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Stiftung Warentest prüft 16 Apps mit Kopfschmerztagebuchfunktion: Wie empfehlenswert sind Apps bei Kopfschmerzen?

Ein (digitales) Kopfschmerztagebuch soll dabei helfen, Schmerzattacken, Symptome und Maßnahmen zu dokumentieren. Stiftung Warentest hat sich einige Anwendungen dazu angeschaut. | Bild: Natee Meepian/ AdobeStock; M-Sense_Migräne

Kopfschmerzen sind in Deutschland weit verbreitet: Dem Journal of Health Monitoring 2020 des RKI zufolge berichten 57,5 Prozent der Frauen und 44,4 Prozent der Männer von Kopfschmerzen innerhalb von zwölf Monaten. Dabei scheinen vor allem junge Menschen davon betroffen: Wie eine aktuelle Forsa-Umfrage zeigt, hat unter den Befragten im Alter zwischen 18 und 39 Jahren mehr als die Hälfte (52 Prozent) mindestens einmal pro Monat Kopfschmerzen. Bei den über 60-Jährigen trifft dies nur auf etwa ein Fünftel (21 Prozent) zu.

Aufgrund der enormen Beeinträchtigung, die durch (wiederkehrenden) Kopfschmerz im Alltag entsteht, ist der Wunsch nach etwas Abhilfe bei vielen groß. Gerade jüngere Betroffene greifen dabei auch auf spezielle Apps bei Kopfschmerzen und/oder Migräne zurück. Doch wie geeignet sind diese?

Apps setzen bevorzugt auf Tagebuchfunktion

Migräne- und Kopfschmerz-Apps sollen das Leiden der Betroffenen lindern und setzen dabei vor allem auf eine Tagebuchfunktion. Durch die zeitliche Erfassung der Kopfschmerzattacken sowie der jeweiligen Symptome und Maßnahmen können Diagnose und Therapie erleichtert werden. Zudem kann der Therapieverlauf überwacht und so ggf. weitere Maßnahmen ergriffen werden.

Kopfschmerztagebücher sind jedoch nicht neu. In analoger Form werden sie bereits von vielen Kopfschmerzpatienten geführt und sogar in der entsprechenden Leitlinie zur Diagnose eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes erwähnt.  

Stiftung Warentest hat im August dieses Jahres einige Kopfschmerz- und Migräne-Apps mit Tagebuchfunktion untersucht und kam zu einem ernüchternden Ergebnis.

Die Testkandidaten: Acht Anwendungen für Android bzw. iOS

16 Anwendungen nahmen die Tester unter die Lupe, wobei es sich – bei genauerem Hinsehen – um acht Anwendungen auf jeweils zwei Plattformen (iOS und Android) handelt. Mit dabei waren:

  • M-sense Migräne (Newsenselab)*
  • Kopfschmerzwissen (Zies)
  • Migräne App (Schmerzklinik Kiel)*
  • Headache hurts (Zies)*
  • Migraine Buddy (Healint)*
  • N1-Kopfschmerz (Curelator)
  • Manage My Pain Pro [Android] bzw. 
    Manage My Pain [iOS] (ManagingLife)
  • Kopfschmerztagebuch [Android] bzw. 
    Kopfschmerzkalender – Kopfschmerztagebuch (migrane) [iOS] (Fitric)

Von den acht untersuchten Anwendungen sind vier derzeit kostenfrei (mit Stern* markiert). Darüber hinaus werden die Kosten für Kopfschmerzwissen von Zies laut Anbieteraussage von einzelnen Krankenkassen übernommen.

Zudem ist erwähnenswert, dass sich M-sense Migräne lediglich an Migränepatienten richtet, alle anderen Apps beziehen sich auf Kopfschmerzen aller Art.

So wurde getestet

Um die Funktion der Schmerztagebücher zu überprüfen, wendeten die Tester die Apps an zwei konstruierten Fallbeispielen an. Sie führten die jeweiligen Tagebücher über 90 Tage und trugen zu bestimmten Zeitpunkten Schmerzattacken sowie Medikation in die App ein.

Von Interesse war für die Tester vor allem, welche Daten vorab zur Krankheitsgeschichte erhoben wurden und wie die Dokumentation der Schmerzattacken, der Symptome, der möglichen Triggerfaktoren und der Behandlungsmaßnahmen erfolgte.

Gut zu wissen: Das waren die getesteten Fallbeispiele

„Fall 1: eine Frau, die häufig Schmerzmedikamente gegen Migräne, menstruelle Migräne und Spannungskopfschmerz einnimmt.
 

Fall 2: ein Mann, bei dem Migräne-Attacken in größeren Abständen, dann aber sehr intensiv auftreten und der zudem nach einem Verkehrsunfall einen anhaltenden Kopfschmerz spürt.“

Zudem überprüften die Tester, ob Hintergrundwissen (z. B. zu Kopfschmerzformen oder Ursachen) vermittelt wird und ob die Apps den jeweiligen Kopfschmerztyp erkennen. Außerdem wollten sie wissen, ob die Anwendungen vor einem Schmerzmittelübergebrauch warnen und ob ggf. auf einen Arztbesuch hingewiesen wird.

Ein medizinischer Fachgutachter überprüfte die Studienlage zum Nutzen der jeweiligen Apps (bezogen auf Kopfschmerz oder Migräne). Des Weiteren nahmen die Tester auch Handhabung, Datenschutz und AGB unter die Lupe.

Bestnote lediglich 2,6

Die Experten von Stiftung Warentest kamen zu dem Schluss, dass keine der Anwendungen besser als „befriedigend“ abschneidet. Die „Spitzenreiter“ mit der Note 2,6 waren M-sense Migräne und Kopfschmerzwissen. Das Schlusslicht bildete Kopfschmerztagebuch bzw. Kopfschmerzkalender – Kopfschmerztagebuch von Fitric.

Als Grund für das allgemein schwache Abschneiden der Anwendungen nennt Stiftung Warentest vor allem die mangelnde Datenerhebung zur Kranken­geschichte (z. B. zu Begleit­erkrankungen, Medikation oder den beruflichen Umständen) sowie das Fehlen von wissenschaftlichen Nutzenbelegen. Lediglich zwei Anwendungen (M-sense Migräne und Migräne App) konnten die Tester in puncto Nutzennachweis überzeugen. Allerdings gibt Stiftung Warentest zu bedenken, dass das grundlegende Prinzip des Kopfschmerztagebuchs bewährt ist, weshalb ein fehlender Nutzennachweis bei der Gesamtbewertung nicht allzu groß ins Gewicht fiel (15 Prozent).

Vier Apps warnen bei Schmerzmittelübergebrauch

Für das pharmazeutische Fachpersonal besonders interessant dürfte die Funktion zur Warnung vor einem Schmerzmittelübergebrauch sein. Diese ist in den vier von Stiftung Warentest am besten bewerteten Apps enthalten: M-Sense Migräne, Kopfschmerzwissen, Migräne App und Headache hurts informieren ihre Nutzer, sofern in der App eine zu häufige Schmerzmitteleinnahme dokumentiert wurde.

Gut zu wissen: Keine DiGA für Kopfschmerzen oder Migräne

Keine der untersuchten Anwendungen ist derzeit auf Rezept erhältlich – dafür wäre eine Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis notwendig. Für die Indikationen Kopfschmerz oder Migräne hat das Verzeichnis aktuell jedoch auch keine Alternativen zu bieten.  

M-sense Migräne wurde zwar ursprünglich in das Verzeichnis vorläufig aufgenommen, doch auf Antrag des Herstellers im April 2022 wieder gestrichen. Als Grund nennt der Anbieter das Fehlen von Voraussetzungen für die dauerhafte Listung und dass die – für die Verschreibung notwendige – regelmäßige Arztkonsultation für viele Migräniker aufwändig sei.

Um für die Nutzer dennoch zur Verfügung zu stehen, ist die App vorläufig kostenfrei erhältlich. Laut Stiftung Warentest hat der Anbieter im August jedoch einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Wie es mit der Anwendung künftig weitergeht, ist daher noch ungewiss.

Abschließend rät Stiftung Warentest dazu, die Apps nicht auf eigene Faust, sondern in Absprache mit einem Arzt zu nutzen. Den vollständigen Bericht von Stiftung Warentest finden Sie hier.