Darmgesundheit
In den vergangenen Jahren rückten der Darm und seine Bewohner (Mikrobiota) immer mehr in den Fokus der Wissenschaft. Ob für ein intaktes Immunsystem, zum Schutz vor psychischen Erkrankungen oder krankhaften Veränderungen der Haut – der Darm scheint an vielen Prozessen beteiligt zu sein. In diesem Modul von Wissen am HV erfahren Sie, wie eine gesunde Darmflora aufrechterhalten werden kann und für wen sich Prä- bzw. Probiotika eignen. 
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Probiotika: Wann ist die Einnahme sinnvoll?

Kapseln liegen in einer Hand, die andere Hand hält ein Glas Wasser fest
Probiotika können unter anderem bei Scheidenpilz und chronischer Verstopfung zum Einsatz kommen. | Bild: doucefleur / AdobeStock

Das medizinische Interesse, unsere Darmbakterien weiterzuerforschen, ist groß, weshalb es sehr viele Studiendaten gibt. Die Schwierigkeit besteht darin, eine allgemeingültige Empfehlung auszusprechen, da sich die Produkte sowie einzelnen Bakterienstämme stark voneinander unterscheiden. 

Die Aussagen in den deutschen Leitlinien sind deshalb eher zurückhaltend, wobei man mittlerweile einige Empfehlungen für die Einnahme von Probiotika bei bestimmten Symptomen bzw. Erkrankungen findet. Gerade für die alltägliche Beratung in der Apotheke ist es von Vorteil, sich mit diesen Aussagen zu befassen, um die Kunden evidenzbasiert beraten zu können.

Bei Reizdarmsyndrom Probiotika empfehlen

Die S3-Leitlinie besagt, dass ausgewählte Probiotika zur Behandlung des Reizdarmsyndroms eingesetzt werden sollten. Die Wahl des Bakterienstammes erfolgt hinsichtlich der gegebenen Symptomatik, die bei Reizdarm sehr unterschiedlich ausfallen kann. Die Beurteilung der Studien ist deshalb sehr schwierig, da die Symptome von Durchfall über Verstopfung bis hin zu Blähungen reichen und PTA gezielt geeignete Präparate auswählen müssen.

Positiv erwähnt werden u. a. Bifidobakterien, Lactobazillen, Escherichia coli sowie Saccharomyces cerevisiae. Neben vielen Einzelstämmen, von denen einige auch in Lebensmitteln wie Kefir vorkommen, konnten auch zahlreiche Kombinations-Probiotika zur Linderung von Reizdarmsymptomen wie Schmerzen, Verstopfung oder Gasbildung beitragen.

Gut zu wissen: Keine Empfehlung für Probiotika bei akuter Gastroenteritis

Mit der Aktualisierung der S2k-Leitlinie „Gastrointestinale Infektionen“ im Jahr 2023 wurde der Einsatz von Probiotika bei einer akuten Gastroenteritis neu bewertet. 

Diese akute Schleimhautentzündung von Magen und Darm geht häufig mit infektiösem Durchfall einher. Aufgrund eines Mangels an positiven Studienergebnissen bei Erwachsenen wird ein allgemeiner Einsatz nicht mehr angeraten. 

Zusätzlich wurde die S2k-Leitlinie „Akute infektiöse Gastroenteritis im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter“ angepasst. Auch hierbei wird jetzt von einem routinemäßigen Einsatz abgeraten. 

In die Bewertung flossen 82 Studien mit mehr als 12.000 Patienten ein.

Probiotika bei vaginaler Pilzinfektion sinnvoll

Frauen, die häufig an einer vaginalen Pilzinfektion leiden, profitieren im Rahmen einer Erhaltungstherapie von Probiotika. Sinnvoll ist der orale Einsatz von verschiedenen Lactobazillen, wobei vor allem Lactobazillus acidophilus von den Leitlinienautoren positiv erwähnt wird. 

Die vaginale Anwendung von Lactobazillen wird neben anderen Methoden zur Vorbeugung einer wiederkehrenden bakteriellen Vaginose angeraten.

Bei Hefepilzüberwucherung im Darm: Probiotika als Ergänzung

Probiotika, die eine Mischung aus Bifidobakterien und Lactobazillen enthalten, können bei einer Überwucherung des Hefepilzes Candida albicans im Darm die Regulation der natürlichen Darmflora unterstützen. Dies führt langfristig zum Rückgang der Überpopulation des Pilzes. Probiotika dienen in diesem Zusammenhang der Therapieergänzung.

Weniger Atemwegserkrankungen durch Probiotika?

In einer großen Metaanalyse wurde der Einsatz von Probiotika bei akuten Atemwegserkrankungen untersucht. Diese systematische Auswertung von 13 Studien lieferte Hinweise, dass Probiotika möglicherweise sowohl die Häufigkeit als auch die Dauer akuter Atemwegsinfekte verringern können. In die Analyse wurden Präparate mit Lactobazillen, Streptococcus thermophilus und Bifidobakterien einbezogen. Die Aussagekraft dieser Ergebnisse ist allerdings begrenzt.

Chronische Verstopfung: Probiotika sollten angeraten werden

Da einige Probiotika einen positiven Einfluss auf die Häufigkeit des Stuhlgangs, die Stuhlkonsistenz und Ausscheidungszeit haben, sollte laut der aktuellen S2k-Leitlinie „Chronische Obstipation“ ein Therapieversuch angeraten werden. 

Sinnvoll scheinen Produkte mit mehreren Bakterienstämmen zu sein. Empfohlen wird eine Behandlung über vier bis sechs Wochen. Diese Einschätzung gilt auch für Patienten mit Parkinson, die unter chronischer Verstopfung leiden.

Probiotika könnten Symptome von Long COVID verbessern

Zur Therapie von Patienten mit Long COVID gibt es noch nicht viele Untersuchungen. In der aktuellen Leitlinie aus 2023 wird auf eine Studie aufmerksam gemacht, bei der der Einsatz eines Synbiotikums nach einem Einnahmezeitraum von über sechs Wochen positive Auswirkungen auf die Bereiche chronische Erschöpfung, Konzentration, allgemeines Wohlbefinden sowie Magen-Darm-Beschwerden zeigte. Enthalten waren verschiedene Stämme an Bifidobakterien.

Gut zu wissen: Was ist ein Synbiotikum?

Ein Synbiotikum besteht aus der Kombination eines Probiotikums mit einem Präbiotikum und soll eine synergistische Wirkung auslösen.

Fortschritt in der Zahnheilkunde: Prophylaxe mit Probiotika

Auch wenn es derzeit noch keine allgemeine Empfehlung für den Einsatz von Probiotika bei Infektionskrankheiten in der Mundhöhle gibt, konnten erste Daten einen positiven Nutzen von Probiotika zur Vermeidung von Karies bei Kindern aufzeigen. 

Speziell genannt werden hierbei Lactobazillus rhamnosus und Lactobazillus reuteri. Weiterhin scheint der Einsatz von bestimmten Probiotika auch bei Parodontitis und Mundgeruch sinnvoll zu sein.

Studienlage zum Einsatz von Probiotika häufig zu dünn

In vielen anderen Leitlinien, beispielsweise zur Behandlung von Morbus Crohn, atopischem Ekzem oder Divertikulose, wird lediglich auf die eventuell positiven Effekte von Probiotika hingewiesen, allerdings wird keine evidenzbasierte Empfehlung ausgesprochen. Meist liegt es nicht an negativen Studienergebnissen, sondern an der unzureichenden Datenlage. Eine individuelle Einschätzung zum Einsatz von Probiotika kann deshalb auch in verschiedenen Einzelfällen in Erwägung gezogen werden.

Bei der Behandlung von Neurodermitis wird beispielsweise empfohlen, die Studien gezielt an größeren Kollektiven durchzuführen, um die Datenlage zu verbessern. Die unterschiedlichen Dosierungen und die Verwendung von verschiedenen Bakterienstämmen erschweren die Beurteilung der Ergebnisse zusätzlich. 

Bislang findet man in den Leitlinien keine genauen Angaben zu konkreten Produkten, Applikationsformen oder Einnahmezeitpunkten, sondern nur zu möglichen guten Erfolgen bei der Therapie mit einzelnen Bakterienstämmen oder Kombinationspräparaten. Quellen:
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/021-019l_S2k_Chronische_Obstipation_2022-11.pdf
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/082-005l_S1_Diagnose-Therapie-Candida-Infektionen_2020-09.pdf
- https://www.ptaheute.de/aktuelles/2025/01/23/pilze-im-darm-wann-sollten-sie-behandelt-werden
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30729452/
- https://register.awmf.org/de/suche#keywords=Probiotika&sorting=relevance
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/080-008l_S2k_COVID-19-und-Frueh-Rehabilitation_2024-01.pdf
 

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