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MenQuadfi® von Sanofi Pasteur : Was unterscheidet den neuen Meningokokkenimpfstoff von anderen?

MenQuadfi® kann ab einem Alter von zwölf Monaten verabreicht werden. | Bild: New Africa / AdobeStock

Sanofi Pasteur hat sein Impfstoffsortiment um einen weiteren Impfstoff erweitert: MenQuadfi®. Er schützt vor den vier Serogruppen A, C, W-135 und Y und erhielt bereits im November 2020 die EU-Zulassung, nachdem das CHMP der EMA ihn im September zuvor zur Zulassung empfohlen hatte. Nun hat Sanofi Pasteur MenQuadfi® vor wenigen Tagen, im August 2021, auf den Markt gebracht.

MenQuadfi® für Personen ab zwölf Monaten

MenQuadfi® ist indiziert zur aktiven Immunisierung von Personen ab zwölf Monaten gegen eine invasive Meningokokken-Erkrankung, die durch eine der vier Serogruppen A, C, W, Y von Neisseria meningitidis (Meningokokken) hervorgerufen wird. Meningokokken zählen neben Pneumokokken zu den häufigsten Erregern von Meningitiden (Entzündungen der Hirn- und Rückenmarkshäute) im Kindesalter. Allerdings ist MenQuadfi® längst nicht der erste oder einzige Vierfach-Meningokokkenschutz. Auch die bereits verfügbaren Impfstoffe Menveo® von GSK und Nimenrix® von Pfizer schützen vor diesen vier Meningokokken-Serogruppen. Unterschiede zwischen den einzelnen Impfstoffen gibt es dennoch.

Zur Erinnerung: Meningitis – was ist das?

Unter einer Meningitis versteht man eine Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute. Nicht immer ist eine klare Abgrenzung zu einem Befall des Gehirns – einer Meningoenzephalitis – möglich, vor allem bei Kindern. In den meisten Fällen liegt einer Meningitis eine bakterielle oder virale Infektion zugrunde. Häufigste Erreger von bakteriellen Meningitiden sind Meningokokken (Neisseria meningitidis) und Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae), wobei das Erregerspektrum vom Erkrankungsalter abhängig ist. 

Bei Neugeborenen (≤ 6 Wochen) liegen häufig Infektionen mit Gruppe-B-Streptokokken (Streptococcus agalactiae) und E. coli vor, gefolgt von Listerien (Listeria monocytogenes), Staphylokokken, Klebsiellen, Pseudomonas aeruginosa, Salmonellen und gramnegativen Erregern. Im Kindesalter sind vor allem Pneumokokken und Meningokokken für eitrige Meningitiden verantwortlich. Seit Einführung der Impfung gegen Haemophilus influenzae ist die Inzidenz invasiver Infektionen mit dem gramnegativen Keim mit Meningitis-Komplikationen stark zurückgegangen. 

Die häufigsten Erreger einer bakteriellen Meningitis im Erwachsenenalter sind Pneumokokken und Meningokokken, Listerien, Haemophilus influenzae, Staphylokokken, gramnegative Enterobakterien und Pseudomonas aeruginosa. Zu den wichtigsten Erregern einer viralen Meningitis bei Erwachsenen zählen Enteroviren wie das Coxsackie-Virus. Aber auch Arboviren, Influenza-, HI-, Herpes- oder FSME-Viren sind für Meningitiden verantwortlich. Weiter treten sie als Komplikation bei Infektionen mit Masern-, Mumps- oder Rötelnviren auf. 

Virale Meningitiden zeigen einen akuten Verlauf über Stunden bis Tage, klingen bei Immunkompetenten (Immungesunden) dann häufig spontan ab. Bakterielle (eitrige) Entzündungen der Hirnhäute zeigen einen hochakuten Verlauf: Sie stellen stets absolute Notfälle dar und enden – untherapiert – meist innerhalb von Stunden bis Tagen tödlich. Seit 2011 ist eine invasive Meningokokken-Infektion eine meldepflichtige Erkrankung. 

Unterschiedliches Impfalter

So dürfen mit Nimenrix® bereits Säuglinge ab einem Alter von sechs Wochen geimpft werden. MenQuadfi® kann ab einem Alter von zwölf Monaten verabreicht werden, während Menveo® erst für Kleinkinder ab zwei Jahren zugelassen ist. Alle Impfstoffe werden intramuskulär verabreicht.

Konjugatimpfstoffe für eine bessere Immunantwort

Bei allen drei Impfstoffen handelt es sich um Konjugatimpfstoffe, das bedeutet: Ein Teil der Bakterienhülle (Polysaccharide – also „Zuckermoleküle“ – der Kapsel) ist an ein Trägereiweiß (Protein) gebunden (konjugiert), um eine stärkere und länger anhaltende Immunantwort auszulösen, als dies mit unkonjugierten Antigenen möglich wäre. Warum ist das so? Vor allem das Immunsystem von Säuglingen und Kleinkindern ist noch nicht reif genug, um auch auf Nicht-Protein-Antigene mit einer effizienten Antikörperproduktion zu reagieren, weswegen man sich dann des „Tricks“ bedient, die Antigene einfach an ein Protein zu binden, um das Immunsystem ausreichend zu stimulieren.  

Im Falle der Meningokokken-Impfstoffe enthalten alle drei Vakzinen Kapselpolysaccharide der Meningokokken-Serogruppen A, C, W und Y, die die Bildung von Kapselpolysaccharid-spezifischen Antikörpern stimulieren. Doch setzen Sanofi in MenQuadfi® und Pfizer in Nimenrix® auf Tetanustoxoid als Trägerprotein für die Antigene, GSK konjugiert diese in Menveo® hingegen an ein Protein des Diphtheriebakteriums (Corynebacterium diphtheriae). Alle drei Impfstoffe können auch für eine Auffrischimpfung angewendet werden, wenn die Grundimmunisierung zuvor mit einem anderen Impfstoff erfolgt ist. 

MenQuadfi®: als einziger applikationsfertig

Ein Vorteil des neuen Impfstoffs könnte sein, dass MenQuadfi® der einzige der tetravalenten Meningokokken-Impfstoffe ist, der vor der Injektion nicht erst rekonstituiert und in applikationsfertige Form gebracht werden muss: MenQuadfi® liegt als fertige Injektionslösung bereits in der Ampulle vor, was Vorteile hinsichtlich der Haltbarkeit der Lösung mit sich bringt. So muss Menveo® nach Rekonstitution „sofort“ verwendet werden, erklärt GSK in der Fachinformation, auch wenn gezeigt worden sei, „dass das Arzneimittel nach der Rekonstitution bei Aufbewahrung unter 25 °C bis zu 8 Stunden chemisch und physikalisch stabil bleibt“. Ähnlich verhält es sich mit Nimenrix®: Der Impfstoff „sollte“ nach Rekonstitution „sofort“ verwendet werden, schreibt Pfizer in der Fachinformation. Eine verzögerte Verwendung werde nicht empfohlen, auch wenn der gelöste Impfstoff eine Stabilität für 8 Stunden bei 30 °C gezeigt habe.

STIKO empfiehlt nur Meningokokken-C-Impfung standardmäßig

Doch wer soll sich nun eigentlich vierfach vor den Meningokokken-Serogruppen A, C, W und Y schützen? Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Vierfachimpfung derzeit nicht als Standardimpfung. Sie rät standardmäßig nur zu einer Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe C im zweiten Lebensjahr. Nachholimpfungen sieht die STIKO bis zum 17. Lebensjahr vor.  

Den Schutz vor weiteren Meningokokken-Serogruppen – vierfach gegen A, C, W, Y oder monovalent gegen Meningokokken der Serogruppe B – ordnet die STIKO aktuell als Indikationsimpfung ein, und zwar dann, wenn ein erhöhtes Risiko für Infektionen mit diesen Serogruppen vorliegt: „Bei Vorliegen eines erhöhten Risikos für Meningokokken-Erkrankungen sollten Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einem Meningokokken ACWY-Konjugatimpfstoff sowie mit einem Meningokokken-B-Impfstoff geimpft werden“, erklärt das Robert Koch-Institut. Dabei fallen unter „erhöhtes Risiko“ beispielsweise 

  • Menschen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten,
  • gefährdetes Laborpersonal, 
  • Reisende in endemische Länder mit engem Kontakt zur einheimischen Bevölkerung 
  • sowie Schüler/Studenten vor Langzeit-Aufenthalten in Ländern mit empfohlener allgemeiner Impfung für Jugendliche oder selektiver Impfung für Schüler/Studenten. 

Kommt bald die Standardimpfung gegen Meningokokken B?

Doch vor allem beim Meningokokken-B-Schutz könnte sich in näherer Zukunft vielleicht etwas tun: Die STIKO beschloss in ihrer 95. Sitzung im März 2020 sich „prioritär“ mit den Themen „Standard-Influenzaimpfempfehlung für Kinder“ und „Meningokokken-B-Standardimpfempfehlung für Säuglinge und Kinder“ beschäftigen zu wollen. Das RKI erklärte damals auf Nachfrage der Redaktion, dass sich „voraussichtlich in den kommenden Monaten“ eine „Arbeitsgruppe der STIKO mit dieser Fragestellung beschäftigen“ werde. Bislang hat sie die Impfempfehlung zum Meningokokken-B-Schutz jedoch nicht geändert.