Titelbild: DAV / Schelbert
Hypochlorige Säure in der Kosmetik

Hypochlorige Säure (HOCl) ist eine schwache Säure, die der menschliche Organismus selbst bildet, um Krankheitserreger zu bekämpfen. Neutrophile Granulozyten, also spezialisierte Immunzellen, produzieren HOCl als Bestandteil der sogenannten oxidativen Burst-Reaktion. Ziel dieser Reaktion ist es, eingedrungene Mikroorganismen wie Bakterien, Viren oder Pilze unschädlich zu machen.
Durch diesen natürlichen antimikrobiellen Mechanismus trägt HOCl dazu bei, Entzündungen einzudämmen und die Wundheilung zu fördern. Aufgrund dieser Eigenschaften wird HOCl inzwischen in der medizinischen Wundversorgung ebenso wie in kosmetischen Präparaten eingesetzt.
Hypochlorige Säure: Bei diesen Hautzuständen anwendbar
Kosmetische Produkte mit hypochloriger Säure werden vor allem zur unterstützenden Behandlung von Hautzuständen eingesetzt, die mit einer gestörten Barrierefunktion und entzündlichen Prozessen einhergehen. Dazu zählen:
- Akne vulgaris: Durch die antimikrobielle Wirkung kann HOCl die Vermehrung von Cutibacterium acnes eindämmen und entzündliche Läsionen reduzieren.
- Rosazea: HOCl kann Rötungen und Irritationen mildern, da es entzündungsmodulierend wirkt.
- Ekzeme (z. B. atopische Dermatitis): Bei akuten Schüben kann HOCl helfen, die mikrobielle Belastung der Haut zu senken und sekundären Infektionen vorzubeugen.
- Periorale Dermatitis: Durch seine reizarmen Eigenschaften eignet sich HOCl bei dieser empfindlichen Indikation zur unterstützenden Reinigung.
- Kleinere Verletzungen und Irritationen: Beispielsweise Schürfwunden oder Irritationen nach Rasur oder kosmetischen Eingriffen wie z. B. Microneedling oder bei Maskne (Akne, die durch das Tragen von Masken entsteht) sowie Pickeln nach exzessivem Schwitzen wie etwa nach dem Sport
Gut zu wissen: Anwendung von HOCl in Schwangerschaft und Stillzeit
Schwangere und Stillende sollten vor der Anwendung ihren Arzt konsultieren, da es keine großen Studien speziell zur täglichen Gesichtsanwendung in der Schwangerschaft gibt.
Vorsicht ist daher immer geboten, auch wenn das Risiko nach heutigem Stand als sehr niedrig eingeschätzt wird und es Produkte auf dem Markt gibt, die als sicher in der Schwangerschaft deklariert sind.
Darreichungsformen von hypochloriger Säure
Hypochlorige Säure wird in der Kosmetik überwiegend in wässrigen Lösungen angeboten. Typische Darreichungsformen sind:
- Sprays (z. B. prontomed HypoClear Akne-Spray)
- Gesichtswasser oder Tonic
- Gele oder Wundpflegelösungen (z. B. Lavanox-Serag® Wundspray und -gel)
Die Konzentration liegt meist zwischen 0,01 und 0,02 %. Diese Dosierungen gelten als sicher und nicht irritierend. Sie verursachen selten Irritationen oder Augenreizungen.
Wie kann HOCl in die Hautpflegeroutine integriert werden?
Bei der Anwendung von hypochloriger Säure empfiehlt sich allgemein ein schrittweises Herantasten – insbesondere bei sensibler Haut, die individuell sehr unterschiedlich reagieren kann.
Anwender berichten teilweise von einer Austrocknung der Haut. Eine Kontakturtikaria und Hypersensibilität sind möglich. Deshalb empfiehlt es sich, die Verträglichkeit vorher mithilfe eines Patch-Tests durchzuführen.
Bei entzündlichen Hautproblemen kann HOCl ein- bis mehrmals täglich auf die gereinigte Haut gesprüht oder punktuell auf die betroffenen Areale aufgetupft werden. Anschließend empfiehlt es sich, das Produkt gut einziehen zu lassen. Danach können weitere Produkte, wie etwa Seren oder Cremes, aufgetragen werden.
Manche Produkte sind auch für die Schleimhäute geeignet (z. B. zur Wunddesinfektion), dies sollte jedoch nur mit entsprechenden Präparaten geschehen.
Kunden sollten auf den schwimmbadähnlichen Geruch hingewiesen werden, dieser ist allerdings unbedenklich. Eine trockene, lichtgeschützte Lagerung unter 25 °C gewährleistet die optimale Haltbarkeit des Produktes.
Hypochlorige Säure: Kombination mit anderen Wirkstoffen
HOCl ist ein Oxidationsmittel. Wird es gleichzeitig mit Antioxidantien wie Vitamin C, E, Niacinamid, Retinol, Resveratrol, Azelainsäure oder Q10 verwendet, können sich die Wirkmechanismen gegenseitig aufheben.
Daher sollte das HOCl-Produkt vorher gut eingezogen sein und ein zeitlicher Abstand eingehalten werden. Eine Trennung der Routine in separate morgendliche und abendliche Anwendung ist ebenfalls möglich.
Eine gleichzeitige Anwendung mit Retinoiden (z. B. Tretinoin) oder Fruchtsäuren ist prinzipiell möglich, kann aber bei empfindlicher Haut zusätzliche Irritationen auslösen. In diesem Fall empfiehlt sich ein schrittweises Herantasten.
HOCl besitzt keinerlei UV-Schutzwirkung. Gerade bei entzündlicher oder geschädigter Haut sollte konsequent ein Sonnenschutzmittel verwendet werden, um Reizungen durch UV-Strahlung zu vermeiden.
Das HOCl-Produkt wird unter dem Sonnenschutz aufgetragen und sollte gut einziehen. Sollte das HOCl-Produkt zwischendurch über dem Sonnenschutz angewendet werden, empfiehlt sich ein Nachcremen.
Keine Leitlinienempfehlungen für hypochlorige Säure
Obwohl HOCl in klinischen Studien mehrfach untersucht wurde – insbesondere im Bereich der Wundtherapie und chronischen Wunden –, liegen bislang nur wenige bis gar keine randomisierten kontrollierten Studien speziell für kosmetische Indikationen vor.
Fachgesellschaften wie die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) oder die European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) haben daher bisher keine verbindlichen Empfehlungen zur Anwendung in der Hautpflege formuliert. Für Kosmetik-Anwendungen stützt man sich bislang primär auf Studien oder Übersichtsartikel.
Außerdem fällt HOCl häufig in einen Grenzbereich zwischen Medizinprodukt oder Desinfektionsmittel und kosmetischem Präparat. Viele Produkte sind als Kosmetikum zugelassen, was den Anspruch an Evidenz für therapeutische Aussagen limitiert.
Dennoch berichten zahlreiche Anwender und Dermatologen von positiven Effekten bei Reizungen und Entzündungen.
Langzeitwirkung auf Haut von HOCl unklar
Besonders bei Akne, Rosazea, Ekzemen oder kleinen Läsionen kann HOCl die Haut unterstützen und das Hautmikrobiom regulieren.
Jedoch deuten Studien darauf hin, dass ein übermäßiger Gebrauch vermutlich Pathogene verstärken und eine Dysbiose (Ungleichgewicht der Mikroorganismen) der Haut fördern kann.
Diese Studien sprechen zwar nicht explizit von HOCl, sondern von Antiseptika (z. B. Chlorhexidin) allgemein, aufgrund ähnlicher antimikrobieller Mechanismen kann HOCl hier aber theoretisch ebenso agieren. Aktuell sind keine Langzeitstudien beim Menschen zur mikrobiellen Vielfalt nach täglichem Einsatz von HOCl auf der Haut bekannt.
HOCl kann Hautpflegeroutine ergänzen
Kurzfristig und gezielt angewendet, z. B. bei Akne oder zur Wundversorgung, ist HOCl in niedrigen Konzentrationen geeignet und sicher. Vor allem ist es zur unterstützenden Pflege und Prävention, weniger als alleinige Behandlung, gedacht. Die Kombination mit einer sanften Pflege und einem Barriereschutz empfiehlt sich also dennoch.
Ob HOCl ein langfristig etablierter Bestandteil dermatologischer Pflege wird, hängt von weiteren Studien und Leitlinien ab. Für sensible, irritierte, entzündete und zu Unreinheiten neigende Haut kann es jedoch schon jetzt eine interessante Ergänzung sein. Quellen:
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6303114/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31904191/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25785777/
https://www.jintegrativederm.org/article/56663
https://bonesmart.org/hocl-clinical-references/
https://www.dermatologytimes.com/view/hypochlorous-acid-is-it-just-a-trend-?
https://welzo.com/blogs/skincare/hypochlorous-acid-for-skin?
https://www.realsimple.com/hypochlorous-acid-8547964
https://health.clevelandclinic.org/hypochlorous-acid-skin-care
https://www.no-cosmetics.de/Daily-Skin-Guard-Facial-Mist-rescuetoday/
NC10190?srsltid=AfmBOoqbibCBj9QJe4UQxgLtI6r1dKMF7nSpXFSpwuTb4LofWslnp
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