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Gereizt statt traurig – Depression bei Kindern

Verminderte Bewegungsfreude, introvertiertes Verhalten, auffallende Ängstlichkeit – das können Anzeichen für eine Depression bei Kindern sein. | Bild: Brian Jackson / Adobe Stock

Lange Zeit war man der Meinung, dass Kinder und Jugendliche noch nicht an einer Depression erkranken. Mittlerweile ist aber bekannt, dass die psychische Störung bei ihnen relativ häufig vorkommt. Sogar Kleinkinder können bereits Depressionen entwickeln.

Nicht so leicht zu erkennen

Oft wird eine Depression im Kindes- und Jugendalter nicht gleich erkannt. Ein Hauptgrund ist, dass sich die Erkrankung bei den jungen Patienten anders äußern kann als bei Erwachsenen. Die bekannten Depressionssymptome sind häufig durch Verhaltensprobleme überlagert. Oft geht die Depression mit weiteren psychischen Erkrankungen wie Angststörungen oder ADHS einher.

Häufigkeit steigt mit dem Alter

Circa 1 Prozent der Vorschulkinder und ungefähr 2 Prozent der Grundschulkinder leiden unter einer depressiven Störung. Bei den Jugendlichen ist die Häufigkeit noch weit größer: Etwa 3 bis 10 Prozent aller 12- bis 17-Jährigen erkranken an einer Depression. Während sich im Kindesalter noch keine Geschlechterunterschiede bei der Häufigkeit zeigen, geht die Schere ab der Pubertät auseinander. Dann sind deutlich mehr Mädchen als Jungen betroffen. Ein erhöhtes Depressionsrisiko tragen Mädchen und Jungen mit einer chronischen körperlichen Erkrankung sowie mit krankhaftem Übergewicht. Außerdem sind Kinder seelisch kranker oder suchtkranker Eltern deutlich gefährdeter.

Manches ist anders als bei Erwachsenen

Eine depressive Störung weist bei Kindern und Jugendlichen sowohl gleiche als auch andersartige Symptome als bei Erwachsenen auf. Zu den Gemeinsamkeiten zählen zum Beispiel Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Suizidgedanken. Allerdings ist bei Jugendlichen das Suizidrisiko höher als bei Erwachsenen. Von Gedanken an Selbstmord sind vor allem Mädchen belastet, begangen wird ein Suizid aber wesentlich häufiger von männlichen Jugendlichen. Schlafstörungen manifestieren sich im Jugendalter nicht so sehr durch frühmorgendliches Erwachen, sondern eher durch sogenannte Hypersomnie, also stark verlängerte Schlafenszeiten von bis zu 14 Stunden. Typisch sind außerdem Essstörungen mit entweder vermindertem oder gesteigertem Appetit sowie der Griff zu Alkohol und Drogen.

Verhaltensauffälligkeiten im Vordergrund

Im Unterschied zur Erwachsenen-Depression zeigt sich bei jungen Patienten nicht unbedingt die typische abgrundtiefe Traurigkeit. Vielmehr legen die Kinder und Jugendlichen häufig eine besondere Gereiztheit an den Tag. Typisch für Kinder sind auch Schulphobie, Lerndefizite und destruktives Verhalten. Außerdem versteckt sich die Depression oft hinter somatischen Beschwerden wie Bauch- oder Kopfschmerzen.

Alterstypische Symptomatik

Experten haben alterstypische Besonderheiten von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen zusammengefasst:

Kleinkinder (1 bis 3 Jahre):

  • vermehrtes Weinen 
  • ausdrucksarmes Gesicht 
  • erhöhte Reizbarkeit 
  • übermäßige Anhänglichkeit 
  • Spielunlust 
  • exzessives Daumenlutschen 
  • Ess- und Schlafstörungen

Vorschulkinder (3 bis 6 Jahre):

  • trauriger Gesichtsausdruck 
  • verminderte Gestik und Mimik 
  • auffallend ängstlich 
  • mangelnde Fähigkeit sich zu freuen 
  • introvertiertes Verhalten 
  • verminderte Bewegungsfreude 
  • Gereiztheit 
  • Ess- und Schlafstörungen

Schulkinder (6 bis 12 Jahre):

  • Konzentrations- und Gedächtnisstörungen 
  • Schulleistungsminderungen 
  • Ängstlichkeit 
  • unangemessene Schuldgefühle 
  • verlangsamte Bewegungen 
  • Appetitlosigkeit 
  • (Ein-)Schlafstörungen 
  • Suizidgedanken

Jugendliche (13 bis 18 Jahre):

  • vermindertes Selbstvertrauen und Perspektivlosigkeit 
  • Stimmungsanfälligkeit, tageszeitabhängige Schwankungen im Befinden  
  • Ängste, Lustlosigkeit, Konzentrationsstörungen 
  • Leistungsstörungen 
  • sozialer Rückzug 
  • Schlaf- und Essstörungen 
  • psychosomatische Beschwerden (z. B. Kopfschmerzen) 
  • Suizidgedanken

Psychotherapie an erster Stelle

Vermuten Eltern bei ihrem Kind eine depressive Störung, sollten sie mit ihm zunächst den Kinderarzt aufsuchen, der gegebenenfalls an einen Facharzt überweist. Leichtere depressive Störungen lassen sich häufig rein verhaltenstherapeutisch behandeln. Bei schwereren Depressionen kann zusätzlich eine medikamentöse Behandlung indiziert sein, etwa mit Fluoxetin. Doch nicht immer verläuft eine Therapie erfolgreich und häufig kommt es zum erneuten Auftreten einer Depression. Nach den Abrechnungsdaten der DAK-Gesundheit müssen fast 8 Prozent aller depressiven Kinder zwischen 10 und 17 Jahren wegen ihrer Erkrankung stationär aufgenommen werden. Fast jedes vierte dieser Kinder wird innerhalb von zwei Jahren sogar mehrfach stationär behandelt. Wie die DAK-Gesundheit beklagt, geschieht dies aus Mangel an geeigneter ambulanter Nachsorge.

Wie Eltern helfen können

Eltern können eine Menge dazu beitragen, um ihr depressiv erkranktes Kind zu stärken. Vor allem sollten sie ihm viel Liebe schenken und es häufig positiv bestärken, um sein Selbstwertgefühl zu erhöhen. Auch Bewegung und Sonnenlicht können das Befinden verbessern. Rituale wie gemeinsame Mahlzeiten oder Spieleabende wirken struktur- und haltgebend.

Hilfsangebote vor Ort und im Netz

Suizidale Äußerungen sollten Eltern immer ernst nehmen. Eine erste lokale Anlaufstelle kann in solchen Fällen auch der Sozialpsychiatrische Dienst sein. Für junge Menschen gibt es außerdem Online-Angebote mit Informationen zum Thema Depression und Austauschmöglichkeiten (z. B. www.fideo.de oder www.dak.de). Quellen: Stiftung Deutsche Depressionshilfe; Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (DGKJP); www.kinderaerzte-im-netz.de; Robert Koch-Institut; DAK-Gesundheit; www.bkk-kindergesundheit.de