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MS: Erhöhter Fischkonsum verlangsamt Progression

Multiple Sklerose (MS) ist immer noch eine Krankheit, bei der es mehr Fragen als Antworten zu geben scheint. Noch immer ist unklar, wie die Autoimmunerkrankung entsteht, bei der die Markscheiden (die elektrisch isolierende äußere Schicht der Nervenfasern) zerstört werden.
Symptome und Verlauf der „Krankheit der tausend Gesichter“ (so genannt wegen der Vielzahl unterschiedlicher neurologischer Symptome) können sehr unterschiedlich sein – insbesondere, was die Progression der Schwere der Behinderung anbelangt, mit welcher Betroffene konfrontiert sind. Allerdings gibt es einige Hinweise darauf, dass Lebensstilfaktoren einen Einfluss darauf haben können, wie schnell die Krankheit voranschreitet.
Schwedische und chinesische Forscher haben nun mit Auswertungen einer Langzeit-Kontrollstudie MS-Betroffener über 15 Jahre zeigen können, dass speziell die Ernährung eine wohl entscheidende Rolle bei der Krankheitsprogression spielen könnte. Damit untermauern und erweitern sie Erkenntnisse, die auch bereits in die aktualisierten MS-Leitlinien im Kapitel „Ernährung und Gewicht“ eingeflossen waren.
Lebensstil: Welche Faktoren haben Einfluss auf MS-Verlauf?
Die Forschenden um Jie Guo von der China Agricultural University in Peking sowie Anna Karin Hedström und Eva Johansson, beide vom Department of Clinical Neuroscience am Karolinska Institut in Stockholm, veröffentlichten im Fachmagazin „Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry“ nun zwei Arbeiten zu diesem Thema. Sie konnten zeigen, dass Übergewicht einen negativen und der Konsum von Fisch einen positiven Einfluss auf das Voranschreiten der Erkrankung hat.
In der ersten Arbeit mit Guo als Erstautor werteten sie schwedische landesweite Fall-Kontroll-Studien mit Langzeit-Follow-up von MS-Erkrankten aus. Sie verglichen die Lebensumstände der Erkrankten mit einem weniger schweren Verlauf mit denen von schwerer Erkrankten, bei denen der Grad der Behinderung schneller voranschritt. Unter den Faktoren „Rauchen“, „Body-Mass-Index“, „Fischkonsum“ und „Sonnenexposition“ stachen dabei zwei heraus: der Body-Mass-Index und der Fischkonsum.
Die Forschenden kamen zu dem Schluss: „Die Wahrscheinlichkeit, an gutartiger MS zu erkranken, war geringer in Verbindung mit […] Übergewicht und Adipositas in der Jugend und seltenem Fischkonsum .“
Bei MS: Mehr Fischkonsum für geringeres Risiko für Verschlechterung
In der zweiten Arbeit mit Johansson als Erstautorin vertieften die Forschenden dann die Untersuchungen zum Fischkonsum. Sie befragten Teilnehmende der Epidemiologic Investigation of Multiple Sclerosis (EIMS), einer landesweiten bevölkerungsbezogenen Fall-Kontroll-Studie in Schweden, bei denen zwischen April 2005 und Juni 2015 MS neu diagnostiziert wurde, nach ihrem Fischkonsum – getrennt nach fettreichen und weniger fettigen Fischarten.
Fettige Fischarten wurden dabei als Arten mit einem Fettgehalt von mehr als drei Prozent definiert, wie etwa Hering, Makrele, Thunfisch, Lachs und Forelle. Magerer Fisch wurde definiert als Arten mit einem Fettgehalt kleiner drei Prozent, wie Kabeljau, Seelachs, Schellfisch, Wittling und Zander.
Die Antworten wurden auf einer Vier-Punkte-Skala erfasst: nie/selten, ein bis dreimal pro Monat, wöchentlich oder täglich. Da nur sehr wenige Teilnehmer angaben, täglich Fisch zu verzehren, fassten die Forschenden die letzten beiden Kategorien zu einer zusammen.
Diese Angaben korrelierten die Forschenden mit den vorliegenden Daten über das Voranschreiten der MS über insgesamt 15 Jahre bei somit 2.719 Teilnehmenden nach den drei verschiedenen Bewertungsmaßstäben der Behinderung: CDW (24-week confirmed disability worsening), EDSS 3 und EDSS 4 (Expanded Disability Status Scale).
Im Ergebnis fanden die Forschenden, dass viel darauf hindeutet, „dass ein höherer Fischkonsum mit einem geringeren Risiko des Fortschreitens der Behinderung bei MS verbunden ist“. Die Forschenden fanden dabei keinen Unterschied zwischen dem Konsum von fettreichem und weniger fettigem Fisch.
„Ein höherer Gesamtverzehr von magerem und öligem Fisch zum Zeitpunkt der Diagnose war mit einem geringeren Risiko für eine Verschlechterung der Behinderung (CDW)(HR 0,66, 95-%-CI 0,51 bis 0,86) , EDSS 3(HR 0,55, 95-%-CI 0,39 bis 0,79) und EDSS 4(HR 0,57, 95-%-CI 0,33 bis 0,96) verbunden als ein geringer Verzehr“, schreiben die Autoren.
Auch unter Einbezug anderer Lebensstilfaktoren in die Auswertung wie Rauchen oder Übergewicht änderte sich nichts an dem beobachteten Zusammenhang. „Die schützenden Wirkungen waren bei Patienten, die während des Nachbeobachtungszeitraums konsequent Fisch konsumierten, stärker ausgeprägt“, ergänzten die Forschenden und:
„Interessanterweise wiesen Patienten, die ihren Fischkonsum nach der Diagnose erhöhten, auch ein geringeres Risiko für eine Verschlechterung der Behinderung auf.“ Dieses Ergebnis lege nahe, dass Ernährungsänderungen nach der Diagnose das Fortschreiten der Krankheit noch positiv beeinflussen könnten.
Konsum von Schweinefleisch erhöht MS-Risiko
Chinesische Forschende um den Erstautor Zhinan Ye vom Department of Neurology des Municipal Hospital der Universität Taizhou nahmen sich ebenfalls des Themas Ernährung bei MS an. Im Fachjournal „Nutrition and Health“ veröffentlichten sie eine Arbeit, in der sie Daten der großen internationalen Genomweiten Assoziationsstudie (GWAS) auswerteten.
15 häufige Ernährungsfaktoren untersuchten sie aus diesem Datensatz mit 14.498 Fällen und 24.091 Kontrollen. Im Ergebnis fanden sie einen „signifikanten kausalen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Schweinefleisch und MS auch nach Bereinigung um potenzielle Störfaktoren“.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass der Verzehr von Schweinefleisch das MS-Risiko erhöhen könnte. Andere Ernährungsfaktoren, die in dieser Studie analysiert wurden, wiesen keine signifikanten Korrelationen mit MS auf“, schreiben die Autoren. Dabei hatten sie auch den Konsum von Fischöl als Nahrungsergänzungsmittel untersucht.
Die chinesischen Forschenden untersuchten allerdings nur den Zusammenhang zwischen der Ernährung und dem Risiko, an MS zu erkranken, nicht den Einfluss auf das Voranschreiten der Erkrankung.
Ernährungsempfehlungen in MS-Leitlinien
Die Daten korrespondieren mit bisherigen Empfehlungen zur Ernährung allgemein sowie für MS-Erkrankte im Besonderen. So weisen die aktuellen MS-Leitlinien beispielsweise auf die allgemeinen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung hin:
- Am besten Wasser trinken
- Obst und Gemüse – viel und bunt
- Hülsenfrüchte und Nüsse regelmäßig essen
- Vollkorn ist die beste Wahl
- Pflanzliche Öle bevorzugen
- Milch und Milchprodukte jeden Tag
- Fisch jede Woche
- Fleisch und Wurst – weniger ist mehr
- Süßes, Salziges und Fettiges – besser stehen lassen
- Mahlzeiten genießen
- In Bewegung bleiben und auf das Gewicht achten
Eine konkrete „MS-Diät“ werde aktuell nicht empfohlen, heißt es auch etwa von der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft. Jedoch empfiehlt man eine „ausgewogene, entzündungshemmende Ernährung“.
Unter anderem auch in den Leitlinien werden Parallelen gezogen zu den gesundheitsfördernden Wirkungen der sogenannten mediterranen Diät – die neben viel Obst und Gemüse insbesondere auch einen höheren Konsum von Fisch beinhaltet.
MS: Ernährung nimmt Einfluss auf Risiko und Krankheitsverlauf
Zusammenfassend spricht viel dafür, dass die Ernährung einen wesentlichen Einfluss nicht nur auf das Risiko hat, an MS zu erkranken, sondern auch auf den Verlauf der Krankheit.
Gesunde abwechslungsreiche Ernährung mit reduziertem Anteil an Schweinefleisch und hohem Anteil an Fisch scheint sowohl für Gesunde als auch für MS-Erkrankte von Vorteil zu sein. Quellen:
https://dnvp9c1uo2095.cloudfront.net/cms-content/030050_living_Guideline_MS_V8.0_250218_clean_1740393819868.pdf
https://jnnp.bmj.com/content/early/2025/02/12/jnnp-2024-335464
https://jnnp.bmj.com/content/early/2025/02/04/jnnp-2024-335200
https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/02601060241308918
https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/gut-essen-und-trinken/dge-empfehlungen/
https://dmsg-niedersachsen.de/multiple-sklerose/ernaehrung/#:~:text=Essen%20und%20Trinken%20bei%20Multiple,Osteoporose