Superfoods
Serien
7 min merken gemerkt Artikel drucken

Aloe vera – das „Wüstenwunder“

Die Aloe vera ist bekannt für ihre lanzettenförmigen Blätter. | Bild: Sabine Hortebusch / AdobeStock

Äußerlich angewandt soll Aloe vera zuverlässig jedes Hautproblem lösen. Als „Superfood“ verzehrt verspricht der aus dem Blattmark gepresste Saft alle denkbaren Wirkungen bis hin zur Vorbeugung gegen Krebs. Der nach Naturheilmitteln lechzende Verbraucher steht vor einer breiten Palette an Kosmetika, Nahrungsergänzungs- und Lebensmitteln, die Aloe vera enthalten. 

Meist kommen die Verkaufsverpackungen bewusst schlicht daher: grün-weißes Design mit einer mehr oder weniger stilisierten Abbildung der Pflanze bzw. der charakteristischen, lanzettenförmigen Blätter. Weniger schlicht sind dagegen die Heilsversprechen und persönlichen Erfahrungsberichte, die im Internet für Aloe-vera-Produkte werben.

Was ist dran an dem Hype?

Es gibt massenweise Online-Shops, die Aloe Vera anpreisen und vermarkten. Auf Fuerteventura und Mallorca ansässige Aloe-vera-Farmen bieten „Produkte direkt vom Hersteller“, selbstverständlich alle in Topqualität. Selbsternannte Fachleute erstellen Expertisen mit wissenschaftlichem Anstrich und verweisen auf jahrzehntelange medizinische Forschung. Die Diskussionen in den Foren rund um das „Allheilmittel Aloe vera“ können mitunter einen pseudoreligiösen Eindruck erwecken, wenn zum Beispiel berichtet wird, dass die Einnahme von Aloe vera „das Leben verändert“ habe oder die Pflanze zur „besten Freundin“ geworden sei.

Wüstenpflanze aus Süd- und Ostafrika

Ursprünglich stammt die zu den Liliengewächsen zählende Aloe vera aus Süd- und Ostafrika sowie den arabischen Ländern. In ihren Heimatländern wurde die Wüstenpflanze mit den dicken, fleischigen Blättern seit Jahrhunderten volksmedizinisch genutzt, und zwar äußerlich gegen Verbrennungen und innerlich als Abführmittel und zur Bekämpfung von Würmern. 

Von den 300 verschiedenen Aloe-Arten werden vor allem Aloe vera barbadensis Miller besondere Wirkungen nachgesagt, sodass sich diese Art durchgesetzt hat. Durch weltweite, höchst erfolgreiche Marketingstrategien stieg der Bedarf an Aloe vera so rasant, dass das Dickblattgewächs inzwischen in vielen subtropischen Regionen auf speziellen Farmen und riesigen Plantagen in Monokulturen angebaut wird.

BfR warnt vor Aloe-Latex

Die Aloe vera verarbeitende Industrie setzt auf zwei Rohstoffe, die aus der Pflanze gewonnen werden: Zum einen das Aloe-Latex, zum anderen das Gel aus dem Blattinneren. Als Aloe-Latex wird der gelbliche Saft bezeichnet, der sich unterhalb der grünen Blattrinde bildet. Aloe-Latex enthält die als Laxanzien bekannten Anthrachinone, deren Einnahme heutzutage als riskant und bei längerer Anwendung als krebserregend gilt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt deshalb vor der Verwendung von Aloe-vera-Zubereitungen, die ganze bzw. ungeschälte Aloeblätter enthalten.

Acemannan – ein viel beworbenes Mucopolysaccharid

Im Inneren der Aloe-vera-Blätter befindet sich das Wasserspeichergewebe der Pflanze. Es handelt sich um ein gelartiges Mark, das sich herausschälen lässt. Dieses Gel schmeckt zwar unangenehm bitter, doch seine Einnahme ist ungefährlich und verträglich. Es besteht zu 99 Prozent aus Wasser. Mucopolysaccharide, auch als Glykosaminoglykane bezeichnet, sorgen für die Gel-Konsistenz. Weiterhin sind verschiedene Zucker, Aminosäuren, Fette, Mineralien, Enzyme und Vitamine enthalten. 

Als bedeutsam für die Wirkung von Aloe vera soll das Acemannan (auch als Aloverose bezeichnet) sein, ein Mucopolysaccharid, dessen Gehalt bei vielen Vermarktern als Qualitätsmerkmal gilt. In Zertifikaten, die die Qualität von Aloe-vera-Produkten belegen sollen, wird auf diesen „sagenhaften“ Inhaltsstoff abgehoben. Acemannan soll präbiotische Eigenschaften aufweisen, deshalb wird Aloe vera auch in Lebensmitteln, zum Beispiel in Joghurts, verwendet.

Wissenschaftlich belegt ist das ebenso wenig wie der Nutzen einer innerlichen Anwendung generell. Aus dermatologischer Sicht schlüssig sind einzig und allein externe, kühlende und befeuchtende Effekte von Aloe-vera-Gel auf der Haut oder auf Schleimhäuten. Kritiker weisen darauf hin, dass der Acemannan-Gehalt ohnehin äußerst gering sei und pro Liter im Milligramm-Bereich liege. 

Aloe-vera-Blätter als Frischgemüse?

Im Internet kursieren Rezepte, bei denen Aloe-Blätter als Gemüse zubereitet werden. Die „saftstrotzenden“ Blätter werden als „Vitalgemüse“ bezeichnet und es gibt sogar ein Aloe-vera-Gourmet-Kochbuch. Die Verbraucherzentrale warnt dringend davor, ganze Aloe-Blätter als Gemüse zu verwenden, zu pürieren oder in Smoothies einzuarbeiten. Zwangsläufig würden so hohe Mengen an Anthrachinonen verzehrt. Die geringste Nebenwirkung sei dabei noch der Durchfall, der akut ausgelöst wird. Eine Neubewertung durch die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kommt zu dem Schluss: Anthrachinone wie Aloin und Aloe Emodin, die beide in Aloe-Vera-Blättern enthalten sind, können Krebs auslösen und das Erbgut schädigen. Schwangere dürfen auf keinen Fall Aloe-Blätter oder Zubereitungen mit Anthrachinonen zu sich nehmen.

Wer unbedingt frische Aloe-vera-Blätter im Haushalt selbst verwenden möchte, sollte die Blattrinde sorgfältig abschälen und das Gel aus dem Blattinneren gründlich mit Wasser abspülen.

Säfte unter der Lupe

Aloe-vera-Säfte und Nahrungsergänzungsmittel mit Aloe vera dürfen keine Anthrachinone enthalten. Bei Kontrolluntersuchungen entsprechender, handelsüblicher Produkte durch das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart im Jahr 2018 entsprachen alle Proben den Vorschriften. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen weist darauf hin, dass die meisten in Deutschland verkauften Aloe-vera-Zubereitungen aus intensiver Landwirtschaft stammen und durch hohe Düngung einen noch größeren Wassergehalt als ohnehin schon üblich haben. Dadurch würde sich die Konzentration möglicherweise wertgebender Inhaltsstoffe weiter verringern. Außerdem würden, außer im kontrollierten Bio-Anbau, Insektizide und Herbizide eingesetzt.

Beim Kauf von Aloe-vera-Säften sollte man die Zutatenliste und Bezeichnung des Produktes studieren. Frucht- und Gemüsesäfte dürfen zwar keine Konservierungsstoffe enthalten. Wenn der Aloe-vera-Saft jedoch durch kleine Honigbeigaben aromatisiert oder durch Mischen mit anderen Säften geschmacklich verbessert wird, wird er als „alkoholfreies Erfrischungsgetränk“ eingestuft. Diese Getränke dürfen Konservierungsstoffe (Natrium-Benzoat, Kaliumsorbat) enthalten, manchen ist auch das Verdickungsmittel Xanthan, VitaminC und/oder Vitamin E zugesetzt.

Qualitätssiegel beachten

Auf einigen Produkten findet man das Siegel des International Aloe Science Council. Dabei handelt es sich um eine herstellerdominierte Organisation, die ausschließlich ihre eigenen Qualitätskriterien festlegt und zertifiziert. Sie sagt nichts aus über die Qualität der Rohstoffe und den Anbau aus. Andere Produkte tragen das Siegel des Institut Fresenius, das jedoch auch nur die Einhaltung der jeweils firmeneigenen Qualitätssicherung bestätigt. Das EU-Bio-Siegel dürfen Produkte tragen, die den EU-Richtlinien für ökologischen Landbau entsprechen. Auch wenn es im Internet einige Tipps gibt, woran man ein gutes Aloe-vera-Produkt erkennt – zum Beispiel sich ein Analysenzertifikat über den Gehalt an Acemannan vorlegen zu lassen – , dürfte es dem Verbraucher schwer fallen, hier eigene Entscheidungen und Bewertungen zu treffen.

Die Stiftung Warentest empfiehlt, darauf zu achten, ob die Hersteller Einnahmehinweise geben und den Herstellungsprozess erläutern. Auf alle Fälle sollten nur Produkte verzehrt werden, die Extrakte aus „reinem Blattgel“ oder „reinem Blattmark“ enthalten. Extrakte aus dem ganzen Blatt („whole leaf extracts“) sind wegen ihres Anthrachinon-Gehalts unbedingt zu vermeiden.

Preise stark schwankend

Die Preise können sehr unterschiedlich sein. Gele und Säfte gibt es ab 10 Euro pro Liter aufwärts. Manche kosten sogar 100 Euro pro Liter.

Der Verbraucher muss selbst entscheiden, ob er sein Geld für ein Produkt ausgeben möchte, dessen Verkaufserfolg in erster Linie auf einer cleveren Marketingstrategie beruht. Zumindest ist es nicht gesundheitsschädlich, Anthrachinon-freie Aloe-vera-Produkte zu trinken oder zu verzehren.

Auf einen Blick:

  • Aloe vera enthält unterhalb der grünen Blattrinde das Aloe-Latex, einen gelblichen Saft, in dem sich die als Laxanzien bekannten Anthrachinone befinden.
  • Anthrachinone werden heutzutage als krebserregend und erbgutschädigend bewertet. Deshalb warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung vor der Verwendung von Aloe-vera-Zubereitungen, die ganze bzw. ungeschälte Aloeblätter enthalten.
  • Im Inneren der Aloe-vera-Blätter befindet sich das Wasserspeichergewebe der Pflanze. Es handelt sich um ein gelartiges Mark, das sich herausschälen lässt. Dieses Gel schmeckt zwar unangenehm bitter, doch seine Einnahme ist ungefährlich und verträglich.
  • Der angeblich wertbestimmende Inhaltsstoff von Aloe-vera-Gel soll das Polysaccharid Acemannan sein. Wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit bei innerlicher Anwendung liegen nicht vor.
Zurück