte, die Hygiene erfordern. Fettige Haare und dreckige Fingernägel oder schmuddelige Kittel passen nicht in eine Apotheke. 

Von weiblichen Angestellten zu verlangen, dass sie sich schminken und Lippenstift tragen, wäre jedoch generell unzulässig. Wenn eine PTA allerdings zum Beispiel das Kosmetiksortiment mit einem hohen Anteil an dekorativer Kosmetik im HV betreut, könnte die Einschätzung anders sein.

Wem das zu unkonkret und uneindeutig ist: Es gibt keine starren Regeln, sondern man muss wirklich in jedem Einzelfall schauen. Das ist zwar aufwendig und kompliziert, bietet aber für die Angestellten gute Chancen, ihre individuellen Wünsche auch durchzusetzen. Und das am besten im Gespräch mit der Leitung.

Gut zu wissen: Gibt es Regeln bei Berufskleidung?

Im Falle von Dienstkleidung würde man die Interessen der Apothekenleitung an einem einheitlichen Auftritt der Mitarbeitenden, mit dem das Image der Apotheke nach außen getragen werden soll, ins Verhältnis zum Interesse der Angestellten an ihren individuellen Vorstellungen setzen. 

Und man würde zu dem Ergebnis kommen, dass dann, wenn die Kleidung nicht herabsetzend oder unangemessen ist (Beispiel Bärenkostüm), das Interesse der Apothekenleitung vorgeht. 

Für mehr Akzeptanz unter den Mitarbeitern sollten diese aber am besten im Vorfeld von der Apothekenleitung mit einbezogen werden, wenn ein neues Marketingkonzept auch das Tragen bestimmter Kleidung beinhaltet.

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