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Quinoa und Amaranth: glutenfreie „Wunder­körner“

Quinoa und Amaranth in kleinen Schüsseln
Quinoa und Amaranth sind beliebte Alternativen zu Getreide. Darüber hinaus können sie für Zöliakie-Patienten, Vegetarier und Veganer von Vorteil sein. | Bild: 5ph / AdobeStock

Sie stammen aus derselben Pflanzenfamilie, haben wohlklingende Namen, ihren Ursprung und eine lange Tradition in Südamerika sowie eine Reihe weiterer Gemeinsamkeiten: Quinoa und Amaranth – von Superfood-Fans als „Wunderkörner aus den Anden“ gefeiert – bereichern seit rund zwei Jahrzehnten zunehmend den europäischen Markt. Beide wetteifern um die Gunst einer wachsenden Käuferschicht, die am liebsten glutenfrei, „low carb“ und/oder „Naturkost“ isst.

Sattmacher für Azteken, Inkas und Raumfahrer

Bis zu den Azteken und Inkas reicht die Geschichte von Quinoa und Amaranth zurück. Beide galten als Grundnahrungsmittel und waren wertvoller als Gold, denn sie sicherten das Überleben. Deshalb spielten die Pflanzen bzw. ihre Samenkörner eine wichtige Rolle in religiösen Zeremonien und als Grabbeigaben. Der Name Amaranth bedeutet „unsterblich“. Die spanischen Eroberer gingen brutal vor: Sie verboten der einheimischen Bevölkerung bei Todesstrafe den Anbau ihrer „heiligen“ Kulturpflanzen, um so das Volk zu knechten und zu schwächen. 

Quinoa und Amaranth überlebten machtpolitische Repressalien und eroberten sich in den Andenstaaten erneut ihren Platz als Sattmacher und Kraftspender. Im 20. Jahrhundert geriet Quinoa ins Blickfeld amerikanischer Forscher, die Lebensmittel für ihre Tauglichkeit in der Raumfahrt untersuchten. Der hohe Gehalt an essenziellen Aminosäuren und das für die menschliche Ernährung wertvolle Nährstoffmuster schien den Forschern zu gefallen – so geriet Quinoa ins Rampenlicht unserer „westlichen“ Ernährung.

Botanik und Anbau

Quinoa und Amaranth gehören in die Gruppe der Pseudogetreide, deren stärkehaltige Körner ähnlich wie Getreidekörner verarbeitet werden. Beide zählen zur botanischen Familie der Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae), wobei Quinoa zur Gattung der Gänsefüße gehört. Amaranth ist eine eigene Gattung, von der weltweit 98 Arten bekannt sind. Von der in den Anden beheimateten Art Amaranthus caudatus (sowie zwei weiteren Arten) werden die Hirse-ähnlichen, feinkörnigen Samen geerntet. Die Einheimischen nennen sie „Kiwicha“, bei uns sind die sehr kleinen Körnchen als „Amaranth“ im Handel. In Europa kennen wir Amaranthus caudatus als Zierpflanze mit dem deutschen Namen Garten-Fuchsschwanz. 

Sowohl die Quinoa- als auch die Amaranth-Pflanze gedeihen in den Andenregionen noch in sehr großer Höhe: Amaranth in bis zu 3.500 m, Quinoa in bis zu 4.200 m. Wegen ihrer Anspruchslosigkeit waren die beiden Nahrungspflanzen für die in diesen Gegenden lebenden Menschen überlebenswichtig. Denn der ansonsten in Süd- und Mittelamerika beliebte Mais lässt sich in diesen Höhenlagen nicht mehr anbauen.

Nährstoffreiche Samen

Die von der Quinoa- und Amaranth-Pflanze geernteten Samenkörner schmecken angenehm nussig und haben eine hohe Nährstoffdichte. Ihr Proteingehalt ist etwas höher als der unserer heimischen Getreidearten und enthält alle essenziellen Aminosäuren, aber kein Gluten. Zum Vergleich: Quinoa und Amaranth bieten circa 14 bis 15 g Protein pro 100 g. Weizenmehl enthält circa 11 bis 13 g Protein, Roggenmehl 10 bis 14 g pro 100 g. Allerdings wird das Aminosäurespektrum bei Quinoa und Amaranth als wertvoller für die menschliche Ernährung dargestellt. Die Aminosäure Lysin ist ungefähr in doppelter Menge vorhanden – im Vergleich zum Weizen.

Weil Amaranth mehr Fett (9 g pro 100 g) liefert als Quinoa (5 g pro 100 g), ist er auch kalorienreicher: Amaranth verfügt über 400 kcal pro 100 g, Quinoa nur 340 kcal. 70 Prozent der Amaranth-Fette bestehen aus ungesättigten Fettsäuren. Dazu zählen auch die Alpha-Linolensäure (Omega-3-Fettsäure) und die Linolsäure (Omega 6-Fettsäure). Des Weiteren ist Lecithin Bestandteil der Amaranth-Samen. Auch bei den Ballaststoffen liegt Amaranth vorne: 10 g pro 100 g gegenüber nur 7 g pro 100 g bei Quinoa.

Von Vorteil für Vegetarier und Veganer

Was den Eisengehalt betrifft, können Amaranth mit 7,6 mg und Quinoa mit 8,0 mg einen Spitzenplatz unter allen Getreiden und Pseudogetreiden einnehmen. Auch Kalium, Calcium, Magnesium, Zink sind in vorteilhafter Menge vorhanden, ebenso die Vitamine B1 und B2. Quinoa punktet zusätzlich mit Vitamin C, E und Folsäure. Der hohe Anteil an Mikronährstoffen, vor allem Eisen, ist vorteilhaft für Vegetarier und Veganer.

Nicht wirklich „low carb“

Amaranth und Quinoa werden in vielen Berichten als kohlenhydratarm und besonders geeignet für eine Low-Carb-Diät beschrieben. Allerdings enthält Amaranth 56 g Kohlenhydrate pro 100 g und Quinoa 62 g pro 100 g (zum Vergleich: Weizen circa 60 g). Es erscheint daher unverständlich, aus diesen Zahlen „low carb“ ableiten zu wollen. Möglicherweise liegt die Erklärung darin, dass die Kohlenhydrate als sehr komplex eingestuft werden und ein hohes, langanhaltendes Sättigungsgefühl erzeugen (niedriger glykämischer Index).

Glutenfrei – ein Vorteil

In Deutschland leidet ein Prozent der Bevölkerung an einer Glutenunverträglichkeit (Zöliakie). Eine weitere größere Personengruppe fühlt sich wohler, wenn sie auf Gluten verzichtet. Denn unabhängig von der medizinischen Notwendigkeit spielt bei der Verträglichkeit von Speisen auch immer die Psyche eine Rolle. Für die glutenfreie Ernährung sind Amaranth und Quinoa gut geeignet und bringen Abwechslung in den Speiseplan.

Gekocht, gebacken oder ins Müsli?

Zu kaufen gibt es Quinoa als weiße, schwarze oder rote Körner. Gekocht isst man sie wie Reis als Beilage, als Salat, im Müsli oder in Aufläufen. Fürs Müsli wird Quinoa auch gepufft oder als Flocken angeboten. Gekochter Amaranth wird ebenfalls als Beilage oder Salatgrundlage empfohlen, außerdem für Pfannengerichte, Bratlinge, in Süßspeisen und in gepuffter Form fürs Müsli.

Quinoa und Amaranth werden auch zu Mehl verarbeitet. Will man sie zum Backen verwenden, muss man sie jedoch mit herkömmlichen Mehlen mischen oder zumindest mit Stärkemehlen, z. B. Kartoffelstärke, und Bindemitteln kombinieren. Mit ausschließlich glutenfreiem Quinoa- und Amaranthmehl lassen sich keine elastischen Teige und kein gutes Backergebnis erreichen. Sprossen-Liebhaber können aus Quinoa- und Amaranth-Körnern auch Keimlinge ziehen, die sich roh verzehren lassen.

Gefährliche Bestandteile

Die Quinoa-Pflanze hat einige Tricks entwickelt, mit deren Hilfe sie erfolgreicher überlebt. So enthalten die Randschichten des Quinoa-Korns ein eindrucksvolles Arsenal an Abwehrstoffen, die den inneren Kern mit ihrer insektiziden, fungiziden und antibiotischen Wirkung schützen: Saponine, Phytin, Tannine, Oxalsäure, Enzyminhibitoren und andere. 

Im menschlichen Körper sind diese Stoffe allerdings weniger willkommen und können sogar – abhängig von der Dosierung – Schäden anrichten. So können Saponine die Durchlässigkeit von Zellmembranen beeinflussen und rote Blutkörperchen auflösen. Gerbstoffe können die Eiweißverdauung im Organismus erschweren, Oxalate und Phytate die Aufnahme von Mineralstoffen und Spurenelementen vermindern. 

Frisch geerntetes Quinoa muss vor dem Verzehr durch den Menschen am besten geschält, zumindest aber über Nacht eingeweicht und auf diese Weise „entgiftet“ werden. Das Einweichwasser muss verworfen werden. Gründliches Erhitzen ist ebenfalls vorteilhaft für die Verträglichkeit von Quinoa. Das Gleiche gilt für Amaranth, der allerdings keine Saponine enthält.

Vorsicht bei Säuglingen und Kleinkindern

Das Wissen um möglicherweise gefährliche Bestandteile hat zu der allgemeinen Empfehlung geführt, Kleinkindern und erst recht Säuglingen bis zum sechsten Lebensmonat grundsätzlich kein Pseudogetreide zu verabreichen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat dazu eine Stellungnahme herausgegeben, der sich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung angeschlossen hat. Darin heißt es, dass die Datenlage zur Säuglings- und Kleinkindernährung sehr unklar sei und keine verlässliche Aussage erlaube. Daher rät das BfR, für Kleinkinder nur Pseudogetreide-Produkte von hoher Reinheit und Qualität zu verwenden. Diese sollten nachweislich frei von Gerbstoffen, Saponinen und Fagopyrin (in Buchweizen enthalten) sein.

Was im Internet kursiert

„Urgetreide aus der Ferne“, „Nährstoffwunder aus den Anden“, „Inka-Weizen“ oder „Inka-Gold“ – so werden die Quinoa- und Amaranth-Körner in werbenden Artikeln bezeichnet. Man liest auch von „Eiweißbomben“ und den „Körnchen für eiserne Nerven“. Manche Autoren scheuen nicht davor zurück, die Aminosäuren in Quinoa und Amaranth als krebsvorbeugend zu bezeichnen. Der Aminosäure Tryptophan wird eine Wirkung gegen Depressionen zugeschrieben, weswegen die „Wunderkörner“ als „Mittel für die Seele“ angepriesen werden. Der regelmäßige Verzehr von Amaranth soll bei chronischen Kopfschmerzen und Migräne helfen, die Atemwege stärken, sogar den Alterungsprozess verzögern. 

Natürlich dürfen keine gesundheitsbezogenen Aussagen auf den Verkaufsverpackungen stehen. Obwohl keine einzige der im Internet kursierenden „Wirkungen“ wissenschaftlich belegt ist, glauben viele Menschen offenbar noch gerne an „Wundermittel“.

Argument der Natürlichkeit durch Exportmenge fraglich

Das Marketing-Argument von der unschlagbaren „Natürlichkeit“ der „uralten“ Kulturpflanzen Amaranth und Quinoa ist in Zeiten großer Anbauflächen und steigender Exportzahlen eine romantische Illusion. 250.000 Tonnen Quinoa wurden im Jahr 2017 weltweit vermarktet. Ohne moderne Agrarmethoden und Pflanzenschutzmittel wären diese Mengen wohl kaum erzeugbar.

Tipp:

Inzwischen gibt es einige landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland, die Quinoa und Amaranth unter ökologischen Bedingungen anbauen. Der Amaranth-Anbau wird allerdings als sehr mühevoll beschrieben.

Unverzichtbar für eine gesunde Ernährung?

Bei einer glutenfreien und/oder vegetarischen bzw. veganen Kostform stellen Amaranth und Quinoa eine gesunde Bereicherung des Speiseplans dar. Beim Einkauf sollte man auf Fairtrade-Produkte achten, die den Bauern in den Anbaugebieten einen kleinen Nutzen bieten. Grundsätzlich sollte man jedoch bedenken, dass Lebensmittel, die erst um den halben Globus fliegen müssen, bevor sie in unseren Supermärkten landen, eine eher negative Ökobilanz aufweisen. Zudem hat die weltweit gestiegene Nachfrage nach Quinoa und Amaranth in den Herkunftsländern zu einer so hohen Preissteigerung geführt, dass die Einheimischen sich ihre eigenen Agrarprodukte nicht mehr leisten können und auf preisgünstige, industriell hergestellte Nahrungsmittel ausweichen müssen.

Daher lohnt es sich auch die in Europa heimischen „Superfoods“ wie Buchweizen oder Hirse als Alternative in Erwägung zu ziehen. Sowohl Buchweizen als auch Hirse sind glutenfrei und haben einen ähnlichen Nährwert wie Amaranth und Quinoa. Hirse ist ebenfalls ein Top-Eisenlieferant.

Auf einen Blick:

  • Quinoa und Amaranth sind Pseudogetreide, die in Südamerika heimisch sind und deren Stärkekörner wie Getreide verarbeitet werden.
  • Quinoa und Amaranth zeichnen sich durch eine hohe Nährstoffdichte aus, vor allem ihr Proteingehalt ist für die menschliche Ernährung wertvoll.
  • Der hohe Gehalt an Eisen, Calcium, Magnesium, Kalium, Zink machen Amaranth und Quinoa für die vegetarische und vegane Ernährung interessant.
  • Amaranth und Quinoa sind glutenfrei.
  • Durch Schälen, Einweichen und Kochen werden die Körner verträglicher, weil schädliche Begleitstoffe auf diese Weise entfernt werden.
  • Säuglinge allerfrühestens ab dem 6. Lebensmonat Pseudogetreide-Produkte anbieten und nur solche, die streng auf Qualität und hohe Reinheit geprüft sind.
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