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Diazepam als Notfallmedikament: Fieberkrampf bei Kindern: Was ist zu tun?

Kleinkind liegt auf Sofa, Mutter misst Fieber
Fieberkrämpfe können insbesondere bei Kindern zwischen 6 Monaten und 5 Jahren auftreten. | Bild: Prostock-studio / AdobeStock

Rund 4 Prozent aller Kinder sind einmal in ihrem Leben von einem Fieberkrampf betroffen, dieser tritt überwiegend im Alter zwischen 6 Monaten und 5 Jahren auf. Bei jedem dritten betroffenen Kind tritt dabei ein Rückfall auf. Für die Eltern sind Fieberkrämpfe meist äußerst beängstigend, doch zum Glück verlaufen die meisten Anfälle harmlos und das Kind erholt sich vollständig.

Wie wird ein Fieberkrampf ausgelöst?

Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass ein Fieberkrampf mit der Krankheit Epilepsie nichts zu tun hat. Denn bei einer Epilepsie handelt es sich um eine Erkrankung des Gehirns. Dabei werden durch verstärkte Hirnaktivitäten wiederholt fieberfreie epileptische Anfälle ausgelöst. Dahingegen ist ein Fieberkrampf – wie der Name schon sagt – mit einem Anstieg der Körpertemperatur verbunden. In einer bestimmten Entwicklungsphase kann das noch unreife Gehirn darauf mit Krampfanfällen reagieren. 

Es ist noch nicht geklärt, ob die absolute Höhe des Fiebers oder die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs entscheidend für das Auftreten des Fieberkrampfes ist. Tatsache ist, dass bei den meisten betroffenen Kindern Temperaturen über 39 °C gemessen werden und Fieberkrämpfe gehäuft am frühen Abend meist im Anstieg des Fiebers auftreten. 

Zudem spielen Virusinfektionen als Auslöser eines Fieberkrampfs eine Rolle, insbesondere Influenza-Viren bzw. das humane Herpes-Virus 6 als Erreger des Dreitagefiebers. Nach einer Impfung kommt es dagegen äußerst selten zu einem Fieberkrampf, die Inzidenz liegt dabei bei vier Anfällen pro 100.000 Kinder.

Gut zu wissen: Wie äußert sich ein Fieberkrampf?

  • Das betroffene Kind ist nicht ansprechbar, reagiert nicht und kann kurzzeitig bewusstlos sein.
  • Das Kind kann die Luft anhalten, die Lippen verfärben sich blau.
  • Die Augen können sich verdrehen oder der Blick ist starr.
  • Arme und Beine bzw. die Muskulatur im Gesicht können rhythmisch zucken.

Was können Eltern bei einem Fieberkrampf tun?

Auch wenn es schwer fällt, sollten Eltern Ruhe bewahren, bei dem Kind bleiben und versuchen es zu beruhigen. Um das Kind vor Verletzungen zu schützen, sollte es in die stabile Seitenlage gelegt und nach Möglichkeit mit Decken und Kissen gepolstert werden. 

Auf keinen Fall darf das Kind geschüttelt werden, auch Essen und Trinken während des Anfalls sind absolut verboten. 

Die meisten Fieberkrämpfe dauern höchstens zwischen 3 und 4 Minuten und wiederholen sich in den nächsten 24 Stunden meist nicht. Wenn das Kind das erste Mal einen Fieberkrampf hat, sollte trotzdem auf jeden Fall der Notarzt gerufen werden. Dieser kann das Kind gründlich untersuchen und andere Ursachen für den Krampfanfall ausschließen. 

Es können jedoch auch komplizierte Fieberkrämpfe auftreten, diese dauern länger als 5 Minuten und bergen ein höheres Risiko für ein Rezidiv in den nächsten 24 Stunden. In solchen Fällen muss auf jeden Fall die Notrufnummer 112 gewählt werden.

Antipyretika zur Prophylaxe nicht geeignet

Im Gegensatz zur oft geäußerten Vermutung kann eine frühzeitige Gabe von antipyretischen Wirkstoffen einen Fieberkrampf nicht verhindern. Auch nicht bei Kindern, die in der Vergangenheit schon einen Krampfanfall ausgelöst durch Fieber hatten. 

Die aktuelle S1-Leitlinie zu Fieberkrämpfen im Kindesalter weist ebenso noch einmal darauf hin, dass eine schnelle Gabe von fiebersenkenden Wirkstoffen wie Ibuprofen bzw. Paracetamol einen Anfall nicht aufhalten kann. Möglicherweise können die Substanzen in üblicher Dosierung das Rezidivrisiko während des gleichen Infekts vermindern.

Gut zu wissen: Dosierung von Ibuprofen und Paracetamol

Zur Fiebersenkung werden Ibuprofen und Paracetamol bei Kindern in Abhängigkeit vom Körpergewicht (KG) und Alter dosiert. 

Als Einzeldosis werden bei Ibuprofen normalerweise 7 bis 10 mg/kg KG oral gegeben. Bei Bedarf kann der Wirkstoff 3- bis 4-mal täglich verabreicht werden, maximal jedoch 30 mg/kg KG als Tagesdosis. 

Bei Paracetamol beträgt die orale Einzeldosis 10 bis 15 mg/kg KG, eine Anwendung ist bei Bedarf bis zu 4-mal täglich möglich. Die Tagesdosis beträgt 60 mg/kg KG. 

Bei beiden Wirkstoffen sollte das Verabreichungsintervall bei sechs Stunden liegen.

Eine Übertherapie mit Antipyretika sowie ein dauerndes Messen der Körpertemperatur beim Kind ist zu vermeiden. 

Auch Arzneimittel aus der Gruppe der Antiepileptika sind zur Prophylaxe eines Fieberkrampfs ungeeignet. Die Substanzen können bei kontinuierlicher Gabe das Risiko einen Fieberkrampf zu erleiden zwar verringern, doch die auftretenden Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Verhaltensstörungen rechtfertigen einen Einsatz nicht.

Gabe von Diazepam als Notfallmedikation

Bei einem Fieberkrampf kommt vorrangig rektal zu verabreichendes Diazepam als Notfallarzneimittel zum Einsatz. 

  • Kinder bis 3 Jahre mit einem Körpergewicht von 10 bis 15 Kilogramm erhalten 5 mg Diazepam. 
  • Bei Kindern ab 3 Jahren mit einem Körpergewicht ab 15 Kilogramm werden 10 mg als Einzeldosis verabreicht. 

Wirksame Blutspiegel werden nach zwei bis vier Minuten erreicht und der Fieberkrampf kann durchbrochen werden. Eine zweite Dosis darf frühestens nach zwölf Stunden gegeben werden. 

Hat das Kind bereits einen Krampfanfall ausgelöst durch Fieber gehabt, bekommen die Eltern meist vom Kinderarzt Diazepam zur rektalen Anwendung vorsorglich verordnet. Die Verordnung des Notfallarzneimittels ist meist eine große Beruhigung für die Eltern. Bei der Abgabe in der Apotheke sollten die Eltern daher über den sinnvollen Umgang mit Diazepam als Notfallmedikament genau informiert werden.

Gut zu wissen: Midazolam als Alternative

Im Einzelfall kann auch Midazolam als Alternative zu Diazepam eingesetzt werden. Der Wirkstoff ist allerdings für Fieberkrämpfe ohne Epilepsie nicht zugelassen und darf somit nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs eingesetzt werden. 

Eine Lösung zur Anwendung in der Mundhöhle steht als Fertigspritze in verschiedenen Dosierungen zwischen 2,5 mg und 10 mg  zur Verfügung.

So wird Diazepam richtig angewendet

Präparate mit Diazepam stehen als Rektallösung (Diazepam Desitin® rectal tube 5 mg und 10 mg) in geeigneter Dosierung zur Verfügung. Eine Packung enthält dabei jeweils fünf Tuben mit je 2,5 ml Lösung. 

Zur Applikation muss die Rektaltube in den After eingeführt werden, dabei sollte das Kind möglichst in Bauch- oder Seitenlage liegen. Zunächst muss die Verschlusskappe gedreht und abgenommen werden. Anschließend wird die Spitze der Rektaltube in ganzer Länge in den After eingeführt – bei Säuglingen und Kleinkindern nur bis ungefähr zur Hälfte. Beim Einführen wird die Spitze der Tube nach unten gehalten und anschließend der gesamte Inhalt durch kräftigen Druck mit Daumen und Zeigefinger entleert. 

Um ein Zurücksaugen der Rektallösung zu verhindern, muss die Tube beim Herausziehen weiterhin zusammengedrückt bleiben. Die Gesäßbacken des Kindes sollten anschließend für kurze Zeit zusammengedrückt werden. Etwaige Reste in der Tube sind zu entsorgen.

Gut zu wissen: Rektaltuben teilweise schwer zu öffnen

Ende Juli diesen Jahres teilte Desitin Arzneimittel als Hersteller der Rektaltuben mit, dass produktionsbedingt die Verschlusskappen bei einigen Chargen ungewöhnlich fest auf der Spitze der Tuben sitzen. 

Entsprechende Packungen tragen daher einen Warnaufkleber: Die Patienten werden darauf hingewiesen, dass die Verschlusskappen zum Öffnen der Zubereitung am besten am Kappenrand gefasst und mit Kraft abgezogen werden müssen. 

Auf keinen Fall darf die Spitze der Tube mit einer Schere abgeschnitten werden, da es sonst bei der Anwendung durch möglicherweise scharfe Schnittkanten zu Verletzungen kommen kann. Die Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels ist selbstverständlich nicht beeinträchtigt.

Die Lagerung der Rektaltuben sollte bei Temperaturen unter 25 °C erfolgen, direkte Sonneneinstrahlung ist zu vermeiden. Eine kurzzeitige Aufbewahrung bei höheren Temperaturen, beispielsweise im Auto in einer Notfalltasche, ist jedoch möglich. Quellen:
https://www.kinderaerzte-im-netz.de/media/53eca1a633af614b73017427/source/20130731091459_elternanleitung-fieberkrampf.pdf;
S1-Leitlinie Fieberkrämpfe im Kindesalter;
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/01/05/kann-man-einen-fieberkrampf-verhindern/chapter:2;
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2021/daz-50-2021/erste-hilfe-bei-fieberkrampf
 

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