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Sind alle Grippeimpfstoffe weg?

Einige Impfstoffhersteller melden Ausverkauf ihrer Influenzavakzine. PEI geht lediglich von regionaler Versorgungsknappheit aus. | Bild: weyo / Adobe Stock

Grippeimpfstoffe dürfen von den Impfstoffherstellern nur ausgeliefert werden, wenn das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) diese freigegeben hat. Pro Impfstoff-Charge schickt folglich der Grippeimpfstoffhersteller zehn Proben an das PEI. Befindet die Behörde die Vakzine für in Ordnung, kann die Auslieferung der kompletten Charge beginnen – zum Pharmagroßhandel, in die Apotheken oder Krankenhäuser beispielsweise. Bislang hat das Paul-Ehrlich-Institut 15,7 Millionen Impfdosen freigegeben, das dürfte der Großteil der insgesamt für Deutschland produzierten Grippeimpfstoffe sein. Zum Vergleich: In der letzten Grippesaison waren es insgesamt 17,9 Millionen Impfdosen gewesen. Jedoch produzieren die Impfstoffhersteller nicht für jede Saison die exakt gleiche Menge.

Wer entscheidet über die Grippeimpfstoffmenge?

Wie viel produziert wird, hängt sicherlich von der Menge an Influenzavakzinen ab, die im Vorjahr verkauft wurde beziehungsweise wie viele Dosen am Ende der Saison vernichtet werden mussten. Ebenso spielt der Umfang an Vorbestellungen von Ärzten und Apothekern eine Rolle. Zu guter Letzt wird auch berücksichtigt, wie schwer die Grippewelle des Vorjahres war und ob sich in der Folge mehr Menschen nun vor einer neuen Grippewelle schützen mögen. Wie viel Grippeimpfstoff produziert wird, dafür gibt es keine Regularien oder Vorgaben. Es ist allein Entscheidung der Grippeimpfstoffhersteller, wie viele Dosen Influenzavakzine sie herstellen.

Grippeimpfstoffe „ausverkauft“?

Nun geistern in den vergangenen Tagen Berichte durch die Medien, dass Grippeimpfstoffe ausverkauft seien. Wer sich impfen lassen wolle, müsse sich folglich beeilen. Was ist dran am Ausverkauf? Geht Deutschland bei Grippeimpfstoffen tatsächlich bereits auf dem Zahnfleisch – und zwar nur wenige Wochen nachdem die neue Grippesaison 2018/19 begonnen hat? Das ist schwer vorstellbar.

Die meisten Influenzaimpfstoffhersteller melden „Abverkauf“

Richtig ist, dass die meisten Impfstoffhersteller von Influenzavakzinen ihren Abverkauf gemeldet haben – das bedeutet: Der Grippeimpfstoff hat den Hof des pharmazeutischen Unternehmers verlassen. Allerdings heißt dies noch lange nicht, dass diese insgesamt 15,7 Millionen Impfdosen auch zwischenzeitlich alle im Muskel der Grippeimpfwilligen gelandet sind. Viel wahrscheinlicher ist, dass diese Influenzavakzine in den Kühlschränken von Pharmagroßhändlern, Apotheken und Arztpraxen lagern.

Abverkauft sind nach eigenen Angaben der Hersteller und offizieller Meldung an das Paul-Ehrlich-Institut: Influsplit® Tetra (Glaxo SmithKline, GSK), Vaxigrip® Tetra (Sanofi-Pasteur) und Fluenz® Tetra von AstraZeneca. Wobei bei Vaxigrip® Tetra der Abverkauf nur Vaxigrip® Tetra ohne Kanüle (1 Stück, 10 Stück, 20 Stück) betrifft. Auf Nachfrage bestätigt Sanofi, dass Vaxigrip® Tetra mit Kanüle (10 Stück) noch vorrätig ist und bestellt werden kann.

Influsplit® Tetra und Vaxigrip® Tetra sind zugelassen für Kinder ab einem Alter von sechs Monaten. Sie werden intramuskulär injiziert, Vaxigrip® Tetra kann zusätzlich auch subkutan verabreicht werden. Fluenz® Tetra ist ausschließlich für Kinder und Jugendliche indiziert. Der attenuierte (abgeschwächte) Lebendimpfstoff ist zugelassen im Alter zwischen zwei und 17 Jahren. Der Vorteil: Fluenz® Tetra muss nicht gespritzt werden, sondern wird nasal verabreicht.

Wer bislang noch keinen Abverkauf – auch keinen teilweisen – gemeldet hat, ist Mylan, der Hersteller von Influvac® Tetra. Mylan hat in diesem Jahr zum ersten Mal tetravalente Grippeimpfstoffe im Sortiment und hatte etwas für Unmut bei den hiesigen Grippeimpfstoffherstellern gesorgt: Als einziger Influenzaimpfstoffproduzent ging Mylan auf das Festpreismodell der AOK Nordost in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ein und erklärte sich bereit, sein Influvac® Tetra zu dem im Nordosten vereinbarten Preis zu liefern. Nach Aussagen des Großhandels (Oktober 2018) klappt dies allerdings nur mäßig gut. Die Liefersituation um Influvac® Tetra sei nicht zufriedenstellend, weder für den akuten Bedarf noch für Lagerware, heißt es aus der Branche.

Apotheken beklagen Grippeimpfstoffmangel

Diese Einschätzung teilen auch manche Apotheken und beklagen, keinen Grippeimpfstoff zu erhalten. Auch beim PEI gingen verstärkt Anfragen per Telefon und E-Mail ein, dass es keinen Grippeimpfstoff gebe. Allerdings nimmt das PEI keine (bundesweite) Knappheit an. Man habe den Eindruck, es handele sich um ein regionales Problem, erklärt die Behörde auf Nachfrage. Aus diesem Grund hat das Paul-Ehrlich-Institut in der vergangenen Woche die Angehörigen der Heilberufe und Patienten dazu aufgerufen, dem PEI zu melden, wenn sie Probleme bei der Beschaffung von Influenzavakzinen haben. Anhand der gesammelten Daten will das PEI sodann die Versorgungslage untersuchen.

Vorbestellungen bergen Risiken für Apotheken

Dass manche Apotheken problemlos mit Grippeimpfstoff versorgt sind, liegt nach Auskunft der Hersteller – unisono – an den erfolgten Vorbestellungen. So bestätigten sowohl GSK, Sanofi und Mylan jüngst, Apotheken, die Grippeimpfstoffe vorbestellt hätten – bei Sanofi Pasteur war dies bis Ende Juni 2018 möglich – bei der Belieferung zu priorisieren. GSK erklärte dazu im Oktober: „GSK beliefert derzeit zunächst Vorreservierungen und Vorbestellungen. Alle entgegengenommenen Aufträge können beliefert werden“.

Für Apotheken ist das eine zwiespältige Situation. Denn einerseits laufen sie Gefahr, ohne Vorbestellung von Grippeimpfstoffen hinten in der Versorgungskette anstehen zu müssen. Andererseits tragen Apotheken in der Konsequenz dann auch ein höheres Risiko: Sie finanzieren den Grippeimpfstoff vor und müssen Lagerkapazitäten im Kühlschrank bereithalten.

Welche Grippeimpfstoffe können noch bestellt werden?

Nach Auskunft von Sanofi hat das Unternehmen – siehe oben – noch Influsplit® Tetra mit Kanüle auf Lager. Auch Fluad® 2018/2019 von Seqirus ist noch über den Großhandel zu beziehen, zumindest leuchten bei Sanacorp grüne „Lieferbarkeits-Häkchen". Fluad® nimmt jedoch eine kleine Sonderstellung bei den Grippeimpfstoffen ein: Er ist erst ab einem Alter von 65 Jahren zugelassen, ausschließlich trivalent und adjuvantiert.

Adjuvanzien dienen bei Impfstoffen als Wirkverstärker, sodass die Immunantwort auf das Antigen forciert und die Antikörperbildung erhöht wird. „Im Vergleich zu nicht-adjuvantierten Grippeimpfstoffen wurden leichte Impfreaktionen bei Fluad®häufiger beobachtet“, schreibt die Fachinformation zu Fluad®. Allerdings hat man unter Fluad® – vor allem bei älteren Menschen mit schwachen Abwehrkräften oder chronischen Erkrankungen und damit einhergehendem höheren Komplikationsrisiko – auch eine stärkere Antikörperbildung festgestellt.

Dass ein Großteil der Impfstoffe im Oktober und beginnenden November bereits „verimpft“ wurde, wäre eigentlich wünschenswert. Denn das Robert-Koch-Institut empfiehlt die Monate Oktober und November als die richtigen Zeitpunkte für den Grippeschutz. Eine frühere oder spätere Grippeimpfung birgt die Gefahr, zum Hochpunkt der Grippewelle nicht optimal geschützt zu sein.