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Bei Antibiotika genügen meist wenige Tage

Wenige Tage statt ganze Packung? Bei Antibiosen sollen schon wenige Tage für eine erfolgreiche Therapie genügen – sagt die US-amerikanische internistische Fachgesellschaft ACP. | Bild:  joyfotoliakid / AdobeStock

Die ACP – die US-amerikanische internistische Fachgesellschaft „American College of Physicians“ – rät zu nur kurzen Antibiosen bei gängigen bakteriellen Infektionen. Nach Sichtung der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur und klinischer Leitfäden haben die Wissenschaftler nun für fünf häufige bakterielle Infektionskrankheiten Empfehlungen ausgesprochen, wie lange eine antibiotische Behandlung ihrer Ansicht nach dauern sollte: akute Bronchitis, COPD-Exazerbation, ambulant erworbene Lungenentzündung, Harnwegsinfektion und Haut- und Weichteilinfektionen – wie viele Tage Antibiose genügen? Ihre Empfehlungen veröffentlichten die Wissenschaftler im April im Fachjournal „Annals of Internal Medicine“.

Akute Bronchitis häufig viral verursacht und selbstlimitierend 

Bei akuter Bronchitis ist nicht immer ein Antibiotikum indiziert. Häufig sind Viren die Auslöser und die Bronchitis heilt nach wenigen Tagen von alleine aus. Besteht allerdings der Verdacht auf eine Lungenentzündung, ist eine Antibiose in jedem Fall indiziert (siehe nächster Abschnitt). Auch bei Patienten, die an einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) als Grunderkrankung leiden, die sich aufgrund einer bakteriellen Infektion akut verschlechtert (Exazerbation), sind Antibiotika angezeigt. Die ACP rät jedoch sowohl bei akuter Bronchitis wie auch bei Exazerbationen einer COPD, dass Patienten Antibiotika nicht länger als fünf Tage einnehmen. Dass eine kurze Antibiose genügt, belegen sie mit Studiendaten (Meta-Analyse aus 21 randomisierten Studien), die zeigten, dass eine kurze Antibiose von durchschnittlich 4,9 Tagen klinisch keinen Unterschied zu längeren Antibiosen über 8,3 Tage machten. 

Auf bakterielle Infektion prüfen 

Insbesondere erinnern die Wissenschaftler daran, dass Ärzte vor Verordnung von Antibiosen prüfen sollten, ob denn überhaupt Hinweise auf eine bakterielle Atemwegsinfektion vorliegen – wie eitriger Auswurf, vermehrter Auswurf und Atemnot. Nur dann ergeben Antibiotika Sinn. 

Ambulant erworbene Lungenentzündung

Liegt eine ambulant erworbene Pneumonie (CAP, community-acquired pneumonia) vor, sollten Patienten, die ansonsten nicht vorerkrankt sind, zunächst über fünf Tage ein Antibiotikum einnehmen. Die Wissenschaftler definierten eine CAP mit Lungenentzündung und Fieber, produktivem Husten und eitrigem Auswurf, Atemnot und Brustschmerzen aufgrund einer Brustfellentzündung/Rippenfellentzündung (Pleuritis). Nach diesen fünf Tagen sollten Ärzte das Ansprechen der Antibiose prüfen und anhand des klinischen Zustands der Patienten, ihrer Vitalzeichen, ihres mentalen Status und der Fähigkeit zu essen entscheiden, ob eine weitere Antibiose erforderlich ist. Sie raten bei ansonsten gesunden Erwachsenen zu den antibiotischen Wirkstoffen Amoxicillin oder Doxycyclin oder einem Makrolid (z. B. Azithromycin, Clarithromycin) oder einem β-Lactam-Antibiotikum in Kombination mit einem Makrolid. Vorerkrankte Patienten könnten ein Fluorchinolon (Atemwegs-Fluorchinolone: Moxifloxacin oder Levofloxacin) erhalten. 

Mit diesen Empfehlungen liegen sie in etwa auf einer Linie mit der hierzulande verfügbaren S3-Leitlinie „Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie und Prävention“. Diese rät bei unkomplizierter Lungenentzündung (Patienten ohne Vorerkrankung) zu Amoxicillin als Mittel der Wahl, bei Penicillinallergie oder -unverträglichkeit zu Moxifloxacin oder Levofloxacin. Die Makrolide Clarithromycin und Azithromycin sowie Doxycyclin seien Alternativen, allerdings gilt es hier, eine circa 10-prozentige Resistenz gegenüber Pneumokokken zu beachten. Die Leitlinie war gültig bis Ende 2020 und wird derzeit überarbeitet.

Kürzere Antibiose verbessert Überleben 

Dass eine nur kurze Antibiose bei ambulant erworbener Lungenentzündung tatsächlich empfehlenswert ist, zeigte eine Meta-Analyse „Systematic Review and Meta-analysis of the Efficacy of Short-Course Antibiotic Treatments for Community-Acquired Pneumonia in Adults“  von 21 Studien zu ambulant erworbener Pneumonie, die 2018 im Fachjournal „Antimicrobial Agents and Chemotherapy“ veröffentlicht wurde. Das Ergebnis: Eine höchstens sechstägige Kurzzeitbehandlung war gleich wirksam wie eine längere Behandlung über mindestens sieben Tage. Die kürzere Antibiose war allerdings nicht nur mit weniger schwerwiegenden Nebenwirkungen assoziiert, sondern auch mit einer geringeren Sterblichkeit. 

Antibiotika bei unkomplizierter Harnwegsinfektion 

Bei unkomplizierter bakterieller Harnwegsinfektion genügt nach Ansicht des ACP ebenfalls eine Kurzzeit-Antibiotikatherapie: Frauen sollten entweder fünf Tage Nitrofurantoin, drei Tage Trimethoprim-Sulfamethoxazol oder eine Einzeldosis Fosfomycin einnehmen. Bei diesen Ratschlägen finden sich Parallelen zu der in Deutschland vorliegenden S3-Leitlinie „Unkomplizierte Harnwegsinfektion“: Diese rät ebenfalls zur Einmalgabe von 3.000 mg Fosfomycin, alternativ empfiehlt sie Pivmecillinam für drei Tage oder Nitroxolin für fünf Tage. Bei Nitrofurantoin sollten Frauen mit unkomplizierter Zystitis sieben Therapietage bei unretardierten Präparaten einplanen und fünf Tage bei Nitrofurantoin retard. Die Leitlinie sieht alle Therapieoptionen als gleichwertig an. 

Allerdings gibt es bereits Hinweise, dass eine Einzeldosis Fosfomycin mit 3.000 mg nicht immer genügt. So ist einer 2018 im Fachjournal „JAMA“ veröffentlichten Studie zufolge eine fünftägige Nitrofuantoinbehandlung einem Single Shot mit Fosfomycin überlegen. So waren 70 Prozent der Frauen, die dreimal täglich 100 mg Nitrofurantoin eingenommen hatten, nach 28 Tagen symptomfrei, während nach Fosfomycin nur 58 Prozent der Frauen keine Beschwerden mehr zeigten. 

5 bis 6 Tage Antibiotika bei Haut- und Weichteilinfektionen 

Bei Infektionen der Haut und Weichteile rät das ACP zu einem Streptokokken-wirksamen – oder gar MRSA-wirksamen – Antibiotikum. So hätten sich Methicillin-resistente Streptokokken in den letzten Jahren als hauptsächliche Ursache von Haut- und Weichteilinfektionen herauskristallisiert, wie beispielsweise einem Erysipel. Als Therapiedauer setzen die Wissenschaftler bei nicht eitrigen Infektionen fünf bis sechs Tage an.  

Warum kürzer besser sein könnte 

Warum liegt dem American College of Physicians an einer möglichst kurzen Antibiose? Grund für den wissenschaftlichen Rat zu Kurzantibiosen ist, dass der übermäßige Einsatz von Antibiotika zu Resistenzen beiträgt. Die Wissenschaftler sehen hier vor allem unnötig lange Antibiosen bei akuten Bronchitiden, Exazerbationen einer COPD, ambulant erworbenen Lungenentzündungen, Harnwegsinfekten oder Haut- und Weichteilinfektionen als wesentlichen Teil dieser Überversorgung.