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Weltwassertag 2021: Echt belastend: Arzneimittelrückstände im Grundwasser

Nur wenige Kläranlagen besitzen eine sogenannte 4. Reinigungsstufe, die das gereinigte Abwasser von Medikamentenrückständen befreit. Ohne diese gelangen die Rückstände verstärkt in Flüsse, Seen und das Grundwasser. | Bild: IMAGO / Rupert Oberhäuser

In nahezu allen Oberflächengewässern, dem Grundwasser und vereinzelt sogar im Trinkwasser wurden weltweit mittlerweile Arzneimittelrückstände nachgewiesen. Laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) wurden dabei für mehrere Wirkstoffe sogar die Umweltqualitätsnormen überschritten – das bedeutet, dass eine Schädigung von Wasserorganismen nicht ausgeschlossen werden kann. Angesichts des zunehmenden Arzneimittelkonsums (der BUND rechnet mit einer Zunahme von 30 bis 70 Prozent in den nächsten 25 Jahren) ist daher aktives Handeln gefragt. Anlässlich des Weltwassertags 2021 hat PTAheute für Sie hier ein paar Tipps zum wasserschonenden Umgang mit Arzneimitteln zusammengestellt. 

Wie Arzneimittel ins Grundwasser gelangen

„Der Haupteintragspfad von Arzneimitteln sind menschliche Ausscheidungen“, erklärt Klaus Günter Steinhäuser, stellvertretender Sprecher des BUND-Arbeitskreises Umweltchemikalien und Toxikologiehttps://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/warum-arzneimittelrueckstaende-in-der-umwelt-ein-problem-sind/ . Denn circa 85 Prozent der in die Umwelt gelangenden Arzneimittelrückstände stammen aus Urin und Fäzes. Über das Abwasser gelangen diese Rückstände in die Kläranlagen, wo sie – aufgrund der Vielfalt der chemischen Verbindungen – nicht vollständig abgebaut werden können. Gemeinsam mit dem aufbereiteten Wasser gelangen die Rückstände anschließend in Flüsse und Seen.

Weitere zehn Prozent der Umweltbelastung durch Arzneimittel sind laut Steinhäuser auf eine unsachgemäße Entsorgung durch Verbraucher zurückzuführen: „Viele spülen noch Reste von Arzneimitteln in die Toilette.“ Dass diese Form der Entsorgung zu unterlassen ist, wird in Informationskampagnen zwar publik gemacht, dennoch scheint die Botschaft bei vielen noch nicht angekommen zu sein. Eine Befragung des Instituts für sozial-ökologische Forschung aus dem Jahre 2014 ergab, dass 47 Prozent der Befragten flüssige Arzneimittel über Spüle oder Toilette entsorgen. Etwa 20 Prozent der Befragten gaben an, auch Tabletten mehr oder weniger häufig auf diesem Wege zu entsorgen.

Anmerkung der Redaktion: 

Möglicherweise beruht diese Tatsache mitunter darauf, dass zahlreiche Filme und Serien die „Entsorgung“ über das Abwasser als dramaturgische Geste aufgreifen. Hier wäre ein Umdenken im Sinne der Vorbildfunktion wünschenswert.

Als dritten möglichen Pfad nennt Steinhäuser die Arzneimittelproduktion. Diese spiele hierzulande jedoch eine geringere Rolle, da die Arzneimittelherstellung überwiegend in China und Indien stattfinde. Dagegen sieht Steinhäuser in Gülle und Mist, die von Landwirten als Düngemittel auf die Felder aufgebracht werden, einen hierzulande dominanten Pfad für die Einbringung von Tierarzneimitteln in die Umwelt. 

Gut zu wissen: Der Weltwassertag

1993 wurde der Weltwassertag zum ersten Mal durch die Vereinten Nationen ausgerufen, mit dem Ziel, jährlich an die Besonderheiten der „essenziellsten Ressource allen Lebens“ zu erinnern. Der diesjährige Weltwassertag (22. März 2021) steht unter dem Motto „Wert des Wassers“ und soll Menschen dazu auffordern, sich Gedanken über die lebenswichtige Bedeutung und den Wert von Wasser zu machen – und das nicht nur aus finanzieller, sondern auch aus ökologischer, sozialer sowie kultureller Sicht. 

Green Pharmacy und weitere mögliche Maßnahmen

„Wir müssen erkennen, dass Arzneimittel-Wirkstoffe gefährliche Stoffe für die Umwelt sind. Sie sind oft langlebig und giftig und gefährden damit die biologische Vielfalt in Wasser und Boden“, so Klaus Günter Steinhäuser im Interview des BUND. Nach Steinhäusers Ansicht bedarf es daher einer forcierten Suche nach Wirkstoffen, „die in der Umwelt rasch zerfallen, aber bei der Bekämpfung von Krankheiten genauso wirksam sind. Das Stichwort lautet ‚Green Pharmacy‘.“

In einem Positionspapier vom 26. November 2020 fordert der BUND unter anderem folgende Maßnahmen zur Verringerung der Umweltbelastung durch Arzneimittel:

  • Prüfung von Arzneimitteln, die vor 2006 zugelassen wurden. Bei vorhandenen Risiken sollen diese vom Markt genommen werden.
  • Gezielte Fortbildung für Ärzte, Apotheker, Pflegekräfte und Landwirte über Maßnahmen zur Senkung des Arzneimittelverbrauchs.
  • Einführung eines Umweltklassifikationssystems, dass die Verordnung/Abgabe weniger umweltbelastender Arzneimittel ermöglicht.
  • Ausbau des Umweltmonitorings für Arzneimittel und resistente Keime.
  • Sammelsystem für Arzneimittelreste in Apotheken: Auf diesem Wege soll eine fachgerechte Entsorgung ermöglicht und die Entsorgung über die Toilette verhindert werden.
  • Ein Werbeverbot für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel: Dadurch soll verhindert werden, dass Medikamente als „Lifestyle-Drogen“ eingenommen werden.
  • Stark belastete Abwasserteilströme – zum Beispiel aus Krankenhäusern – sollen vor Einleitung in die Kanalisation behandelt werden.
  • Große Kläranlagen mit deutlicher Arzneimittelbelastung sind auszubauen, damit sie effektiv die Arzneimittelkonzentrationen reduzieren (4. Reinigungsstufe).
  • Die Entwicklung umweltverträglicher Wirkstoffe muss ein Forschungsschwerpunkt werden und ist durch Anreize zu fördern („Green Pharmacy“).
  • Strenge Umweltanforderungen (international und national) für die Arzneimittelherstellung.
  • Ausbau der Gesundheitsprävention, um zukünftig den weiteren Anstieg des Arzneimittelverbrauchs zu verhindern.
  • Umbau der Nutztierhaltung, um den Antibiotikaeinsatz künftig zu verringern, sowie ein Verbot von Reserveantibiotika für den Einsatz in der Tierhaltung.

Gut zu wissen: Das Problem mit Röntgenkontrastmitteln

Röntgenkontrastmittel zählen als ungiftig und können daher zu Diagnosezwecken eingesetzt werden. Da sie jedoch schwer abbaubar sind und von Kläranlagen auch nicht herausgefiltert werden können, gelangen sie unverändert in die Umwelt. Der BUND befürchtet, dass diese sich dort anreichern und künftig zu Problemen führen können. Daher fordert der BUND in seinem Positionspapier die Ausscheidungen von Patienten, die Kontrastmitteln erhielten, getrennt, z. B. in Urinbeuteln, aufzufangen und zu entsorgen.

Was PTA und Apotheker tun können

Über diese Forderungen hinaus kann das pharmazeutische Personal im Apothekenalltag ebenfalls in Sachen umweltschonender Arzneimitteleinsatz tätig werden:

  • Nach Möglichkeit nichtmedikamentöse Maßnahmen empfehlen.
  • Maßnahmen zur Gesundheitsprävention empfehlen, um Arzneimittelgebrauch zu reduzieren.
  • Bei notwendiger medikamentöser Therapie kleinste Packungseinheit anbieten.
  • Nach Möglichkeit auf umweltverträglichere Wirkstoffe ausweichen.
  • Jeden Patienten über sachgerechte Entsorgung aufklären.
  • In Fort- und Weiterbildung Auzubildende, Studenten, Ärzte und Kollegen über Umweltrisiken von Arzneimitteln und korrekte Entsorgung aufklären.