Wirkstoffe mit mehr als einer Indikation
Einige Arzneistoffe gibt es in unterschiedlichen Dosierungen: etwa Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen. Je nach Dosierung und Einnahmeschema kann ein Wirkstoff unterschiedliche therapeutische Effekte erzielen und daher dosisabhängig in verschiedenen Indikationen eingesetzt werden. Welche weiteren gängigen Arzneistoffe dazu gehören und für welche Indikationen diese jeweils eingesetzt werden, dass erfahren Sie in dieser Serie.
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Wie wirkt Metamizol?

Novaminsulfon-Verpackung, davor liegen vier Tablettenblister
Metamizol kann in oraler Form als Tabletten, in flüssiger Form als Tropfen und Injektionslösung, aber auch in rektaler Form eingesetzt werden. | Bild: BRH / AdobeStock

Metamizol gehört zur Arzneimittelgruppe der nichtopioiden Analgetika und ist auch unter dem Namen Novaminsulfon bekannt. Neben der schmerzlindernden Wirkung weist Metamizol antipyretische und spasmolytische Eigenschaften auf. 

Die Substanz ist bei starken Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen angezeigt, weitere Indikationen sind Koliken und Tumorschmerzen. Bei anderen starken Schmerzen sowie bei Fieber wird der Wirkstoff nur dann eingesetzt, wenn andere Maßnahmen nicht wirksam waren. Eine Verabreichung bei leichten oder mittelstarken Schmerzen entspricht dagegen nicht der zugelassenen Indikation. 

In den erhältlichen Arzneiformen wird der Wirkstoff in Form seines Natriumsalzes als Metamizol-Natrium-Monohydrat verarbeitet. Die Substanz kann oral in Form von Tabletten verabreicht werden. Aufgrund der guten Wasserlöslichkeit können auch flüssige Darreichungsformen als Tropfen und Injektionslösungen eingesetzt werden. Auch eine rektale Applikation ist möglich. 

Metamizol gilt dabei als Prodrug: Nach der Verabreichung wird der Arzneistoff hydrolytisch gespalten und es bildet sich mit 4-Methylaminophenazon der eigentliche Wirkstoff.

Gut zu wissen: Metamizol ist nicht in allen Ländern erhältlich

Bis zum Jahr 1987 war Metamizol-Natrium in Deutschland sogar ohne Rezept erhältlich. Aufgrund gefährlicher Nebenwirkungen wurde für die Substanz aber eine Verschreibungspflicht eingeführt. Auch Kombinationspräparate wurden vom Markt genommen. 

In Großbritannien, den USA und Kanada sowie den skandinavischen Ländern ist die Substanz nicht mehr zugelassen. In Spanien dagegen ist Metamizol weiterhin rezeptfrei erhältlich.

Wirkmechanismus von Metamizol

Trotz seiner langjährigen Anwendung ist der genaue Wirkmechanismus von Metamizol bis heute nicht bekannt. Der analgetische Effekt beruht vermutlich auf einer Blockade einer zentralen Cyclooxygenase – diese Enzyme sind bekanntlich an der Synthese von Prostaglandinen entscheidend beteiligt. Prostaglandine machen die Schmerzrezeptoren im Körper empfindlicher für Schmerzreize. Wird ihre Bildung gehemmt, werden Schmerzen gelindert. 

Weitere mögliche Zielstrukturen des Wirkstoffs sind Cannabinoid-Rezeptoren und bestimmte Ionenkanäle in Schmerzrezeptoren. 

Auch die genaue Ursache der antipyretischen Wirkung ist nicht vollständig geklärt: Metamizol senkt Fieber Prostaglandin-abhängig, aber auch unabhängig. Dieser zweigeteilte Mechanismus ist wahrscheinlich der Grund, warum Metamizol auch wirksam ist, wenn andere Antipyretika nicht wirken. 

Die spasmolytische Wirkung an der glatten Muskulatur wird vermutlich durch eine Reduzierung der intrazellulären Freisetzung von Calcium-Ionen ausgelöst.

Wie wird Metamizol dosiert?

Für Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren beträgt die Einzeldosis an Metamizol 500 bis 1.000 mg (entsprechend 1 bis 2 Tabletten). Die Tageshöchstdosis von 4.000 mg (8 Tabletten) darf nicht überschritten werden. Eine Wirkung tritt meist 30 bis 60 Minuten nach der Anwendung ein.  

Kinder im Alter von zehn bis 14 Jahren nehmen als Einzeldosis 500 mg (1 Tablette) ein, hier beträgt die Tageshöchstdosis 2.000 mg (4 Tabletten). Zwischen der Einnahme der einzelnen Dosen sollte ein Abstand von sechs bis acht Stunden liegen.

  • Präparatebeispiele: Berlosin® 500 mg Tabletten, Metamizol Hexal® 500 mg Filmtabletten, Novaminsulfon-ratiopharm® 500 mg Tabletten, Metamizol Aristo® 1.000 mg Filmtabletten, Metamizol Zentiva® 500 mg/ml Tropfen zum Einnehmen, Novalgin® Tropfen 500 mg/ml Tropfen zum Einnehmen, Novaminsulfon 1.000 mg Lichtenstein Zäpfchen

Unter Metamizol: Agranulozytose als Nebenwirkung gefürchtet

Die bekannteste Nebenwirkung von Metamizol ist eine Agranulozytose. Auch wenn diese sehr selten auftritt, ist sie aufgrund ihrer Gefährlichkeit gefürchtet. 

Dabei handelt es sich um eine starke Verminderung der Granulozyten – eine bestimmte Art von weißen Blutkörperchen –, die zur Bekämpfung von Infektionen wichtig sind. Eine Agranulozytose kann unabhängig von der Dosis zu jedem Zeitpunkt der Behandlung und auch noch einige Tage nach Behandlungsende auftreten. 

Da diese gefährliche Nebenwirkung teilweise erst bemerkt wird, wenn es zu spät ist, sollte jeder Patient die entsprechenden Warnsignale dafür kennen und in der Apotheke darüber informiert werden. Zu den Symptomen gehören

  • Halsschmerzen und Schluckbeschwerden,
  • Fieber und Schüttelfrost,
  • Entzündungen im Mund-, Nasen-, Rachen- und Genitalbereich sowie
  • Schwäche und Leistungsabfall.

Erst im September letzten Jahres hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) entschieden, dass die Produktinformationen Metamizol-haltiger Präparate mit neuen Warnhinweisen zu versehen sind. Diese Überarbeitung soll helfen, dass Patienten eine Agranulozytose früher erkennen. 

Treten Beschwerden auf, die auf eine Agranulozytose hindeuten, darf das Medikament nicht mehr angewendet und es muss unverzüglich ein Arzt kontaktiert werden. Der Arzt wird dann ein Blutbild einschließlich eines Differenzialblutbildes bestimmen und den Verdacht überprüfen. Eine routinemäßige Überwachung des Blutbildes wird dagegen nicht empfohlen, da es keinen Beleg für den Nutzen gibt. 

Der Mechanismus zur Entstehung der Agranulozytose ist im Übrigen nicht bekannt. Diese Nebenwirkung kann auch auftreten, wenn das Medikament in der Vergangenheit problemlos vertragen wurde.

Leberschäden und Blutdruckabfall unter Metamizol möglich

Unter einer Therapie mit Metamizol können auch schwere Leberschäden auftreten. Dabei kommt es zu Entzündungen von Leberzellen und teilweise zu ihrem Absterben. Es kann im schlimmsten Fall ein akutes Leberversagen drohen, das eine Lebertransplantation nötig macht. Auch hier ist der genaue Mechanismus der Leberschädigung nicht bekannt. 

Patienten sollten in der Apotheke aufgeklärt werden, dass sie bei Übelkeit, Erbrechen, Fieber, dunklem Urin und einer Gelbfärbung der Haut einen Arzt aufsuchen müssen. Dieser wird dann die Funktion der Leber überprüfen. 

Weiterhin besteht bei einer Anwendung von Metamizol die Gefahr eines schweren Blutdruckabfalls, dieses Risiko ist vor allem bei der parenteralen Applikation vorhanden.

Einnahme von Metamizol und ASS: Auf Einnahmeabstand achten!

Einige Untersuchungen haben gezeigt, dass bei gleichzeitiger Einnahme von Metamizol und niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) die Wirkung von ASS abgeschwächt werden kann. Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure wird zur Hemmung der Thrombozytenaggregation zur Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall eingenommen. 

Diese Interaktion ist zwar nicht zweifelsfrei bestätigt und möglicherweise nur für Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko relevant. Trotzdem wird empfohlen, dass bei gleichzeitiger Anwendung der beiden Arzneistoffe Acetylsalicylsäure immer mindestens 30 Minuten vor Metamizol eingenommen werden soll. 

Worauf ist in der Beratung zu Metamizol noch hinzuweisen?

Bei der Abgabe Metamizol-haltiger Präparate sollten die Patienten auch darüber informiert werden, dass es zu einer harmlosen Rotfärbung des Urins kommen kann. Diese Färbung wird durch ein Abbauprodukt des Wirkstoffs hervorgerufen. 

Wichtig ist auch, dass die Anwendung von Metamizol für Kinder unter zehn Jahren kontraindiziert ist, ebenso im ersten und dritten Trimenon einer Schwangerschaft. Im zweiten Trimenon wäre eine Anwendung – nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch einen Arzt – möglich. Auch in der Stillzeit sollte Metamizol nicht eingenommen werden, zwischen der letzten Gabe und dem Stillen müssen mindestens 48 Stunden liegen. Quellen:
- https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Metamizol_297
- https://www.akdae.de/arzneimittelsicherheit/bekanntgaben/newsdetail/kann-metamizol-die-wirkung-von-ass-auf-die-thrombozytenaggregation-behindern-hinsichtlich-klinischer-relevanz-und-empfehlungen-fur-die-praxis-bleiben-fragen-offen-uaw-news-international
- Gebrauchsinformation Metamizol Zentiva 500 mg Filmtabletten
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2018/daz-2-2018/wie-gefaehrlich-ist-metamizol
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2019/daz-35-2019/metamizol
 

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