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Rimegepant in Vydura®: Erstes Migräne-Arzneimittel zur Therapie und Prophylaxe

Bei akuten Migräneattacken und zur Prophylaxe steht Betroffenen zukünftig auch Rimegepant zur Behandlung zur Verfügung. | Bild: Prostock-studio / AdobeStock

Das erste „Gepant“ kommt in die EU: Die Europäische Kommission genehmigte Ende April die Zulassung von Rimegepant (Vydura®) für die Migränetherapie. Der Humanarzneimittelausschuss der EMA hatte zwei Monate zuvor die Zulassung des CGRP-Rezeptor-Antagonisten als neuartiges Migräne-Arzneimittel empfohlen

Zulassungsinhaber ist Biohaven Pharmaceutical Ireland, die Vermarktungsrechte für den Markt außerhalb der Vereinigten Staaten liegen bei Pfizer, in den Vereinigten Staaten liegen sie hingegen bei Biohaven Pharmaceutical. In den USA hatte die FDA Rimegepant bereits im Februar 2020 zugelassen, dort ist der CGRP-Rezeptor-Antagonist unter dem Handelsnamen Nurtec® auf dem Markt.

Neue Wirkstoffklasse und neue Möglichkeiten

Das Besondere: Rimegepant ist nicht nur der erste Vertreter einer neuen Gruppe von Migränetherapeutika – der „Gepante“. Vydura® ist auch das erste Arzneimittel, das Migränepatienten sowohl für die Behandlung akuter Migräneattacken als auch zur Prophylaxe neuer Migräneanfälle anwenden können.

Wer bekommt Rimegepant und wie wird es eingenommen?

Laut Zulassung ist Rimegepant indiziert zur Akutbehandlung von Migräne mit und ohne Aura und zur Vorbeugung von episodischer Migräne bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat. 

Vorteil ist, dass Rimegepant als orale Schmelztablette vorliegt, die schnell wirkt und die Einnahme erleichtert. Bei akuten Migräneanfällen nehmen Migräniker eine Tablette à 75 mg Rimegepant bei Bedarf ein, jedoch maximal eine Tablette pro Tag. 

Soll Rimegepant prophylaktisch neuen Anfällen vorbeugen, lautet die zugelassene Dosierung eine Tablette mit 75 mg Rimegepant alle zwei Tage.

Wie wirkt Rimegepant?

Rimegepant greift an einem in der Prophylaxe von Migräne bereits genutzten System ein und adressiert CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide). Dabei blockiert Rimegepant den CGRP-Rezeptor reversibel. 

Zur Erinnerung: Auch Migräne-Antikörper adressieren CGRP

CGRP ist auch das Ziel der Migräne-Antikörper Erenumab (Aimovog®), Eptinezumab (Vyepti®), Fremanezumab (Ajovy®) und Galcanezumab (Emgality®), die ausnahmslos parenteral verabreicht werden müssen (subkutan oder intravenös). 

Dass auch die Migräne-Antikörper irgendwann zur Akuttherapie – und nicht ausschließlich zur Prophylaxe – eingesetzt werden können, ist nicht ganz unwahrscheinlich. Zumindest der jüngste Antikörper, Eptinezumab, half in Studien auch bei akuten Attacken: Die Patienten waren schneller und häufiger kopfschmerzfrei, sie benötigten weniger Akutmedikation und auch neue Migräneanfälle traten später auf.

CGRP spielt eine Schlüsselrolle bei Migräne

Während einer Attacke weisen Migräniker erhöhte Spiegel des Neuropeptids CGRP auf. Es erweitert die Gefäße und überträgt Schmerzsignale. Die Blockade des CGRP-Rezeptors durch Rimegepant verhindert, dass CGRP seine Wirkung entfaltet. Die Migräne-Attacke wird gestoppt und neue Anfälle ausgebremst.  

Schneller schmerzfrei mit Rimegepant

Dass sich die Europäische Arzneimittel-Agentur für eine Zulassung von Rimegepant aussprach, liegt an positiven Ergebnissen einer Phase-3-Studie „Efficacy, safety, and tolerability of rimegepant orally disintegrating tablet for the acute treatment of migraine: a randomised, phase 3, double-blind, placebo-controlled trial“ veröffentlicht in „The Lancet“  zur Akuttherapie bei Migräne: Die Migräniker waren mit Rimegepant (n = 669) schneller schmerzfrei als nach Placebogabe (n = 682). Jeder fünfte Rimegepantteilnehmer (21 Prozent) berichtete zwei Stunden nach Tabletteneinnahme über Schmerzfreiheit, während es in der Placebogruppe nur jeder zehnte (11 Prozent) war. 

Zudem berichteten die Patienten über positive Effekte von Rimegepant auf die am meisten störenden Begleiterscheinungen, die mit einer Migräneattacke einhergehen können: Mit Vydura® als Therapeutikum waren 35 Prozent der Patienten zwei Stunden nach Einnahme frei von Übelkeit sowie Licht- und Lärmempfindlichkeit, unter Placebo waren es 27 Prozent.

Mit Rimegepant: weniger Migränetage pro Monat

In einer zweiten Phase-3-Studie (Präventionsstudie) „Oral rimegepant for preventive treatment of migraine: a phase 2/3, randomised, double-blind, placebo-controlled trial“ veröffentlicht im Fachjournal „The Lancet“  konnte Biohaven zeigen, dass Rimegepant – wenn Migräniker es jeden zweiten Tag einnehmen – die Anzahl der Migränetage stärker reduziert als Placebo (Behandlungszeitraum zwölf Wochen). Dieser Effekt konnte auch im offenen Teil der Studie über zwölf Monate hinaus beobachtet werden.  

Übelkeit und Hautausschlag als mögliche Nebenwirkungen

Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Rimegepant in den klinischen Studien zählte laut Biohaven und Pfizer Übelkeit (3 Prozent bei Rimegepant, 1 Prozent bei Placebo). Zu Überempfindlichkeitsreaktionen einschließlich Hautausschlag kam es bei weniger als 1 Prozent der Patienten. 

Die Hersteller betonen, dass es derzeit keine Hinweise gibt, dass Rimegepant ein Abhängigkeitspotenzial hat und mit einem übermäßigen Gebrauch von Arzneimitteln oder Rebound-Kopfschmerzen in Verbindung gebracht wird.