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Polio: Das Wichtigste über die Impfung gegen Kinderlähmung

Die Poliomyelitis – auch Kinderlähmung oder kurz Polio – verbreitete bis vor wenigen Jahrzehnten Angst und Schrecken. Heute leiden immer noch Zehntausende Menschen in Deutschland an den Folgen der Virusinfektion.
Im Jahr 1988 startete die WHO eine globale Initiative zur Ausrottung von Polio – mit großem Erfolg. „Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam“: So lautete der frühere Slogan, der die groß angelegte Polio-Impfkampagne begleitete.
Ab den 1960er-Jahren wurde auf einem Stückchen Zucker der Polio-Impfstoff verabreicht. Da diese orale Lebendvakzine aber in seltenen Fällen zu Lähmungen führte, wird mittlerweile die inaktivierte Poliovakzine (IPV) als Injektion verabreicht.
Polio-Virus-Einschleppung möglich
Bevor die WHO vor fast vier Jahrzehnten das Polio-Impfprogramm einführte, erkrankten weltweit mehr als 1.000 Kinder pro Tag an Polio. Im gesamten Jahr 2016 wurden dagegen weltweit nur noch 37 Polio-Erkrankungen registriert.
Während Polio-Wildviren vom Typ 2 und 3 weltweit ausgerottet sind, kommt Typ 1 noch in Afghanistan und Pakistan vor. Durch globale Reise- und Fluchtbewegungen ist deshalb eine Einschleppung in andere Länder möglich.
Hinzu kam in jüngster Zeit die Einschleppung eines impfstoffbasierten Polio-Virus Typ 2, also für die Impfung abgeschwächte lebende Polio-Erreger. Diese wurden mittlerweile an Abwassermesspunkten in Deutschland, Finnland, Großbritannien, Polen und Spanien entdeckt, und es muss von einer weiteren Verbreitung in Europa ausgegangen werden.
Das Robert Koch-Institut vermutet, dass die impfstoffbasierten Erreger aus Ländern stammen, in denen noch Lebendimpfstoffe per Schluckimpfung verabreicht werden, darunter verschiedene afrikanische und asiatische Staaten.
Die Polio-Impfung bleibt deshalb wichtig und sollte laut Ständiger Impfkommission (STIKO) bis zum Alter von einem Jahr abgeschlossen sein.
Polio-Infektionen verlaufen harmlos bis dramatisch
In den meisten Fällen verläuft eine Polio-Erkrankung so harmlos wie ein grippaler Infekt. Jeder Infizierte kann dennoch über mehrere Wochen Polio-Viren mit dem Stuhl ausscheiden.
Das Virus wird vor allem fäkal-oral per Schmierinfektion übertragen, daneben auch über Tröpfcheninfektion. Die Inkubationszeit beträgt 3 bis 35 Tage.
Dramatisch wird die Erkrankung in den Fällen, wenn Viren das zentrale Nervensystem befallen. Dann können Rückenmarkszellen zerstört werden und dadurch die gefürchteten bleibenden Lähmungen an Gliedmaßen oder Rumpf eintreten.
Eine häufige Spätfolge der Kinderlähmung ist das Post-Polio-Syndrom: Jahrzehnte nach der akuten Erkrankung kommt es zu Muskelschwund, Lähmungen, Atemproblemen und anderen schwerwiegenden Krankheitserscheinungen.
Polio-Impfschutz nach wie vor wichtig
Die Polio-Impfung wird heute mit einer inaktivierten Polio-Vakzine (IPV) durchgeführt. Jeder sollte einen vollständigen Polio-Impfschutz haben. Wer nicht komplett grundimmunisiert wurde oder später keine Auffrischimpfung erhalten hat, sollte fehlende Impfungen nachholen.
Für die Impfung stehen zum einen Einzelimpfstoffe zur Verfügung (Imovax Polio, IPV Merieux, Poliovaccine AJV). Es kann aber auch mit Fünffachimpfstoffen zusätzlich gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Haemophilus influenzae Typ b geimpft werden (Infanrix-IPV+Hib, Pentavac, Pentaxim).
Sechsfach-Kombinationsimpfstoffe schützen darüber hinaus noch vor Hepatitis B (Hexacima, Hexyon, Infanrix hexa, Vaxelis). Sie werden üblicherweise im Rahmen der Grundimmunisierung im Säuglings-/Kleinkindalter verwendet.
Außerdem gibt es Polio-Impfstoffe für die Auffrischimpfung ab dem Kindesalter (Boostrix Polio, Repevax, Revaxis).
Die Impfstoffe sind meist gut verträglich. Neben lokalen Impfreaktionen können Fieber, Magen-Darm-Beschwerden sowie Kopf- und Gliederschmerzen auftreten. Nur in Einzelfällen kommt es zu Fieberkrämpfen.
STIKO-Impfempfehlungen
Standardimpfempfehlung:
- alle Kleinkinder ab 2 Monaten
- alle Personen mit fehlendem oder unvollständigem Impfschutz
Indikationsimpfempfehlung:
- Reisende in Regionen mit Infektionsrisiko durch Wild-Polio-Virusstämme oder durch einen mutierten Impfvirusstamm. Dazu die aktuelle epidemische Situation beachten, insbesondere die Meldungen der Weltgesundheitsorganisation.
- Flüchtlinge und Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften, die aus Regionen mit Polio-Risiko einreisen
- Personal in diesen Einrichtungen
- medizinisches Personal, das mit Polio-Viren in Kontakt kommen könnte
Polio-Impfschema
Zur Grundimmunisierung empfiehlt die STIKO seit 2020 das 2+1-Impfschema mit Teilimpfungen im Alter von 2, 4 und 11 Monaten. (Fehlende Impfungen sollten später nachgeholt werden.)
Bei Frühgeborenen (Geburt vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche) kommt eine zusätzliche Dosis im Alter von 3 Monaten hinzu.
Als vollständig immunisiert gelten Personen, die im Säuglings- und Kleinkindalter eine vollständige Grundimmunisierung und mit 9 bis 16 Jahren eine Auffrischimpfung erhalten haben beziehungsweise Erwachsene, die zu einem späteren Zeitpunkt grundimmunisiert wurden und 10 Jahre nach Abschluss der Grundimmunisierung eine Auffrischimpfung erhalten haben.
Für das Nachholen kann ein Einzelimpfstoff oder, bei etwaigen weiteren Impflücken, ein Fünf- oder Sechsfachimpfstoff verwendet werden.