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STIKO rät zur Hochdosis-Grippeimpfung ab 60 Jahren

Menschen ab 60 Jahren sollen nach Empfehlung der STIKO künftig mit einem Hochdosis-Grippimpfstoff wie Efluelda jährlich gegen Grippe geimpft werden. | Bild: Rido / Adobe Stock

Grippeimpfstoffe wirken bei älteren Menschen in der Regel weniger gut als bei jüngeren. Ihr Immunsystem ist träge, kann nicht mehr angemessen auf Infektionen reagieren und die Antikörperproduktion ist reduziert. Allerdings zählen Senioren zur Risikogruppe bei Influenza, da bei ihnen Grippeerkrankungen meist schwerer und mit mehr Komplikationen verlaufen. Sie müssen öfter im Krankenhaus behandelt werden und versterben auch häufiger an Influenza als Jüngere. Wirksame Grippevakzinen sind also wichtig. Pharmazeutische Unternehmen verfolgen dafür unterschiedliche Ansätze. In den letzten zwei Jahren sind vier innovative Influenzavakzinen in der EU zugelassen worden – zellkulturbasiert (Flucelvax® Tetra), hochdosiert (Efluelda®), adjuvantiert (Fluad® Tetra) und rekombinant (Supemtek®).

Hochdosis-Grippeimpfstoff senkt Sterblichkeit bei Älteren

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) hat sich die Wirksamkeitsdaten der weiterentwickelten Influenzaimpfstoffe angeschaut und kommt nun zu einer neuen Grippeimpfempfehlung für Senioren: Ältere Menschen ab 60 Jahren sollen sich künftig mit einem quadrivalenten und hochdosierten Grippeimpfstoff jährlich vor Grippe schützen. Bislang bevorzugte die STIKO keinen speziellen Grippeimpfstoff für Senioren. Ihre geänderte Empfehlung begründet sie wissenschaftlich im Epidemiologischen Bulletin 1|2021. „Die Evidenzlage zur vergleichenden Wirksamkeit und Sicherheit ist für den Hochdosis-Impfstoff besser als für die drei anderen weiterentwickelten Influenza-Impfstoffe (MF-59-adjuvantiert, zellkulturbasiert, rekombinant).“ Der Hochdosis-Grippeimpfstoff sei mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ den konventionellen Influenza-Impfstoffen überlegen, schütze Personen im Alter von ≥ 60 Jahren besser und senke die Grippe-bedingte Krankheitslast (Morbidität) und Sterblichkeit (Mortalität).

Efluelda® mit vierfacher Antigenmenge

Als einziger Hochdosis-Grippeimpfstoff ist seit Mai 2020 Efluelda® von Sanofi Pasteur zugelassen. Efluelda® enthält die vierfache Antigenmenge (60 µg Hämagglutinin) im Vergleich zu konventionellen Grippeimpfstoffen, wie beispielsweise Influsplit® Tetra oder Vaxigrip Tetra®. Eingesetzt werden darf Efluelda® ab einem Alter von 65 Jahren, wobei Sanofi Pasteur die Zulassung bereits ab 60 Jahren anstrebt und die Änderung dahingehend bereits beantragt hat. Mit einem Einsatz ab 60 Jahren wäre Efluelda® STIKO-konform, da die Ständige Impfkommission zum jährlichen Grippeschutz ab 60 Jahren rät. Die geänderte Zulassung wird 2021 erwartet, in der dann folgenden Grippesaison 2020/21 will Sanofi Efluelda® erstmals auch auf den deutschen Markt bringen. In den Vereinigten Staaten gibt es den Hochdosis-Impfstoff bereits: Fluzone® High Dose Quadrivalent. Dieser steht aktuell im Rahmen der nationalen Reserve ausnahmsweise auch Deutschland zur Verfügung.

Fluad® Tetra: adjuvantiert

Daneben entwickelte Seqirus einen speziellen Grippeimpfstoff für Senioren: Fluad® Tetra. Er wurde relativ zeitgleich mit Efluelda® in der EU zugelassen und setzt zur Wirkverstärkung auf ein Adjuvans: MF59C, eine Öl-in-Wasser-Emulsion, bestehend aus Squalen, Polysorbat 80, Sorbitantrioleat, Natriumcitrat, Citronensäure und Wasser für Injektionszwecke. Neben der Wirkverstärkung – Hochdosis bei Efluelda® und Adjuvans bei Fluad® Tetra – unterscheiden sich die beiden Senioren-Grippeimpfstoffe noch in einem weiteren wesentlichen Punkt: Bei Efluelda® handelt es sich um einen Spaltvirus-Impfstoff, Fluad® Tetra ist ein Subunit-Impfstoff. Zwar werden beide in Hühnereiern kultiviert – und es erfolgt eine Präparation der Antigene Hämagglutinin (HA) und Neuraminidase (NA) –, allerdings werden bei Subunit-Impfstoffen wie Fluad® Tetra die HA- und NA-Antigene stärker angereichert und dafür andere virale Proteine und die virale RNA (Erbinformation) abgetrennt.

Bessere Wirksamkeit durch zellkulturbasierte Grippeimpfstoffe

Auch auf anderen Wegen wird versucht, Grippeimpfstoffe effektiver zu machen. Seit Dezember 2018 ist mit Flucelvax® Tetra eine säugetierzellkulturbasierte Grippevakzine zugelassen. Statt in Hühnereiern wird Flucelvax® Tetra in Zellkulturen hergestellt, wodurch Seqirus die sogenannte Ei-Adaption vermeidet. Hühner sind nicht der natürliche Wirt für humanpathogene Grippeviren, der Vogel ist – anders als der Mensch – kein Säugetier. Um sich dennoch in Hühnereiern vermehren zu können, passt sich das Grippevirus folglich dem unpassenden Wirt an, wodurch jedoch die Passgenauigkeit der auf die Impfung produzierten Antikörper beeinträchtigt wird. Die Folge: Der Grippeimpfstoff wirkt weniger gut. Säugetierzellkulturbasierte sollen hier effektiver sein. Zugelassen ist Flucelvax® Tetra ab zwei Jahren (wurde jüngst geändert, zuvor durfte Flucelvax® Tetra erst ab neun Jahren geimpft werden).

Supemtek: rekombinant, ohne Neuraminidase und mit dreifacher Menge Hämagglutinin

Einen ganz neuen Ansatz verfolgt Sanofi Pasteur bei Supemtek®. Supemtek® ist der erste rekombinante Grippeimpfstoff und enthält als Antigen ausschließlich Hämagglutinin und nicht wie die anderen Grippeimpfstoffe Spaltpartikel von Influenzaviren. Auch das Antigen Neuraminidase fehlt bei Supemtek®. Hergestellt wird Supemtek mit Hilfe von Baculoviren und einer kontinuierlichen Insektenzelllinie. Baculoviren infizieren ausschließlich Wirbellose wie Insekten. Zunächst wird hierzu die genetische Information des Hämagglutinins in das Baculovirus eingebracht. Das Virus infiziert sodann Insektenzellen, die Hämagglutinin in großen Mengen herstellen, was letztlich geimpft wird. Das Baculovirus dient sozusagen als Fähre, um die Erbinformation von Hämagglutinin in die Insekten zu schleusen. Dadurch sollen passgenaue Antigene entstehen, die sodann auch eine höhere Impfwirksamkeit erzeugen. Auch Supemtek® enthält mehr Antigen als konventionelle Grippeimpfstoffe, mit 45 µg Hämagglutinin die dreifache Menge.