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Abnehmspritzen: Warum die Er­nährung wichtig ist

Zwei Ozempic-Pen mit Messer und Gabel umwickelt von einem Maßband neben einem roten Apfel
GLP-1-Analoga helfen langfristig beim Abnehmen nur in Kombination mit einer Ernährungsumstellung. | Bild: Kassandra / AdobeStock

Adipositas ist eine chronische, multifaktorielle Erkrankung, die nicht allein durch „Willensschwäche“ entsteht, sondern komplexe biologische, psychosoziale und umweltbedingte Ursachen hat. Laut der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) sind 23 % der Männer und 24 % der Frauen in Deutschland von Adipositas betroffen.

Seit einigen Jahren stehen neue Medikamente zur Verfügung, insbesondere GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid (Wegovy®) oder Tirzepatid (Mounjaro®). Diese Wirkstoffe imitieren körpereigene Hormone (z. B. GLP-1, Glucagon-like Peptide 1), die die Sättigung steigern, die Magenentleerung verzögern und das Belohnungszentrum im Gehirn beeinflussen.

Studien zeigen beeindruckende Gewichtsverluste: Mit Semaglutid sind im Mittel 15–20 % Gewichtsverlust möglich. Ihr Einsatz ist jedoch nicht beliebig: Laut Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) sind sie für Patienten mit einem BMI ≥ 30 kg/m² oder ≥ 27 kg/m² bei bestehenden Folgeerkrankungen indiziert, wenn eine alleinige Lebensstilumstellung nicht ausreichend wirksam war.

Entscheidend ist: Ohne eine angepasste Ernährungs- und Lebensstilintervention ist der Erfolg meist nicht von Dauer. Setzt man die Spritzen ab, kommt es bei vielen Patienten zu einem Teil- oder Komplett-Rebound des Gewichts.

Ernährungstherapie wichtig für Erfolg mit Abnehmspritzen

Eine Ernährungs- und Verhaltensänderung sowie Bewegungssteigerung bilden daher die Basis der Therapie. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für Menschen mit Adipositas eine hypokalorische Mischkost, die das Energiedefizit individuell anpasst (meist 500–600 kcal/Tag weniger als der Grundumsatz). 

Entscheidend ist jedoch weniger die „eine“ Diätform als vielmehr eine nachhaltige Umstellung, die sich in den Alltag integrieren lässt. 

Hierbei sollten die individuellen Wünsche, Ressourcen, Lebensmittelpräferenzen, aber auch etwaige begleitende Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen) der Patienten mit einbezogen werden. 

Ziel ist es, neben einer Steigerung der Lebensqualität, gesundheitliche Risiken und Begleiterkrankungen zu reduzieren.

Abnehmspritzen: Das ist bei der Ernährung zu beachten

GLP-1-Analoga verstärken das Sättigungsgefühl oft so stark, dass viele Betroffene zu wenig essen oder Mahlzeiten auslassen. Hier ist Beratung gefragt. Folgende Hinweise können PTA ihren Kunden mitgeben:

Regelmäßige Mahlzeiten: Auch bei geringem Hunger sollten Patienten ausgewogene Mahlzeiten zu sich nehmen, um Unterversorgung und Muskelabbau zu vermeiden. Empfehlungen zur Mahlzeitenfrequenz sollten individuell angepasst werden.

Die Höhe der Gesamtenergiezufuhr ist für die Gewichtsabnahme entscheidender als das Verhältnis der Makronährstoffe. Ernährungsformen wie die mediterrane Ernährung oder auch eine vegetarische Ernährung scheinen mit einem geringeren Risiko für Übergewicht einherzugehen.

Eiweißreich essen: Eine ausreichende Proteinzufuhr (1,2–1,5 g/kg Körpergewicht) schützt vor Muskelverlust, besonders bei schneller Gewichtsabnahme. Eiweißreiche Lebensmittel sind z. B. Magerquark, Hülsenfrüchte, Tofu, mageres Fleisch oder Fisch.

Ballaststoffe einplanen: Sie fördern die Sättigung, regulieren die Verdauung und wirken sich günstig auf das Darmmikrobiom aus. 25–29 g pro Tag sind empfehlenswert. Gute Quellen sind beispielsweise Vollkornprodukte, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen.

Langsam Essen: Da GLP-1-Analoga die Magenentleerung verzögern, können große oder hastig gegessene Portionen Übelkeit und Völlegefühl verstärken.

Semaglutid und Co.: Mit Ernährung Nebenwirkungen mildern

Gerade in der Einstellungsphase leiden viele Patienten unter gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Völlegefühl. Neben einer schrittweisen Dosiserhöhung helfen hier auch praktische Tipps:

  • Fettarme Kost bevorzugen und stark gewürzte, frittierte oder scharfe Speisen meiden.
  • Kleine Portionen essen und gründlich kauen.
  • Blähende und fermentierte Lebensmittel (z. B. Hülsenfrüchte, Kohl, Sauerkraut, Kefir) reduzieren oder langsam integrieren.
  • Leicht verdauliche Lebensmittel wie z. B. Zwieback, Suppen, Kartoffeln, Fenchel essen.
  • Auf Flüssigkeitszufuhr achten, auch wegen der möglichen Nebenwirkung der Nierensteine.

PTA können diese Hinweise im Beratungsgespräch gezielt einbringen – vor allem, wenn Kunden um Rat fragen, weil sie die Therapie abbrechen möchten.

Abnehmspritze und Ernährung: Tipps aus der Apotheke

Eine Ernährungstherapie sollte stets ärztlich begleitet werden. Dennoch kann die Apotheke ein wertvoller Ankerpunkt sein, um Patienten zwischen Arztterminen zu unterstützen und eine langfristige Gewichtsabnahme zu fördern.

Viele Patienten erwarten von der „Abnehmspritze“ eine schnelle Lösung und sind überfordert, wenn sie hören, sie müssten „komplett ihre Ernährung umstellen“. Hier können Apothekenteams wichtige Aufklärungsarbeit leisten:

  • Langfristigkeit betonen: Die Medikamente wirken nur so lange, wie sie regelmäßig angewendet werden. Ohne begleitende Ernährungs- und Verhaltensanpassung droht der Jo-Jo-Effekt. Angestrebt wird meist eine Reduktion von 5–10 % des Ausgangsgewichtes über 6–12 Monate.
  • Keine Wundermittel: Die Medikamente sind ein Hilfsmittel, keine alleinige Lösung.
  • Über Ernährung sprechen: Viele Patienten wissen nicht, dass starkes Kaloriendefizit oder einseitige Diäten kontraproduktiv sein können. Auch von Schlankheitspillen ist abzuraten. PTA können für Themen wie die Bedeutung von Lebensmitteln mit hoher Energiedichte (z. B. Fertigprodukte) und einer zuckerreichen Ernährung sensibilisieren. Kleine Tipps wie etwa eine Gemüseration mehr pro Tag einzuplanen, zuckergesüßte Getränke zu streichen oder Vollkorn statt Weißmehl zu bevorzugen, können kleine, umsetzbare Schritte darstellen.
  • Alkohol reduzieren: Alkohol liefert „leere Kalorien“ und kann die appetitkontrollierende Wirkung der Medikamente beeinträchtigen. Zudem können Magen-Darm-Nebenwirkungen der GLP-1-Analoga unter Alkoholkonsum verstärkt werden.
  • Essenspausen einlegen: Die Wirkung von GLP-1-Analoga führt oft zu einem schnelleren Sättigungsgefühl. Patienten sollten lernen, bewusst auf Sättigungssignale zu achten und Zwischenmahlzeiten zu reduzieren. Stichwort: Intervallfasten. Dies kann ebenfalls ein Konzept sein, das laut Studien bei vielen Betroffenen funktioniert, solange es individuell passt.
  • Muskelmasse schützen: Kunden sollten für die Bedeutung von Eiweißzufuhr und Bewegung sensibilisiert werden. Die WHO empfiehlt etwa 30–60 Minuten Bewegung täglich bzw. 150–300 Minuten moderate Aktivität pro Woche. Gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen, Nordic Walking oder Radfahren sind optimal. Wenn möglich sollten sitzende Tätigkeiten reduziert werden.
  • Individuelle Tipps geben: Bei Übelkeit kleinere Mahlzeiten, bei Heißhunger ballaststoffreiche Snacks, Reduzierung von chronischem Stress und ein regelmäßiger Schlafrhythmus. Auch digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) oder Wearables können die Motivation der Patienten erhöhen und ein besseres Körpergefühl unterstützen.
  • An relevante Medikamente denken: Antidepressiva, Neuroleptika, Antidiabetika und Glukokortikoide sowie eine Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) können ebenfalls zu einer Gewichtszunahme beitragen.
  • Regelmäßige Gewichtskontrollen: Die S3-Leitlinie empfiehlt ein engmaschiges Monitoring. Das Apothekenteam kann anbieten: Gewichtsmessung, BMI-Kontrolle, Motivationserhalt durch kleine Zielvereinbarungen.

Quellen:
Smollich, M. (2023): Ernährungsmedizin und Pharmakologie - Neue Optionen bei Adipositas.
Springer.
Smollich, M.: Für immer schlank - Der Masterplan.
Smollich, M.: Das große Praxisbuch Ernährungsmedizin, S. 100-114.
Wilding, J.P.H. et al. (2021): Once-Weekly Semaglutide in Adults with Overweight or Obesity.
New England Journal of Medicine, 384(11), S. 989–1002.
https://adipositas-gesellschaft.de/dag/leitlinien/ https://adipositas-gesellschaft.de/ueberadipositas/
praevalenz/
https://adipositasgesellschaft.
de/wp-content/uploads/2020/06/LEKuP_Artikel_Aktuelle_Ernaehrungsmedizin.pdf
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/050-001
https://register.awmf.org/assets/guidelines/050-001l_S3_Praevention-Therapie-
Adipositas_2024-10.pdf https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/der-leitfaden-ernaehrungstherapie-in-klinikund-
praxis/standard-titel/
https://www.g-ba.de/downloads/83-691-987/AM-RL-II-Lifestyle-2025-02-08.pdf
https://www.vivantes.de/ernaehrungsmedizin/abnehmspritze
https://www.zavamed.com/de/wegovy-ernaehrung.html
DIMDI: Fachinformation Wegovy®.
DIMDI: Fachinformation Mounjaro®.
Fachinfo-Service: Fachinformation Wegovy®.
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