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S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Reizdarm – Einfluss von Probiotika und Ernährung 

Die Symptome eines Reizdarmsyndroms können vielseitig sein. | Bild: nobeastsofierce / AdobeStock

Die Diagnose Reizdarm ist für Betroffene häufig der Beginn eines Versuchs- und Behandlungsmarathons. Evidenzbasierte Therapien sind rar, da die Erkrankung verschiedenste Symptome hervorrufen kann. Eine Standardtherapie gibt es derzeit noch nicht. Die aktuelle S3-Leitlinie zum Reizdarmsyndrom empfiehlt unter anderem verschiedene probiotische Stämme als Therapieoption. 

Gut zu wissen: Ab wann spricht man vom Reizdarmsyndrom?

Die Diagnose Reizdarmsyndrom kann gestellt werden, wenn Patienten über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten anhaltend oder wiederkehrend unter die Lebensqualität einschränkenden Darmbeschwerden leiden und keine andere Erkrankung festgestellt wird, welche die Beschwerden verursacht. /gg

Typische Symptome des Reizdarmsyndroms

Das Reizdarmsyndrom ist eine chronische Darmerkrankung, die länger als drei Monate besteht und durch dauerhafte oder wiederkehrende Veränderungen des Stuhlgangs charakterisiert ist. Die Symptome reichen von 

  • Durchfall,
  • Verstopfung,
  • gestörter Stuhlfrequenz,
  • Schmerzen und Blähungen
  • bis hin zu dauerhaftem Unwohlsein und verminderter Lebensqualität.

Typisch ist auch, dass keine pathologischen Veränderungen, wie z. B. eine geschädigte Schleimhaut oder Entzündungen, beobachtet werden. Die individuelle Behandlung ist deshalb sehr schwierig und setzt sich meistens aus einer Kombination von verschiedenen Ansätzen zusammen.

Probiotika bei Reizdarmsyndrom empfohlen

In der S3-Leitlinie wird der Einsatz von Probiotika bei Patienten mit Reizdarmsyndrom eindeutig empfohlen. Die Auswertung ergab zahlreiche positive Effekte auf das Reizdarmsyndrom. 

Aufgrund der variablen Symptomatik kann die Auswahl des Bakterienstammes individuell erfolgen. Die herangezogenen Daten beruhen häufig auf kleineren Studien, die auf unterschiedlichste Symptome eingehen. Deshalb ist es nach wie vor schwer, ganz klare Einnahmeempfehlungen zu erstellen. 

Hinzu kommt, dass Probiotika nicht einheitlich zugelassen sind, was die Vereinheitlichung zusätzlich erschwert. So existieren neben Medizinprodukten und Arzneimitteln auch entsprechende Nahrungsergänzungsmittel. Diese Unterscheidung wurde in der Leitlinie bewusst nicht berücksichtigt, da hier zukünftig Änderungen zu erwarten sind.

Einzelsymptome werden durch Probiotika verbessert

Klare Verbesserungen konnten bei einer Vielzahl von Reizdarmsymptomen festgestellt werden. Dazu zählen vor allem chronische Verstopfung, Schmerzen, Blähungen sowie Stuhlfrequenz und -konsistenz. Zusätzlich wurde eine verbesserte Lebensqualität beschrieben. 

Für die folgenden Bakterienstämme konnten signifikante Verbesserungen festgestellt werden:

  • Bifidobakterien:
    • Bifidobacterium infantis 35624 (z. B. in Alflorex® Inbiotys)
    • Bifidobacterium longum NCC3001 (z. B. in Pascoflorin® sensitiv)
    • Bifidobacterium animalis DN173010 (z. B. in Activia®)
    • Bifidobacterium bifidum MIMBb75 (z. B. in Kijimea® Reizdarm Pro)
  • Lactobazillen
    • Lactobacillus plantarum 299v (DSM 9843) (z. B. in Innovall® RDS)
    • Lactobacillus acidophilus NCFM (z. B. in Probielle® Pro-A)
    • Lactobacillus gasseri CP2305 (z. B. in Omniflora® N)
    • Lactobacillus reuteri (DSM 17938) (z. B. in BiGaia®)
    • Lactobacillus casei Shirota (z. B. in Yakult®)
  • Weitere
    • Escherichia coli (DSM 17252) (z. B. in Symbioflor® 2)
    • Saccharomyces cerevisiae (z. B. in Perenterol®)
    • Multispecies-Produkte (z. B. in SynGut®) Quelle: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2021/10/01/welche-probiotika-koennten-bei-reizdarm-positive-effekte-haben 

Keine einheitliche Ernährungsempfehlung

Die S3-Leitlinie beschreibt auch einen klar erkennbaren Zusammenhang zwischen der Ernährung und dem Reizdarmsyndrom. Wichtig sei, Nahrungsmittelunverträglichkeiten zuvor auszuschließen. 

Lösliche Ballaststoffe, wie Inulin oder Apfelpektin, können bei den Hauptsymptomen Verstopfung und Durchfall empfohlen werden. Zusätzlich kommen Ausschlussdiäten zum Einsatz, um den Darm zu entlasten. 

Die „Low-FODMAP-Diät“ wird als 3-Stufen-Plan empfohlen. Hierbei handelt es sich um fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole (FODMAPs), also kurzkettige Kohlenhydrate, die im Darm schwer absorbiert werden. Die Folgen der Fermentation im Dickdarm sind Blähungen, Schmerzen und Unwohlsein. Diese Lebensmittel sollten für zwei Monate gemieden und nach Abklingen der Symptome erst langsam wieder in den Speiseplan integriert werden. Dieses Prinzip dient der Toleranzbildung und kann zu einer langfristigen Verbesserung der Symptome beitragen. Quellen:
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-016l_S3_Definition-Pathophysiologie-Diagnostik-Therapie-Reizdarmsyndroms_2021-07.pdf;
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2021/10/01/welche-probiotika-koennten-bei-reizdarm-positive-effekte-haben
 

Gut zu wissen: Weitere Therapieoptionen 

Ein auf der Leitlinie aufbauendes Informationsblatt des „Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin“ (äzq) nennt neben Ballaststoffen und Probiotika auch Phytopharmaka als Therapieoption. Neben Pfefferminzöl (Empfehlungsgrad „soll erwogen werden“) werden dabei auch Berberin, Carmint und Padma Lax (Empfehlungsgrad „sollte individuell ins Behandlungskonzept integriert werden“) erwähnt. 

Während es sich bei Berberin um ein Isochinolonalkaloid aus der Berberitze (Berberis vulgaris) handelt, bezeichnen die letzteren beiden Empfehlungen Kombinationspräparate. In Carmint sind Extrakte von Zitronenmelisse (Melissa officinalis), Grüner Minze (Mentha spicata) und Echtem Koriander (Coriandrum sativum) kombiniert. Padma Lax beinhaltet sogar zwölf verschiedene Arzneidrogen und drei Mineralien (darunter Aloe, Cascara- und Faulbaumrinde sowie Natriumsulfat). Berberin-haltige Nahrungsergänzungsmittel sind in Deutschland auf dem Markt, Carmint und Padma Lax hingegen sind in Deutschland nicht zugelassen.

Weiterhin kann gegen die abdominalen Krämpfe aus dem Selbstmedikationssortiment Butylscopolaminiumbromid (z. B. Buscopan®) empfohlen werden. Bei Diarrhoe kann im Rahmen der Selbstmedikation Loperamid abgegeben werden, wobei dieses entsprechend der Zulassung ohne ärztliche Rücksprache nicht länger als zwei Tage eingesetzt wird. Bei Verstopfung empfiehlt die Leitlinie in erster Linie Laxanzien vom Macrogol-Typ („soll“-Empfehlung). Andere Laxanzien „sollten“ nach individueller Verträglichkeit ausgewählt werden, wobei von Lactulose eher abgeraten wird./gg

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