Nicht jede Interaktionsmeldung erfordert auch tatsächlich eine Gegenmaßnahme, manchmal sind Wechselwirkungen sogar erwünscht. In dieser Serie greifen wir die relevantesten Interaktionen auf, erklären die Hintergründe und geben Ihnen wichtige Informationen für das Beratungsgespräch an die Hand.
Titelbild: Schelbert / PTAheute
Statine: Einnahme von Coenzym Q10 sinnvoll?

Statine wie z. B. Simvastatin oder Atorvastatin gehören zu den am häufigsten eingesetzten Arzneimitteln in der kardiovaskulären Therapie. Ihr Hauptziel ist es, erhöhte Cholesterinwerte zu senken und das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle zu reduzieren.
Statine senken dabei nicht nur die Neubildung von Cholesterin, sondern auch die körpereigene Produktion von Coenzym Q10.
Gut zu wissen: Was ist Coenzym Q10?
- Coenzym Q10 ist ein körpereigener Stoff, der in allen Zellen vorkommt.
- Es wird für die Bildung von Adenosintriphosphat (ATP) benötigt – dem Hauptenergieträger jeder Körperzelle.
- Besonders Organe mit hohem Energiebedarf wie Herz, Muskulatur, Leber und Gehirn sind auf ausreichend Coenzym Q10 angewiesen.
- Coenzym Q10 wirkt zusätzlich als Antioxidans und schützt die Zellen vor freien Radikalen.
- Coenzym Q10 steckt in kleinen Mengen in Lebensmitteln wie fettem Fisch, Innereien, Fleisch, Nüssen und pflanzlichen Ölen.
- Über die Ernährung allein lässt sich der Bedarf an Coenzym Q10 jedoch meist nicht ausreichend decken.
Statine hemmen körpereigene Produktion von Coenzym Q10
Der Wirkmechanimus von Statinen basiert auf der Hemmung eines bestimmten Enzyms in der Leber: der HMG-CoA-Reduktase. Dieses Enzym ist entscheidend für die Bildung von Cholesterin, aber auch für die von Coenzym Q10.
Wird die HMG-CoA-Reduktase nun durch Statine gehemmt, sinkt folglich nicht nur der Cholesterinspiegel, sondern auch der Coenzym-Q10-Spiegel im Blut. Dabei kann der Spiegel um bis zu 50 % zurückgehen.
Besonders davon betroffen sind ältere Menschen, bei denen die körpereigene Produktion von Coenzym Q10 ohnehin schon abnimmt. Aber auch jüngere Patienten mit Vorerkrankungen oder eingeschränkter Mitochondrienfunktion (Mitochondrien = Kraftwerke der Zellen) sind gefährdet.
Wie erkennt man einen Mangel an Coenzym Q10?
Ein Mangel an Coenzym Q10 wirkt sich insbesondere auf Organe und Gewebe mit hohem Energiebedarf aus, wie Herz, Muskulatur oder Gehirn. Dies kann sich in Form von Muskelbeschwerden, Erschöpfung oder Konzentrationsproblemen äußern. Viele Patienten fühlen sich abgeschlagen, berichten von Muskelkater-ähnlichen Schmerzen und fühlen sich kraftlos.
Eine der bekanntesten unerwünschten Nebenwirkungen bei der Einnahme von Cholesterinsenkern ist die statininduzierte Myopathie. Diese Muskelerkrankung kann in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten – von leichter Muskelschwäche bis hin zu starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Die Symptome können für die Betroffenen sehr belastend sein und führen oft dazu, dass die Patienten die Medikation ohne ärztliche Rücksprache absetzen.
Statine als Energieräuber: Coenzym Q10 gezielt ergänzen
In der Praxis hat sich gezeigt: Wird der Spiegel an Coenzym Q10 bei Patienten mit Statinen gezielt durch Ergänzung angehoben, bessert sich das Wohlbefinden deutlich. Das Hauptziel ist, die Funktion der Mitochondrien zu erhalten – also die Energieproduktion der Zellen zu unterstützen.
Viele Patienten, die Statine einnehmen, leiden bereits an einer Arteriosklerose oder einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall ist die Energieversorgung der Zellen oft zusätzlich eingeschränkt. Ein Mangel an Coenzym Q10 kann diese Zellfunktion zusätzlich verschlechtern. Deshalb ist es wichtig, den Coenzym-Q10-Spiegel bei Patienten unter Statintherapie möglichst stabil zu halten.
Es ist empfehlenswert, vor der Einnahme von Coenzym Q10 den Ausgangsspiegel im Blut zu bestimmen. So ergibt sich die Tagesdosierung, um auf einen Zielwert von > 2.500 µg/l bei Organkrankheiten zu kommen. Der Zielwert bei Gesunden mit intakten Mitochondrien beträgt < 2.000 µl/l.
Welche Arten von Coenzym Q10 gibt es?
Coenzym Q10 gibt es in zwei Formen:
- Ubiquinon und
- Ubiquinol.
Dabei ist Ubiquinon die inaktive Form und muss erst vom Körper umgewandelt werden. Hingegen ist Ubiquinol die aktive Form, die der Körper direkt verwenden kann. Insbesondere ältere Menschen oder Patienten unter Statintherapie profitieren von Ubiquinol, da ihre Umwandlungsfähigkeit oft eingeschränkt ist.
Coenzym Q10 ist in Form von Kapseln (z. B. CoQ10 120 mg von Pure Encapsulations®), aber auch als ölige Lösung oder Weichkapseln (z. B. Ubiquinol-QH 100 mg von Pure Encapsulations®) erhältlich.
Wichtig für die Beratung: Aktiv bei Kunden unter Statintherapie nachfragen
Viele Patienten nehmen Statine schon über einen längeren Zeitraum ein und haben sich mit den Beschwerden abgefunden. Für PTA ergibt sich hierbei ein wertvoller Beratungsansatz am HV. Ebenso ist die Aufklärung bei Neuverordnungen wichtig für die Therapietreue.
Ein gezielter Hinweis auf Coenzym Q10 kann nicht nur zu einer besseren Verträglichkeit der Therapie führen, sondern auch das Vertrauen in die Apotheke stärken. Wichtig ist, im Beratungsgespräch offen bei den Kunden nachzufragen. Folgende Fragestellungen können dabei verwendet werden: „Haben Sie unter der Statintherapie Veränderungen an den Muskeln bemerkt?“ Oder: „Fühlen Sie sich manchmal müde oder weniger belastbar als früher?“
Auf diese Weise lässt sich ein möglicher Mangel an Coenzym Q10 frühzeitig erkennen und entsprechend behandeln. Quellen:
- Nährstoff-Therapie, Orthomolekulare Therapie & bioidentische Hormone; Dr. med. Helena Orfanos-Boeckel; Trias Verlag, Auflage 1
- Nährstoff-Therapie, Der Praxisleitfaden; Dr. med. Helena Orfanos-Boeckel; Trias Verlag
- Mikronährstoff-Beratung, Ein Arzneibuch; Uwe Gröber; Deutscher Apotheker Verlag, Auflage 1
- Mikronährstoff-Räuber: Cholesterinsenker, Wissenswertes zu Arzneimitteln und Mikronährstoffen; Uwe Gröber & Klaus Kisters; deutscher Apotheker Verlag, Auflage 2