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Diagnostische Methoden: Großes und kleines Blutbild –Was sagen sie aus?

Bei vielen Arztbesuchen gehört die Blutentnahme dazu. Doch welche Informationen kann man dem Blutbild entnehmen? | Bild: Henrik Dolle /AdobeStock

Eine Fehlfunktion der Körperorgane spiegelt sich in den meisten Fällen im Blutbild wider. Die Blutuntersuchung spielt deshalb eine große Rolle bei der Diagnose, der Verlaufskontrolle sowie im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen.

Der Unterschied zwischen „groß“ und „klein“

Im sogenannten „kleinen Blutbild“ wird der Hämoglobingehalt des Blutes und die Gesamtzahl der Blutzellen – unterteilt in die Blutzellarten Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten – erfasst. Beim „großen Blutbild“ wird zusätzlich die Morphologie (äußere Gestalt) der Zellen beurteilt und zur Gesamt-Leukozytenzahl der Anteil der einzelnen Leukozyten-Untergruppen bestimmt. 

Hämoglobin und Blutzellzahl

Zur Bestimmung des Hämoglobingehalts wird das in der Blutprobe vorhandene Hämoglobin durch Oxidation und Komplexbildung in Cyanmethämoglobin umgewandelt. Diese Verbindung kann fotometrisch erfasst werden.

Gut zu wissen: Welche Hämoglobinwerte sind üblich?

Neugeborene haben mit 16–21 g/dl einen sehr hohen Hämoglobinwert. Mit steigendem Alter nimmt der Wert kontinuierlich ab und erreicht im Erwachsenenalter den Sollwert von 12–14 g/dl für Frauen bzw. 14–18 g/dl für Männer.

Die Identifizierung und das Zählen der Blutzellen erfolgt mit elektronischen Analysegeräten nach dem Prinzip der Durchflusszytometrie. Dabei werden verdünnte Blutzellsuspensionen durch enge Kapillaren geleitet und über Detektoren zelltypabhängige Lichtstreueffekte erfasst.

Aus den Ergebnissen der Durchflusszytometrie können der Hämatokrit und die Erythrozytenindices rechnerisch ermittelt werden.

Hämatokrit als Indikator für den Wasserhaushalt

Der Hämatokrit bezeichnet den Volumenanteil der Erythrozyten am Vollblut und ist ein Maß für die Flüssigkeitsversorgung des Körpers. Der Referenzwert für Frauen liegt bei 0,35–0,47 Vol/Vol, der für Männer bei 0,40–0, 52 Vol/Vol. Eine Erhöhung des Werts ist ein Hinweis auf eine Dehydratation, ein zu niedriger Wert kann eine Überwässerung anzeigen. 

Mit den Erythrozytenindices wird die durchschnittliche Zellgröße der Erythrozyten angegeben. Dieser Wert ist z. B. wichtig, um verschiedene Anämieformen voneinander unterscheiden zu können.

Zur Erinnerung: Was ist eine Anämie?

Von einer Anämie spricht man, wenn der Hämoglobingehalt unter den jeweiligen Richtwert absinkt. Als Ursache kommen z. B. verschiedene Mangelzustände in Frage. So verursacht Eisenmangel eine verminderte Bildung von Erythrozyten, während ein Mangel an Folsäure und Vitamin B 12 zu einer gestörten Reifung der roten Blutkörperchen führt. Auch eine Knochenmarksschädigung durch Zytostatika oder ein hoher Blutverlust können eine Anämie zur Folge haben.

Auffälligkeiten in der Zahl weißer Blutkörperchen

Auch Veränderungen in der Leukozytenzahl können ein Hinweis auf ein Krankheitsgeschehen sein. So kommt es z. B. im Verlauf schwerer Infektionen zu einem hohen Verbrauch an weißen Blutkörperchen und damit zu einer Leukozytopenie. Ursache kann jedoch auch eine unerwünschte Arzneimittelwirkung sein. So kann z. B. unter der Therapie mit Novaminsulfon eine lebensbedrohliche Agranulozytose, also ein rapides Absinken der Granulozytenzahl, auftreten.

Vermehren sich hingegen die Vorstufen der Leukozyten unkontrolliert, spricht man von einer primären Leukozytose. Die meisten primären Leukozytosen zählen zu den Leukämien. 

Zur Erinnerung: Die Endungen -penie und -ose

Die Endung -penie bezeichnet einen Mangel. Die Zellzahl sinkt hier also unter den Sollwert ab. Im Gegenzug ist mit der Endung -ose i. d. R. eine Erhöhung des Sollwertes gemeint.

Z. B.: Leukozytopenie – Leukozytose oder Thrombozytopenie – Thrombozytose

Blutplättchenzahl als Hinweis auf  Gerinnungsstörungen

Führt eine Störung der Knochenmarksfunktion, ein hoher Blutverlust oder ein gesteigerter Zellabbau als Nebenwirkung von Medikamenten wie z. B. Heparin zu einer Thrombozytopenie, ist die Blutungsneigung erhöht.

Thrombozytosen können hingegen ein Hinweis auf eine Tumorerkrankung sein, aber auch im Rahmen von Infektionen oder chronisch-entzündlichen Erkrankungen auftreten. Eine stark ausgeprägte Thrombozytose kann schlimmstenfalls zu einer Lungenembolie führen.

Großes Blutbild: äußere Gestalt der Zellen im Blick

Mit dem Differentialblutbild kann das kleine Blutbild erweitert werden (s. o.). Diese auch als „großes Blutbild“ bezeichnete Diagnostik kann nötig sein, um bestimmte Infektionen oder Leukämie-Formen voneinander abzugrenzen. 

Eine atypische Form der Leukozyten findet sich z. B. bei der Mononucleose (Pfeiffersches Drüsenfieber). Erythrozyten erscheinen im Fall einer Eisenmangelanämie unter dem Mikroskop heller als üblich und im Falle der erblich bedingten Sichelzellanämie in der typischen Halbmondform.

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