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Behandlung von Halsschmerzen: Flurbiprofen in der Kritik

Zur symptomatischen Behandlung von Halsschmerzen kann seit 2014 auch Flurbiprofen eingesetzt werden. Das Arzneitelegramm rät nun jedoch aufgrund einiger Risiken davon ab. | Bild: RFBSIP / Adobe Stock

Seit 2004 wird Flurbiprofen zur kurzzeitigen symptomatischen Behandlung bei schmerzhaften Entzündungen der Rachenschleimhaut bei Erwachsenen und Kindern ab zwölf Jahren eingesetzt. Zunächst galt die Verschreibungsfreiheit nur für Lutschtabletten, sie wurde 2014 auch auf die generelle Anwendung in der Mundhöhle und somit andere Darreichungsformen, wie Gurgellösungen und Halssprays, erweitert (Tageshöchstdosis 50 mg Flurbiprofen). 

Derzeit sind folgende flurbiprofenhaltige Rachentherapeutika auf dem Markt: 

  • Dobendan® direkt Flurbiprofen 8,75 mg Lutschtabletten 
  • Dobendan® direkt zuckerfrei Flurbiprofen 8,75 mg Lutschtabletten 
  • Dobendan® direkt Flurbiprofen Spray 8,75 mg/Dos. 
  • Flurbiangin® 8,75 mg Lutschtabletten 
  • Flurbiprofen Al 8,75 mg Lutschtabletten 

Daneben gibt es noch ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel zur Anwendung am Auge: Ocuflur® O.K. Augentropfen. Auf die Augentropfen findet der Artikel keine Anwendung.

Hypersensitivitätsreaktionen unter Flurbiprofen

Nun meldet sich das Arzneitelegramm (deutsche medizinische Fachzeitschrift, werbefrei und somit eigenen Aussagen zufolge neutral und unabhängig von der Pharmaindustrie) zu Flurbiprofen zu Wort – und rät „nachdrücklich von der Verwendung flurbiprofenhaltiger Rachentherapeutika ab“. Ihren Rat begründen die Autoren des Arzneitelegramms unter anderem mit dem Auftreten „unerwünschter Wirkungen einschließlich zum Teil schwerwiegend verlaufender Hypersensitivitätsreaktionen sowie häufiger Ulzerationen der Mundschleimhaut“.

AMK erinnerte 2018 an Hypersensitivitätsreaktionen

Flurbiprofen ist in der Tat nicht unumstritten. Bereits im Mai 2018 erinnerte die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK) an Hypersensitivitätsreaktionen durch Flurbiprofen. Grund waren Berichte über Hypersensitivitätsreaktionen (Überempfindlichkeitsreaktionen), die die AMK im Zusammenhang mit der Anwendung lokaler flurbiprofenhaltiger Rachentherapeutika erreicht hatten. Die Nebenwirkung war nicht neu, doch sah die AMK wohl Bedarf, Apotheker und PTA an mögliche Hypersensitivitätsreaktionen unter Flurbiprofen zu erinnern. 

Die AMK sprach damals eine Empfehlung zur Abgabe von flurbiprofenhaltigen Rachentherapeutika aus: Patienten mit einer bekannten Unverträglichkeit von NSAR sollten keine Halsschmerztabletten oder -sprays mit Flurbiprofen erhalten. Auch bei älteren Patienten sowie Patienten mit Allergien beziehungsweise allergischem Asthma „ist Vorsicht geboten“. Generell sollen Apotheker und PTA vor Abgabe von flurbiprofenhaltigen Halsschmerzpräparaten auf mögliche Überempfindlichkeitsreaktionen hinweisen und sorgfältig Nutzen und Risiken gegeneinander abwägen.

Frankreich: Rezeptpflicht für Flurbiprofen

In Frankreich ging die dortige Arzneimittelbehörde (ANSM) einen Schritt weiter: Seit Sommer 2019 gibt es Flurbiprofen nur noch auf Rezept. Allerdings bewegten nach Informationen des Arzneitelegramms weniger Hypersensitivitätsreaktionen die französischen Behörden zur Rezeptpflicht für Flurbiprofen, sondern die Gefahr von Wechselwirkungen. Im Auge hatte Frankreich hier wohl vor allem Arzneimittel zur Blutverdünnung (Antikoagulanzien). Laut dem Arzneitelegramm gingen 49 Berichte zu Nebenwirkungen, die in Verbindung mit den Flurbiprofen-Lutschpastillen stehen, darunter fünf Blutungsereignisse, bei der französischen Behörde ein. Diese seien hauptsächlich im Magen-Darm-Trakt und teilweise unter gleichzeitiger Einnahme oraler Antikoagulanzien aufgetreten. Beispielhaft wird hier Apixaban in Eliquis® genannt.

Erhöht Flurbiprofen die Blutungsgefahr unter Antikoagulanzien?

Auch diese mögliche Wechselwirkung ist nicht neu. Bereits jetzt weisen die Fachinformationen flurbiprofenhaltiger Arzneimittel auf das Risiko hin, dass Flurbiprofen mit Antikoagulanzien (dazu gehören beispielsweise: Vitamin-K-Antagonisten, wie Phenprocoumon in Marcumar®; Faktor-Xa-Hemmer, wie Rivaroxaban in Xarelto®, Edoxaban in Lixiana ®, Apixaban in Eliquis®; Thrombinhemmer, wie Dabigatran in Pradaxa®; Heparine), anderen SAR (beispielsweise ASS, Diclofenac, Ibuprofen) oder Thrombozytenaggregationshemmern (Hemmer der Blutplättchen, bekanntester ASS; Clopidogrel, Prasugrel, Ticlopidin, Ticagrelor) wechselwirken kann: „Die gleichzeitige Anwendung von zwei oder mehr NSAR ist zu vermeiden, weil dies mit einem erhöhten Risiko für unerwünschte Wirkungen einhergehen kann (vor allem gastrointestinale Ereignisse wie zum Beispiel Geschwüre oder Blutungen).“ 

Außerdem heißt es: „NSAR können die Wirkungen von Antikoagulanzien, wie zum Beispiel Warfarin, verstärken“ und auch in Kombination mit Thrombozytenaggregationshemmern bestehe ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Ulzerationen (Geschwür) oder Blutung.

Nicht zusammen mit NSAR-Erkältungskombis

Die Autoren des Arzneitelegramms sehen vor allem auch ein Wechselwirkungspotenzial von flurbiprofenhaltigen Rachentherapeutika bei gleichzeitiger Anwendung von NSAR-haltigen „Erkältungsdämpfern“, wie Aspirin® Complex (ASS plus Pseudoephedrin) oder Boxagrippal® (Ibuprofen plus Pseudoephedrin), da nicht ausgeschlossen sei, dass Patienten mit Halsschmerzen auch auf diese Präparate zurückgreifen. 

Die Experten des Arzneitelegramms empfehlen bei Halsschmerzen vorwiegend eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und das Lutschen nichtmedizinischer Bonbons. Bei starken Schmerzen könnten Patienten zur symptomatischen Linderung lidocainhaltige Lutschtabletten anwenden.

Leitlinie empfiehlt systemische Therapie

Mit diesem Rat ist das Arzneitelegramm jedoch nicht eins mit den Experten der DEGAM-Leitlinie Halsschmerzen (derzeit in Überarbeitung). Generell werden lokal wirksame, synthetische Rachentherapeutika von den Leitlinien-Autoren mit Skepsis betrachtet: „Die Anwendung von Lutschtabletten, Gurgellösungen und Rachensprays mit Lokalantiseptika und/oder Lokalanästhetika oder Antibiotika wird nicht empfohlen“, steht dort. Auf lokale NSAR wie Flurbiprofen geht die Leitlinie nicht ein. Die Leitlinien-Experten bevorzugen bei Halsschmerzen die Gabe von Ibuprofen oder Paracetamol systemisch. 

Allerdings muss bei systemischem Ibuprofen in jedem Fall auch an potenzielle Wechselwirkungen mit Antikoagulanzien, eine erhöhte Gefahr von Nebenwirkungen bei gleichzeitiger Einnahme mit bestimmten Erkältungskombis und die Gefahr von Magen-Darm-Ulzerationen gedacht werden.