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Misoprostol in der Frauenheilkunde: Was kommt nach Cytotec?

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sieht einen Importstopp von Cytotec als  besorgniserregend. Welche Alternativen gibt es, wenn das Präparat nicht mehr verfügbar ist? | Bild: o1559kip / AdobeStock

Am 3. April 2021 berichtete der Bayerische Rundfunk vom „Importstopp für Cytotec“ in der Geburtsmedizin. Behörden und Importeure hätten sich darauf geeinigt, das „umstrittene Medikament“ mit dem Wirkstoff Misoprostol in Deutschland nicht mehr zu vertreiben. Damit verschwindet das Präparat schon bald gänzlich vom deutschen Markt, denn Cytotec® wurde in Deutschland nicht mehr im Original, sondern nur noch von drei Parallelimporteuren vertrieben. Der Hersteller Pfizer hatte den Vertrieb in Deutschland bereits 2006 aus „ethischen Gründen“ gestoppt.  

Im Jahr 2020 war viel mediale Aufmerksamkeit für das Arzneimittel entstanden – vor allem durch den Artikel „Im Wehensturm“ aus der „Süddeutschen Zeitung“. Doch die dahinter stehende Problematik erwies sich als vielschichtig.

Wirkstoff Misoprostol darf nicht in Verruf geraten

Die DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) mahnte in dieser Diskussion stets, dass mit der medialen Berichterstattung der Wirkstoff Misoprostol als solcher nicht in Verruf geraten dürfe. Denn Misoprostol ist für die Anwendung in der Geburtseinleitung keineswegs ungeeignet. Der Wirkstoff ist in Cytotec® für diese Indikation allerdings nicht zugelassen und auch nicht richtig dosiert – was zu Handhabungsfehlern führen kann. Deshalb wurde von allen Seiten die Zulassung des Misoprostol-Präparates Angusta® sowie die Veröffentlichung einer neuen Leitlinie in Deutschland mit Spannung erwartet.  

Auch Angusta® enthält den Wirkstoff Misoprostol – aber eben in der richtigen Dosierung und Indikation. Die Leitlinie war schließlich im Dezember 2020 erschienen, im März 2021 wurde dann aufgrund anhaltender Diskussionen folgender Abschnitt hinzugefügt:

Im September 2020 wurde auch in Deutschland und Österreich ein Misoprostol-haltiges Medikament zugelassen, dessen Markteinführung bereits in einzelnen europäischen Ländern erfolgt ist. In Österreich ist dieses Medikament bereits erhältlich. Die Markteinführung in Deutschland soll noch in diesem Jahr erfolgen. In der Schweiz wurde ein Zulassungsantrag gestellt (Stand März 2021).“ 

Unabhängig von der damaligen und nun durch den „Importstopp“ neu aufgetretenen Situation hatte die DGGG schon im Februar gegenüber unseren Kollegen von DAZ.online für den Einsatz von Cytotec® in der Geburtseinleitung eine klare Position: „Cytotec® soll unabhängig davon nicht zur Geburtseinleitung verwendet werden, da die Dosierung mit 200 µg viel zu hoch ist.“ Die tatsächliche Markteinführung von Angusta® nach der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über den Zusatznutzen und die darauf folgende Preisfindung konnte also mehr oder weniger entspannt erwartet werden. Allerdings lässt diese noch immer auf sich warten, während Importeure und BfArM das Präparat Cytotec® mehr oder weniger plötzlich vom Markt genommen haben. 

Warum Cytotec® so schnell verschwindet

Zum schriftlichen Verzicht der Zulassung durch die Importeure erklärt das BfArM, dass zwar formal (nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 AMG) die Abverkaufsregelung nach § 31 Absatz 4 AMG greife. Demnach dürfte das Arzneimittel noch circa zwei Jahre in den Verkehr gebracht werden. Aufgrund der geführten Gespräche mit den betroffenen Parallelimporteuren sei jedoch beabsichtigt, dass nur noch bereits georderte oder freigegebene Ware in den Verkehr gebracht werden soll und nicht von der Dauer der gesetzlichen Übergangsfrist Gebrauch gemacht werden soll. 

Keine Versorgungslücke laut BfArM

Misoprostol ist laut Leitlinie das wirksamste Medikament zur Geburtseinleitung bei einem unreifen Zervixbefund. Sowohl die Schilderungen der DGGG als auch des BfArM lassen in dieser Indikation durch den Wegfall von Cytotec® aber keinen Mangel befürchten. 

Der Einzelimport auf der Grundlage einer ärztlichen Verschreibung nach § 73 AMG sei weiter möglich, davon gehe das BfArM zumindest aus. Denn die Zuständigkeit dafür liege bei den Bundesländern.