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Ein Piks, der Leben rettet – Impfungen

Bild: Natali_Mis – iStockphoto.com

Bakterien, Viren, Parasiten: Den größten Teil ihrer Geschichte war die Menschheit diesen gefährlichen Erregern schutzlos ausgeliefert. Gegen Pest, Pocken und Diphtherie schien kein Kraut gewachsen. Starb vor rund 200 Jahren noch mindestens ein Viertel derjenigen, die sich mit Pocken infiziert hatten, und mussten vor gar nicht so langer Zeit Tausende Kranke wegen Spätschäden einer Kinderlähmung (Polio) künstlich beatmet werden, so gelten die Pocken seit 1980 laut WHO weltweit als ausgerottet, die Kinderlähmung immerhin in Europa und auf dem amerikanischen Kontinent. Dass wir heute relativ geschützt vor diesen gefährlichen Krankheiten leben können, verdanken wir – neben der Entwicklung antibiotisch wirksamer Substanzen und dem Zugang zu sauberem Wasser – der Möglichkeit, uns impfen zu lassen. Doch was ist Impfung überhaupt?

Impfung

Impfungen dienen der Vorbeugung von Infektionskrankheiten wie Masern, Mumps und Röteln oder Tropenkrankheiten wie Gelbfieber und Japanische Enzephalitis. Man spricht auch von Vakzination (lt. vacca = Kuh, in Anlehnung an Dr. Jenners Kuhpocken-Experiment) oder Immunisierung. Geimpft wird entweder parenteral als Injektion (i.m., s.c.), oral (Schluckimpfung) oder nasal (über die Nasenschleimhaut). Zu unterscheiden ist zwischen aktiver und passiver Immunisierung. Die meisten aktiven Impfungen werden intramuskulär in den Oberarm, in den Musculus deltoideus, verabreicht, passive Impfungen auch in den Gesäßmuskel, den Musculus glutaeus maximus.

Aktive Impfung

Bei der aktiven Immunisierung, der „klassischen“ Impfung, wird das Immunsystem mit Antigenen konfrontiert, damit es „aktiv“ Antikörper gegen diese entwickelt. Ziel ist der Aufbau eines langfristigen Schutzes. Zum Einsatz kommen entweder Lebendimpfstoffe, die stark abgeschwächte Erreger enthalten, oder Totimpfstoffe mit nicht mehr vermehrungsfähigen bakteriellen oder viralen Antigenen. Dem Körper wird auf diese Weise eine Infektion vorgetäuscht, auf die er mit der Bildung von Antikörpern und sogenannten Gedächtniszellen reagiert. Kommt ein Erreger erneut in Kontakt mit dem Immunsystem, erkennen diese Gedächtniszellen die Antigene und forcieren die sofortige Bildung entsprechender Antikörper. Für den Aufbau eines Impfschutzes sind in der Regel mehrere Teilimpfungen nötig. Man spricht hierbei von einer Grundimmunisierung. Die einzelnen Zeitpunkte, zu denen geimpft werden muss, sind im sogenannten Impfschema enthalten, das die STIKO entwickelt hat. Die meisten Impfungen müssen in regelmäßigen Abständen aufgefrischt werden, auch im Erwachsenenalter, sie dienen sozusagen einer „Erinnerung“ des Immunsystems und halten den Impfschutz aufrecht. Nachteil der aktiven Impfung ist, dass die Antikörper erst über einige Wochen hinweg gebildet werden müssen und dem Organismus nicht sofort zur Verfügung stehen. Das Gegenstück der aktiven ist die passive Immunisierung.

Passive Impfung

Kommt es zu einem Kontakt mit einem Erreger, gegen den kein aktueller Impfschutz besteht, gibt es die Möglichkeit, ein Immunserum zu injizieren, das in hoher Konzentration Antikörper enthält. Diese binden an die Antigene des entsprechenden Erregers, was einen sofortigen, allerdings keinen dauerhaften Schutz (nur rund drei Monate) bewirkt, da die Antikörper die Ausbildung von Gedächtniszellen nicht anregen können. Eingeführt wurde die passive Immunisierung von Emil von Behring, der aus Pferdeblut isolierte Antikörper zur Behandlung der Diphtherie verwendete (1890).

Auch in Muttermilch befinden sich Antikörper (z. B. Immunglobulin A). Neugeborene erhalten so in ihren ersten Lebenswochen eine natürliche passive Immunisierung. Diese ist zusammen mit Antikörpern, die die Schwangere durch Infektionen oder Impfungen erworben und über die Plazenta an das Ungeborene weitergegeben hat, für den Säugling mit seinem noch „unerfahrenen“ Immunsystem von höchster Bedeutung („Nestschutz“).

Indikationen für Impfungen

Zwar besteht in Deutschland derzeit – noch – keine Impfpflicht, jedoch werden von der STIKO jährlich neu aktualisierte Impfempfehlungen gegeben, die bereits ab dem Säuglingsalter gelten. Sie enthalten präzise Informationen, wann genau welche Impfungen angeraten sind, wie es mit Kombinationsimpfstoffen aussieht oder wann eine Auffrischung erfolgen sollte. Zu den Personengruppen, die unbedingt geimpft werden sollten, gehören Reisende, die sich in Gebieten mit hoher Prävalenz aufhalten (FSME, Tollwut, Gelbfieber etc.), medizinisches Personal (HAV, MMR, Influenza u. a.) und besonders gefährdete Teile der Bevölkerung wie Personen > 60 Jahre (Influenza), Dialysepatienten und Hämophile (HAV, HBV), Jäger und Forstarbeiter (Tollwut) oder seronegative Frauen mit Kinderwunsch (Röteln, Varizellen).

Eine sogenannte Riegelungsimpfung dient der Postexpositionsprophylaxe. Sie soll eine Herdenimmunität bewirken und die Ausbreitung eines lokalen Krankheitsausbruchs bekämpfen. Apropos Herdenimmunität: Natürlich dienen Impfungen in erster Linie dazu, sich selbst zu schützen. Was aber ist mit Menschen, die sich nicht impfen lassen können, weil sie z. B. akut erkrankt sind? Sie sind darauf angewiesen, dass ihr Umfeld geimpft ist und ihnen Schutz vor Ansteckung bietet, dass die „Herde“, in der sie leben, funktioniert. Der eigene Impfschutz trägt also immer auch gleichzeitig zum Schutz der Gemeinschaft bei. Auch zum Thema Kontraindikationen nimmt die STIKO Stellung – und das sind weniger als gedacht. Zu ihnen zählen akut behandlungsbedürftige Erkrankungen, Lebendimpfstoffe bei Immunmangelkrankheiten (HIV, Tumorpatienten, Transplantierte) oder in der Gravidität oder unerwünschte Nebenwirkungen bzw. Allergien bei Erstkontakt mit dem entsprechenden Impfstoff. Bei einem banalen Infekt (T < 38,8°C), bei Allergien im Allgemeinen, Antibiotikatherapie, Dermatosen oder chronischen ZNS-Erkrankungen darf geimpft werden.

Impfreaktion …

Alle Impfstoffe werden vor ihrer Zulassung in aufwendigen Studien geprüft – in Bezug auf ihre Wirksamkeit, aber auch in puncto Verträglichkeit. In der Regel verlaufen Impfungen komplikationslos, die Beschwerden sind, wenn überhaupt wahrgenommen, sehr gering. Leichtes Fieber, Schmerzen an der Einstichstelle, eventuell verbunden mit einer leichten Rötung oder Schwellung, Abgeschlagenheit oder Kopf- und Gliederschmerzen sind also kein Grund zur Panik, sondern einfach nur ein Zeichen dafür, dass sich der Körper mit dem Erreger auseinandersetzt. Diese sogenannten Impfreaktionen sind harmlos und verschwinden in der Regel innerhalb weniger Tage. In einigen wenigen Fällen reagiert der Körper jedoch extrem stark auf den Erreger-Kontakt.

… oder doch Impfkomplikation?

Symptome, die über das normale Maß einer Impfreaktion hinausgehen, werden als Impfkomplikationen bezeichnet. Manchmal findet man dafür in der Literatur auch das Wort „Impfschaden“. Von einem solchen sollte man aber nur dann sprechen, wenn aus einer Impfkomplikation eine dauerhafte Schädigung hervorgeht. Lebendimpfstoffe können in seltenen Fällen zum Ausbruch der Krankheit führen. Bekanntestes Beispiel: die sogenannten Impfmasern, die bei rund fünf Prozent der Geimpften auftreten können und in ihrem Erscheinungsbild den „echten“ Masern ähneln, aber einen deutlich milderen Verlauf zeigen. In sehr seltenen Fällen (1 bis 10 Fälle auf 1 Million Impfungen laut RKI) kann es zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock kommen.

Weitere mögliche Impfkomplikationen sind Hautreaktionen (Exantheme, Urtikaria, Purpura), Fieber und Fieberkrämpfe, kollapsähnliche Reaktionen bei Säuglingen und Kleinkindern (sog. hypotone hyporesponsive Episoden, HHE) oder Enzephalitiden bzw. Meningitiden. Bei Letzteren ist eine infektiöse Ursache allerdings deutlich wahrscheinlicher als eine Impfkomplikation, eine differenzialdiagnostische Untersuchung also notwendig. Impfkomplikationen muss der Arzt dem Gesundheitsamt melden, dieses leitet sie an die zuständige Landesbehörde und das Paul-Ehrlich-Institut weiter (nach § 11 Abs. 3 IfSG). Bei einem anerkannten Impfschaden hat der Betroffene Anspruch auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz.

Wie gefährlich sind Adjuvanzien?

Können Impfungen also tatsächlich krank machen? Ja!, sagen die Impfgegner. Einen eigentlich gesunden Menschen bewusst einem infektiösen Agens auszusetzen – unverantwortlich! Körperverletzung! Verantwortlich für überschießende Impfreaktionen machen Impfgegner dafür in erster Linie die Adjuvanzien. Diese Adjuvanzien (von lat. adiuvare = helfen, unterstützen) sind – der Name sagt es – Hilfsstoffe, die einem Impfstoff zugefügt werden, um dessen antigene Wirkung zu verstärken. Die reinen Antigene wären nicht ausreichend immunogen. Die meisten Impfstoffe enthalten Aluminiumverbindungen (z. B. Aluminiumhydroxid oder Aluminiumphosphat), andere O / W-Emulsionen mit z. B. Squalen oder Polysorbat 80. Das Adjuvans erfüllt dabei zwei Aufgaben: Zum einen verlängert es die Expositionszeit des Antigens vor Ort und verhindert dessen schnelle Diffusion, sprich: Verdünnung. Zum anderen setzt es einen lokalen Reiz an der Einstichstelle, der das Immunsystem aktiviert. Für die spezifische Immunantwort ist also das Antigen, für ihre Stärke im Wesentlichen das Adjuvans verantwortlich. Dass Adjuvanzien, wie von Impfgegnern immer wieder angeführt, zu Impfschäden führen können wie motorischen Störungen (Aluminiumhydroxid), anaphylaktischem Schock (Polysorbat) und Arthritis oder dem sogenannten Golfkriegssyndrom (diffuses Krankheitsbild mit Muskel- und Kopfschmerzen, chronischer Müdigkeit und Depressionen; Squalen), scheint aber nach wissenschaftlicher Datenlage nicht bewiesen.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Sie wissen nicht mehr, wie lange Ihre letzte Tetanus-Impfung zurückliegt? Das ist im Impfpass dokumentiert. Nehmen Sie ihn mit zum Arzt und besprechen Sie das weitere Vorgehen. Er wird Ihnen auch sagen können, ob eventuell noch andere Auffrischimpfungen notwendig sind.“
  • „Dass sich Ihre Tochter nach der Impfung schlapp fühlt und leichtes Fieber hat, ist ganz normal. Werden die Beschwerden stärker, gehen Sie bitte mit ihr zum Arzt.“
  • „Sie wollen im Sommer nach Asien reisen? Informieren Sie sich bitte beim Arzt, ob dafür zusätzliche Impfungen nötig sind.“
  • „Ihr Vater ist schon über 70? Dann sollte er sich gegen Influenza impfen lassen.“
  • „Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass Impfungen Krebs oder Autismus hervorrufen können. Neueste Studien belegen, dass es dafür keine nachgewiesenen Anhaltspunkte gibt.“

Impfmüdigkeit

Auch wenn die Erfolge von Impfungen unbestritten sind, nimmt die Impfmüdigkeit zu. Mittlerweile gibt es große Impflücken, weil etwa Auffrischimpfungen bewusst oder aus Nachlässigkeit nicht wahrgenommen werden. Sinkt die Durchimpfungsrate unter die für den Herdenschutz notwendige Schwelle, kann es, besonders für die Jüngsten und Ältesten in unserer Gesellschaft, gefährlich werden. Eine Ursache für die zunehmende Impfmüdigkeit liegt darin, dass viele Krankheiten – eben aufgrund von Impfungen, und darin liegt das Paradoxon – ihren Schrecken verloren haben, kennt sie doch kaum jemand mehr aus eigener Anschauung. Laut RKI sind rund drei bis fünf Prozent der deutschen Bevölkerung gegen das Impfen. Ihre Argumente? Da wäre z. B., wie schon oben erwähnt, die Angst vor überschießenden Impfreaktionen bzw. Impfschäden. Führen Impfungen zu Allergien? Zu Autismus? Gar zu Krebs? Es sind diffuse Ängste, oft von zweifelhaften oder gefälschten Studien gestützt, wie etwa beim Beispiel Autismus, die Impfgegner umtreiben. Vermeintlich hohe Risiken versus ungesicherte Erfolge. Ängste, die auch nachvollziehbar sind. Schließlich geht es um nicht weniger als die eigene Sicherheit und die der Kinder. Dennoch: Die Datenlage ist eindeutig. Impfstoffe verhindern jedes Jahr Millionen von Todesfällen. Auch das Argument, hinter all dem stünden wirtschaftliche Interessen der Pharmaindustrie, lässt sich leicht entkräften. Beispiel Hepatitis B: Kostet eine Impfung pro Gabe rund 50 bis 100 Euro, so würde eine medikamentöse Therapie dieser Krankheit mit etwa 1.000 Euro monatlich zu Buche schlagen. Es gilt also – nach wie vor: Eine Impfung ist die effektivste und kostengünstigste Präventivmaßnahme, die unser Gesundheitssystem zu bieten hat.

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei der aktiven Impfung werden Antigene gegeben, gegen die das Immunsystem Antikörper entwickelt.
  • Bei akuter Gefahr sich mit einem Erreger zu infi zieren, gegen den kein Impfschutz besteht, werden direkt Antikörper injiziert. Dies bezeichnet man als passive Immunisierung.
  • Die STIKO gibt jährlich neu aktualisierte Impfempfehlungen heraus.
    Impfreaktionen können sich beispielsweise als Fieber, Abgeschlagenheit oder als Kopf- und Gliederschmerzen äußern.
  • Impfkomplikationen gehen über das normale Maß einer Impfreaktion hinaus. Sie sind meldepflichtig.
  • Adjuvanzien wie etwa Aluminiumverbindungen verstärken die Immunantwort.
  • Schon heute gibt es große Impflücken, die auf eine zunehmende Impfmüdigkeit der Bevölkerung zurückzuführen sind.