Darmgesundheit
In den vergangenen Jahren rückten der Darm und seine Bewohner (Mikrobiota) immer mehr in den Fokus der Wissenschaft. Ob für ein intaktes Immunsystem, zum Schutz vor psychischen Erkrankungen oder krankhaften Veränderungen der Haut – der Darm scheint an vielen Prozessen beteiligt zu sein. In diesem Modul von Wissen am HV erfahren Sie, wie eine gesunde Darmflora aufrechterhalten werden kann und für wen sich Prä- bzw. Probiotika eignen. 
Titelbild: sewcream / AdobeStock
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Was sind Postbiotika und welchen Nutzen haben sie?

Frau schüttet sich hellblaue Kapsel aus einer weißen Dose in die Hand

Postbiotika sind im Gegensatz zu Pro- und Präbiotika im Apothekenalltag noch relativ neu. Es handelt sich dabei um Zubereitungen aus nicht mehr lebensfähigen Mikroorganismen und deren Stoffwechselprodukten, die einen gesundheitlichen Nutzen für den Menschen haben. 

Postbiotika ermöglichen es, dass auch das große Potenzial von Bakterien, die normalerweise nicht außerhalb des Körpers lebensfähig sind, genutzt werden kann.

Postbiotika enthalten nützliche Stoffwechselprodukte von Bakterien

Viele Darmbakterien haben einen positiven Nutzen für die Gesundheit des Menschen. Dies liegt einerseits an den Eigenschaften des Bakteriums selbst, andererseits an den Stoffwechselprodukten, die es produziert. Darmbakterien, die strikt anaerob leben, also bei Kontakt mit Sauerstoff absterben, können nicht in Probiotika verarbeitet werden.  

Um sich die positiven Eigenschaften dennoch zu Nutze zu machen, wird versucht, die Mikroorganismen außerhalb des Körpers unter anaeroben Verhältnissen zu vermehren. In diesem Prozess bilden die Bakterien eine große Menge verschiedener Stoffwechselprodukte wie 

  • kurzkettige Fettsäuren,
  • spezielle Proteine und Aminosäuren,
  • Enzyme oder
  • Milchsäure,

die individuelle gesundheitsfördernde Eigenschaften aufweisen. 

Es gibt Postbiotika, in denen liegen ausschließlich die wünschenswerten Stoffwechselprodukte vor. Die inaktivierten Bakterien wurden zuvor beispielsweise durch Filtration entfernt. Andere Produkte enthalten beides zusammen, da mit den Zellbestandteilen der Bakterien zusätzlich positive Effekte einhergehen.

Herstellungsverfahren von Postbiotika

Unter standardisierten Bedingungen wird ein speziell ausgewählter Bakterienstamm, beispielsweise durch Fermentation, vermehrt. 

In diesem Intervall produzieren die Mikroorganismen eine große Anzahl charakteristischer Stoffwechselprodukte, bevor sie schließlich zu einem gewissen Zeitpunkt durch Hitze oder Enzyme inaktiviert werden. 

Im Anschluss werden die Zellbestandteile, Membranfragmente und Stoffwechselprodukte zu einem Postbiotikum verarbeitet.

Gut zu wissen: Kann ein Probiotikum zu einem Postbiotikum werden?

Auch wenn es sich bei Postbiotika um nicht mehr lebensfähige Bakterien handelt, muss deren Einsatz immer mit einem gesundheitsfördernden Effekt einhergehen. 

Es ist deshalb falsch anzunehmen, dass ein Probiotikum nach Ablauf der Haltbarkeit automatisch zu einem Postbiotikum wird. 

Hier kommt es darauf an, ob die nun inaktiven Bakterien immer noch einen positiven Nutzen für den Menschen haben oder nicht.

Postbiotika: nebenwirkungsarm und gut verträglich

Aktuelle Studien zeigen, dass Postbiotika ein sehr günstiges Sicherheitsprofil aufweisen. Da sie keine lebenden Mikroorganismen enthalten, können auch immunsupprimierte Menschen darauf zurückgreifen. Außerdem sind die Produkte meist über einen längeren Zeitraum hinweg stabil und müssen in der Regel nicht gekühlt gelagert werden.  

Häufig zeigt sich eine Wirkung relativ schnell, da die aktiven Komponenten und Stoffwechselprodukte in hoher Menge direkt im Produkt enthalten sind. Im Gegensatz dazu müssen die meisten Probiotika längerfristig eingenommen werden, da die positiven Effekte erst nach der Ansiedlung der enthaltenen Bakterien im Darm zum Tragen kommen.

Gesunde Darmschleimhaut durch Postbiotika

Mittlerweile sind verschiedene gut untersuchte Produkte mit postbiotischen Inhaltsstoffen in den deutschen Apotheken erhältlich.

Beispielsweise enthält Colibiogen® ausschließlich Stoffwechselprodukte des Escherichia coli Stamms Laves 1931, die durch Fermentation und Abfiltration der inaktivierten Bakterien gewonnen werden. Es wird zur Gesunderhaltung einer normalen Darmschleimhaut eingesetzt.

Pro-Symbioflor® Immun besteht aus Zell- und Membranbestandteilen sowie Stoffwechselprodukten der beiden Bakterienstämme Enterococcus faecalis DSM 16440 und Escherichia coli DSM 17252 und wird zur Unterstützung des Immunsystems eingesetzt.  

In ProBio-Cult® AKK1 von Klosterfrau sind 30 Milliarden pasteurisierte Zellen von Akkermansia muciniphila enthalten, ein anaerobes Bakterium, welches natürlicherweise in der Darmschleimhaut vorkommt und aktiv an der Produktion von Schleimstoffen beteiligt ist. 

Das Nahrungsergänzungsmittel wird zur Aufrechterhaltung einer gesunden Darmschleimhaut und zur Darmpflege bei Erwachsenen empfohlen, ist gut verträglich und sollte einmal täglich eingenommen werden.  

Auch einige Kosmetika enthalten postbiotische Inhaltsstoffe, die sich positiv auf das Hautmikrobiom auswirken sollen. In der GSE INTIMO CREMA von Prodeco Pharma sind neben zahlreichen pflanzlichen Inhaltsstoffen auch inaktivierte Bakterienbestandteile von Laktobazillen, Bifidobakterien und Saccharomyces enthalten.

Postbiotika: Weiterer Forschungsbedarf notwendig

Die Untersuchung von inaktivierten Bakterien und deren gesundheitlichen Nutzen für den menschlichen Körper ist noch nicht abgeschlossen. Diese umfasst die Charakterisierung weiterer relevanter Stämme, die Auswahl geeigneter Herstellungsverfahren und die Verarbeitung in Produkten.  

Auch interessant ist eine Erforschung, ob bestimmte probiotische Bakterien in Form von Postbiotika ebenfalls Effekte erzielen. In einer Studie wurde beispielsweise untersucht, ob sich hitzeinaktiviertes Bifidobacterium bifidum MIMBb75 in inaktivierter Form positiv auf bestimmte Symptome des Reizdarmsyndroms auswirkt. Der wärmebehandelte Stamm konnte die untersuchten Beschwerden deutlich lindern, was darauf hindeutet, dass nicht ausschließlich die Lebensfähigkeit der Bakterien für die Wirkung verantwortlich sein könnte. Literatur:
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9027423/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32277872/
 

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