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Falsch dosiert: Wenn die Dosisangabe auf der Verpackung für Verwirrung sorgt

Bild: spukkato - iStockphoto.com

Überdosierungen, Nichteinhalten der vorgegebenen Dosierungsschemata und Unterdosierungen – das sind die am häufigsten gemeldeten Medikationsfehler. Seit 2012 analysiert das BfArM Berichte über Medikationsfehler, auch wenn diese nicht zu Nebenwirkungen geführt haben. Demnach werden auch häufig Arzneimittel mit ähnlicher Aufmachung (sogenannte Look-alikes) verwechselt.
Um solchen Fehlern vorzubeugen, will das BfArM gemeinsam mit den Zulassungsinhabern auch formal nicht zu beanstandende Kennzeichnungen optimieren. Die Praxis zeige, dass eindeutigere Angaben und Aufmachungen notwendig sind, heißt es in der März-Ausgabe des „Bulletins zur Arzneimittelsicherheit“.

Prozentangaben verwirren Ärzte

In einem Fall wurde eine 79-jährige Patientin aus dem Krankenhaus entlassen. Sie sollte dauerhaft mit 20 mg Flupentixoldecanoat gegen chronische schizophrene Psychosen behandelt werden. Dem Hausarzt wurde in seiner Verschreibungssoftware als erstes Fluanxol® Depot 10 % aufgeführt, welches er der Patientin verordnete. Anschließend erhielt die Patientin dreimal den gesamten Inhalt der Fluanxol®-Ampullen. Dies entsprach jedoch je 100 mg Flupentixoldecanoat, statt 20 mg. Ein Fehler der nicht passieren dürfte? Ein Beispiel zeigt, dass die Angaben zur Stärke durchaus verwirrend sein können:

  • Fluanxol® Depot 2 % 0,5 ml
  • Fluanxol® Depot 2 % 1 ml
  • Fluanxol® Depot 2 % Durchstechflasche

Welches der drei genannten Arzneimittel würden Sie auf die Schnelle abgeben? Welche Hinweise würden Sie dem Patienten geben? Die Angabe Fluanxol® Depot 2% auf einem Rezept ist hier nicht eindeutig, weil die unterschiedlichen Füllmengen zu unterschiedlichen Gesamtinhalten an Wirkstoff im Behältnis führen: 10 mg Flupentixoldecanoat im ersten Präparat, 20 mg im zweiten und 200 mg im dritten.

Das BfArM hat in diesem Zusammenhang die AkdÄ befragt und herausgefunden, dass Prozentangaben von Ärzten nicht als hilfreich, sondern eher als verwirrend empfunden werden. Fehlerhafte Verordnungen würden – wie im Beispiel – dadurch begünstigt. Stattdessen sollte in den Namen von Arzneimitteln als Injektionslösung (oder in flüssiger oraler Darreichungsform) der Wirkstoffgehalt in mg/ml aufgenommen werden (z.B. Fluanxol® Depot 100 mg/ml). Auf den gesamten Packmitteln (=Faltschachtel sowie Beschriftungen der Spritzen [Durchstechflaschen sowie Ampullen]) befinden sich bereits sowohl Angaben in Prozent als auch in mg/ml. Eine veränderte Darstellung der Stärkeangabe in der Roten Liste und in der ärztlichen Verordnungssoftware soll in Zukunft weiteren Irrtümern entgegenwirken.

Verwechslungsgefahr bei Nurofen®

Ein weiterer Fall beschreibt, dass Nurofen® Saft 4 % und Nurofen® Saft 2 % leicht verwechselt werden können – Grund ist das ähnliche Packungsdesign. Jedoch wurde auch in diesem Zusammenhang davon berichtet, dass Umrechnungen von Prozentangaben in Konzentrationsangaben (mg/ml) sehr fehleranfällig sind. Das BfArM hat Kontakt zu allen Zulassungsinhabern aufgenommen, die die Stärke ihrer ibuprofenhaltigen Säfte in Prozent angeben. Fast alle der Angeschriebenen hätten sich bereit erklärt, eigenverantwortlich die Prozentangaben gegen eine Mengenangabe pro ml (20 mg/ml bzw. 40 mg/ ml) auszutauschen.

Fünf Milliliter Saft sind nicht fünf Milliliter Tropfen

Fünf Milliliter morgens, mittags und abends. Eine klare Dosieranweisung? Ein Bericht aus der Universitätsklinik Köln zeigt: nein. Bei der Aufnahme in die pädiatrische Abteilung eines Krankenhauses wurde ein Kind, das zuvor ambulant Orfiril® Saft verordnet bekommen hatte, durch eine Pflegekraft auf Ergenyl® Tropfen umgestellt. Der aufnehmdene Stationsarzt hatte die bisherige Verordnung mit „Orfiril® Saft 5 ml–5 ml–5ml“ angegeben. Die Pflegekraft stellte die Mediaktion volumengleich auf Ergenyl® Tropfen um. Dadurch wurde die Menge an verabreichter Valproinsäure verfünffacht (dreimal 1500 mg)! Denn fünf Milliliter Saft entsprechen 300 mg Valproat, während ein Milliliter Tropfen ebenfalls bereits 300 mg Valproat enthält. Das BfArM betont mit diesem Fall, wie wichtig eine vollständige und sichere Verordnung ist: Präparat und Wirkstoff, Konzentration und die Dosierung einschließlich der Darreichungsform. 
Das BfArM konnte auch in diesem Fall die pharmazeutischen Unternehmer zur eigenverantwortlichen Änderung der Stärkeangaben bewegen (in Milligramm pro Milliliter).

Ein Beispiel aus der Apotheke: Methotrexat-Fertigspritzen

Ein Apotheker meldete dem BfArM einen beinahe erfolgten Irrtum, der einigen Apothekenmitarbeitern bekannt sein dürfte: Bei vielen Methotrexat-Fertigspritzen unterschiedlicher Zulassungsinhaber (in Wirkstoff und Darreichungsform identisch) wurden verwirrende Stärkeangaben verwendet. Als Beispiel listet das BfArM eine alte Apothekensoftware-Darstellung im „Bulletin zur Arzneimittelsicherheit“ auf:

  • Methotrexat 1A Pharma® 7,5 mg/ml Fertigspritzen (außer Vertrieb)
  • MTX Sandoz® 7,5 mg/ml Inj-L.Fertigsp. 25 mg/3,33 ml (außer Vertrieb)
  • Lantarel® FS 25 mg/ml Fertigspritzen (alte Bezeichnung)
  • Lantarel® FS 25 mg Fertigspritzen (alte Bezeichnung)
  • MTX HEXAL® 20 mg/ml Fertigspritze 25 mg
  • MTX Sandoz® 20 mg/ml Inj.L.Fertigspr. 25 mg/1,25 ml (außer Vertrieb)
  • MTX Medac® FS 25 mg 10 mg/ml Fertigspritzen (außer Vertrieb)
  • METEX® FS 25 mg 50 mg/ml Fertigspritzen

In diesem Fall ist eine Änderung der Bezeichnung jedoch nicht so einfach, weil die europäischen Bezüge der zugrunde liegenden Zulassungsverfahren berücksichtigt werden müssen. Lobend hebt das BfArM dabei die Originatorzulassungen von Lantarel® FS hervor, die eindeutige Stärkeangaben in der Arzneimittelbezeichnung aufweisen: Alle Präparate enthalten eine Konzentration von 25 mg/ml, während der Name die in der Spritze enthaltene Gesamtdosis erkennen lässt. Auch andere Generikazulassungen seien diesem Beispiel gefolgt, obwohl ihnen dadurch Mehrkosten durch die Pflege mehrerer Zulassungen entstehen.

Der Patient kennt den Unterschied zwischen Salz und Base nicht

In einem weiteren Fall, hatte sich ein Arzt über das Präparat Zinkorotat® 20 mg beschwert. Nach Überprüfung des BfArM bezogen sich bis auf zwei Ausnahmen die Stärkeangaben aller zugelassenen Arzneimittel mit dem Wirkstoff Zink auf den eigentlichen aktiven Wirkstoff. In den zwei genannten Ausnahmen jedoch auf das Salz. Das führe beim Anwender zu unnötigen Missverständnissen. Die Zulassungsinhaber werden deshalb eigenverantwortlich die Arzneimittelbezeichnung dem realen Wirkstoffgehalt anpassen.