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Winter 2022: Fünfmal mehr Babys wegen RSV in Kliniken

Kind mit Infusionszugang auf Krankenbett
Letzten Winter mussten besonders viele Kleinkinder wegen RSV in Kliniken behandelt werden. | Bild: Nutthavee / AdobeStock

Wenn die eigenen Kinder stark husten, schnell atmen und Atemnot bekommen, kann das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) dahinter stecken. In Deutschland ist im Winter 2022 laut einer Studie die Zahl der Neugeborenen und Säuglinge, die wegen des RS-Virus in einer Klinik behandelt werden mussten, drastisch angestiegen. 

Hochgerechnet auf alle in Deutschland lebenden Kinder mussten im vierten Quartal 2022 rund 17.000 unter Einjährige im Krankenhaus behandelt werden, dies ergab eine Analyse im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit. Das seien fünfmal mehr als im gleichen Zeitraum im Jahr 2018. Der Anteil auf den Intensivstationen sei um 350 Prozent gestiegen.

Für die DAK-Sonderanalyse untersuchten Wissenschaftler Daten von rund 786.000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren. Analysiert wurden die Jahre 2017 bis 2022.

Gut zu wissen: Wer kann sich mit RSV anstecken?

An dem Respiratorischen Synzytial-Virus kann man in jedem Alter erkranken, jedoch ist das RS-Virus einer der wichtigsten Erreger von Atemwegserkrankungen bei Säuglingen und Frühgeborenen. 

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass RSV für jährlich mehr als 30 Millionen Infektionen der unteren Atemwege bei Kleinkindern verantwortlich zeichnet, wovon drei Millionen Kinder schwer erkranken (Krankenhausbehandlung). RSV sei die häufigste Ursache für Krankenhausaufenthalte bei Kindern unter fünf Jahren. 

Zu den Risikopatienten zählt das Robert Koch-Institut (RKI) insbesondere Frühgeborene, Neugeborene, junge Säuglinge und Kinder mit Lungen-Vorerkrankungen, aber auch generell Menschen mit Immunschwäche oder unterdrücktem Immunsystem.

Nachholeffekt bei RSV aufgrund der Corona-Pandemie

Als Grund dafür nennt die Studie unter anderem Nachholeffekte wegen der Corona-Pandemie. Die Saison 2020/21 für RS-Viren sei wegen der Schutzmaßnahmen nahezu ausgefallen, sagte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Der Ausfall der Welle 2020/21 und das zeitliche Vorziehen der sehr starken Welle 2021/22 zeigten, dass es erhebliche Nachholeffekte gab.

Ähnlich sieht das Johannes Liese, Leiter des Bereichs pädiatrische Infektiologie und Immunologie am Universitätsklinikum Würzburg. Durch die Schulschließungen und Kontaktverbote während der Corona-Pandemie hätten sich deutlich weniger Kinder mit RSV infiziert. „Das Aufholen beziehungsweise Nachholen dieser RSV-Infektionen nach Lockerung der Corona-Maßnahmen führte zu einem überaus starken Wiederanstieg an RSV-Erkrankungen in allen Altersgruppen“, sagt Liese.

Kliniken besser auf Infektionswellen vorbereiten

Beim RKI heißt es unter Berufung auf Schätzungen, dass RSV-Atemwegserkrankungen weltweit mit einer Inzidenz von 48,5 Fällen und 5,6 schweren Fällen pro 1.000 Kinder im ersten Lebensjahr vorkommen. 

Innerhalb des ersten Lebensjahres hätten normalerweise 50 bis 70 Prozent und bis zum Ende des zweiten Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht. Im Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen waren viele solche Infektionen allerdings zeitweise ausgeblieben.

DAK-Chef Andreas Storm mahnt eine Reaktion an. „Unsere Analyse zeichnet ein dramatisches Bild und macht deutlich: Es gibt einen akuten Handlungsbedarf der Politik“, sagte Storm. „Wir müssen im Klinikbereich und im ambulanten Sektor in Zukunft besser auf Infektionswellen vorbereitet sein. Es kann nicht sein, dass vorhandene Behandlungsplätze wegen Personalmangels nicht genutzt werden können. Das müssen wir künftig unbedingt vermeiden.“ Quelle: dpa / mia