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Tollkirsche – immer giftig und manchmal heilsam

Die Tollkirschen (Atropa) sind eine Gattung alkaloidhaltiger Giftpflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae). In der Regel ist mit dem Begriff „Tollkirsche“ die Schwarze oder Echte Tollkirsche (Atropa belladonna) gemeint, die als einzige Art in Europa vorkommt.
Sie wächst bevorzugt auf kalkhaltigen Böden in schattigen Bergwäldern, auf Waldlichtungen und an Waldrändern. Ihr Verbreitungsgebiet reicht von weiten Teilen Europas bis nach Nordafrika und in den Nahen Osten.
Gut zu wissen: Sprechender Name „Tollkirsche“
Die Giftwirkung der Pflanze und die daraus resultierenden Symptome wie Halluzinationen und Delirium führten zum Namensbestandteil „toll“, der ursprünglich keine positive Wertung darstellte, sondern „verrückt“ bedeutete.
Äußere Merkmale der Tollkirsche
Bei der Tollkirsche handelt es sich um eine sommergrüne, ausdauernde, krautige Pflanze, die im Normalfall zwischen 50 und 150 Zentimeter hoch wird. Die Äste sind mit kurzen, weich abstehenden, drüsigen Haaren besetzt. An kurzen Stielen wachsen flächige Laubblätter, die bis zu 15 Zentimeter lang und 8 Zentimeter breit werden.
Die Blüte und Fruchtreifezeit überschneiden sich zeitlich, deshalb kommen an einer Pflanze oftmals mehrere Entwicklungsstufen zugleich vor. So trägt die Tollkirsche im Sommer gleichzeitig grüne Blütenknospen, bräunlich-violette Blüten, grüne unreife Beeren und schwarze reife Beeren.
Tollkirsche als häufige Pflanzenvergiftung
Die Giftigkeit der Tollkirsche ist hauptsächlich auf die Alkaloide Hyoscyamin, Atropin und Scopolamin zurückzuführen. Vergiftungen mit den Beeren der Tollkirsche gehören zu den häufigsten Notfällen, die in den Giftnotzentralen gemeldet werden.
Akute Vergiftungen lassen sich anhand von vier Hauptsymptomen erkennen:
- Rötung des Gesichts,
- Trockenheit der Schleimhäute (Durst und Heiserkeit),
- erhöhte Herzfrequenz und
- starke Weitung der Pupillen.
Bei größeren Mengen treten auch starke motorische Unruhe, Rededrang, Halluzinationen, Delirium und Tobsuchtsanfälle auf, die meist in Erschöpfung und Schlaf enden. Außerdem kann es zur Aktivierung endogener Psychosen und zur schlagartigen Erhöhung des Augeninnendrucks kommen.
Noch höhere Dosen wirken zentral lähmend, mit der Gefahr des Atem- und oder Herzstillstands. Für ein Kind können bereits drei Beeren tödlich sein.
Gut zu wissen: Erste Hilfe bei Tollkirsche-Vergiftung
Beim Auftreten von Vergiftungssymptomen sollte man unter ärztlicher Aufsicht den Mund gründlich ausspülen, um etwaige verbliebene Pflanzenteile zu entfernen, und danach viel trinken. Auch die Gabe von Aktivkohle zum Binden der Giftstoffe wird empfohlen.
Ein Erbrechen herbeizuführen, ist nur kurz nach Aufnahme des Gifts sinnvoll. Brechwurzelsirup ist als Brechmittel geeignet, ganz im Gegensatz zum früher als Hausmittel empfohlenen Salzwasser.
Bei bewusstlosen Patienten stehen die Überwachung und Sicherstellung der Vitalfunktionen nach dem ABCDE-Schema an erster Stelle. Als Antidot kann der Cholinesterasehemmer Physostigmin verabreicht werden.
Die Tollkirsche in der traditionellen Arzneikunde
Die Giftigkeit und Wirksamkeit der Tollkirsche sind seit dem Altertum bekannt. Die Nutzung erfolgte hauptsächlich wegen ihrer halluzinogenen Wirkung. So wurde Atropa belladonna als Zusatz zu alkoholischen Getränken verwendet, um deren Rauschwirkung zu verstärken.
Zudem fand die Pflanze in Hexensalben und -tränken, als Zaubermittel und in Liebestränken Anwendung.
In der arzneilichen Anwendung wurde Atropa belladonna beispielsweise bei Geschwüren und eitrigen Wunden in Form von Salben, bei Schmerzzuständen und bei Gicht eingesetzt. Allerdings ist die Wirksamkeit der Pflanze bei diesen Anwendungsgebieten weitgehend unbelegt.
Heutige Anwendung der Tollkirsche
Heutzutage wird die Tollkirsche arzneikundlich nur noch relativ selten genutzt, wobei die Zubereitungen apotheken- und verschreibungspflichtig sind.
Die Arzneidroge Belladonnae radix wird aus den getrockneten Wurzeln und Wurzelstöcken der blühenden oder fruchttragenden Tollkirsche gewonnen. Sie enthält standardisiert 0,35 Prozent Alkaloide.
Das in der Tollkirsche enthaltene Atropin findet bei kolikartigen Schmerzen des Gastrointestinaltraktes und der Gallenwege Anwendung. In der Augenheilkunde wird es zur Pupillenerweiterung genutzt.
Die Intensivmedizin verwendet Atropin bei Vergiftungen mit Acetylcholinesterasehemmern sowie bei vorbereitenden Maßnahmen zur Operation, um die Speichel- und Magensäureproduktion bei der Narkoseeinleitung herabzusetzen.
Außerdem halten Apotheken Atropin in injizierbarer Form als Antidot gegen Vergiftungen vorrätig.
Tollkirsche-Arzneimittel in der Apotheke
Apothekenkunden erhalten Atropin beispielsweise in Tablettenform als Dysurgal 0,5 mg von MaxMedic Pharma GmbH: Es findet Verwendung bei Erkrankungen, bei denen eine Hemmung der Sekretion des Magens und der Bauchspeicheldrüse erwünscht ist, sowie bei der Behandlung von Krämpfen der Harn- und Gallenwege und des Magen-Darm-Traktes sowie damit verbundener kolikartiger Schmerzen.
Gegen Vergiftungen und Herzrhythmusstörungen liegen zum Beispiel die apotheken- und rezeptpflichtigen Injektionslösungen Atropin Accord 100 Mikrogramm/ml Injektionslösung in einer Fertigspritze, 5 ml, und Atropinum sulfuricum 0,5 mg Eifelfango Amp. vor.
Als Augentropfen zum Weiten der Pupillen gibt es unter anderem Atropin-POS 0,5 % Augentropfen oder Ryjunea 0,1 mg/ml Augentropfen, Lösung. Quellen:
- https://flexikon.doccheck.com/de/Schwarze_Tollkirsche
- https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Tollkirsche
- https://www.gelbe-liste.de/suche?term=atropin