Aktuelles
8 min merken gemerkt Artikel drucken

Blaue Hand: Checkliste für Fachkreise: Fentanyl-Nasenspray: Was ist zu beachten?

männliche Hand hält Nasenspray vor Apothekenregal
Nasensprays mit Fentanyl müssen dringend kindersicher aufbewahrt werden. | Bild: I Viewfinder / AdobeStock

Eine geeignete Schmerztherapie von Patienten mit chronischen Tumorschmerzen ist eine Kunst. Durchbruchschmerzen sind eine besondere Herausforderung, denn sie treten anfallsartig und mit höchster Intensität auf. 

Eine Therapiemöglichkeit stellt Fentanyl als Nasenspray (Instanyl® oder Pecfent®) dar. Als hochwirksames und zugleich schnellwirksames Schmerzmittel ist die Anwendung scheinbar kinderleicht. Jedoch gibt es bei der Darreichungsform als Nasenspray bei hochpotenten Pharmaka einige Dinge zu beachten.

Zur Erinnerung: Wann wird Fentanyl verwendet?

Fentanyl gehört wie Buprenorphin und Oxycodon zur Gruppe der stark wirksamen Schmerzmittel und zählt zu den Opioiden. Es wird vorrangig bei starken Schmerzen wie beispielsweise bei chronischen Tumorschmerzen, Polytraumata, Verbrennungen oder Frakturen eingesetzt. Neben der schmerzlindernden Anwendung eignet es sich in höheren Dosen auch als Narkosemittel in der Anästhesie.

Aufgrund seiner euphorisierenden Wirkung ist Fentanyl vor allem in der Drogenszene beliebt und wird häufig als Rauschmittel missbraucht. 

Da Fentanyl dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterliegt, sind bei der Verschreibung und Anwendung des Wirkstoffes strengste Kriterien zu berücksichtigen. Denn immer wieder wird über schwere Nebenwirkungen und Todesfälle in Zusammenhang mit einer nicht fachgerechten Gabe von Fentanyl berichtet. /vs

Wann wird ein Fentanyl-Nasenspray angewendet?

Die Verordnung von Fentanyl-Nasensprays gehört grundsätzlich in die Hände eines in der Opioidtherapie erfahrenen Arztes. Fentanyl darf nur zusätzlich zu einer bestehenden Opioid-Basistherapie angewendet werden, da andernfalls das Risiko für eine klinisch relevante Atemdepression erhöht ist. Konkret müssen Patienten also seit wenigstens einer Woche eine Basistherapie mit mindestens

  • 60 mg oralem Morphin,
  • 30 mg Oxycodon oder
  • 8 mg oralem Hydromorphon pro Tag einnehmen.

Ähnlich wirksame Dosen eines anderen Opioids oder beispielsweise ein transdermales Fentanyl-Pflaster ab 25 µg/Stunde wären ebenfalls ausreichend. Fentanyl darf nicht für die Behandlung anderer Schmerzen – wie Kopf-, Rücken-, oder Zahnschmerzen – angewendet werden.

Fentanyl-Nasenspray – die richtige Dosis finden

Fentanyl als Nasenspray ist in verschiedenen Wirkstärken von 50 µg bis 400 µg pro Sprühstoß erhältlich (Instanyl® 50 µg, 100 µg oder 200 µg pro Sprühstoß und Pecfent® 100 µg oder 400 µg pro Sprühstoß). Um Verwechslungen auszuschließen, unterscheiden sich die Präparate je nach Stärke in ihrer Farbe. 

Damit die passende Stärke gefunden wird, ist eine Dosistitration erforderlich: Dabei sollen Patienten zunächst einen Sprühstoß der niedrigsten Stärke in nur ein (!) Nasenloch verabreichen. Naseputzen oder Schnäuzen im Anschluss ist zu vermeiden.  

Vor einer erneuten Applikation, sprich bei erneuter Schmerzepisode, sollen mindestens vier Stunden verstreichen. Pro Tag sollen Patienten maximal vier Schmerzepisoden mit Pecfent® beziehungsweise Instanyl® behandeln. Je Schmerzepisode können bis zu zwei Sprühstöße eingesetzt werden. Die maximale Anzahl an Sprühstößen liegt bei viermal täglich zwei – unabhängig von der verordneten Dosis.

Reicht dieses Dosierschema nicht aus, muss der behandelnde Arzt über eine eventuelle Anpassung der Nasenspray-Dosis oder der Opioid-Basistherapie entscheiden.

Gut zu wissen: Anzeichen einer Fentanyl-Überdosierung

  • Schwindel
  • Gang- oder Sprachschwierigkeiten
  • Krämpfe oder Krampfanfälle
  • Atemdepression
  • Bradykardie (verlangsamter Herzschlag) 
  • Sedierung
  • Lethargie (Bewusstseinsstörung mit ausgeprägter starker Schläfrigkeit) bis hin zu Koma

Bei Auftreten von Symptomen einer Überdosierung muss sofort der Notarzt gerufen werden. Das gilt ebenso bei einer Anwendung durch eine Person, für die das Arzneimittel nicht bestimmt ist. Eine Verwechslung mit einem Schnupfenspray endet schlimmstenfalls tödlich! 

Worin unterscheiden sich die Fentanyl-Präparate?

Fentanyl ist stark lipophil und wird rasch durch die Nasenschleimhaut aufgenommen. Bei Instanyl® handelt es sich um eine wässrige Fentanylcitrat-Lösung. Pecfent® hingegen enthält als Hilfsstoff Pektin und bildet bei Kontakt mit Calciumionen auf der Nasenschleimhaut ein Gel, aus welchem der Wirkstoff herausdiffundiert.

Bei Pecfent® findet also eine gelmodulierte Resorption von Fentanyl statt. Deshalb sind Pecfent® und Instanyl® nicht 1:1 austauschbar! Die absolute Bioverfügbarkeit variiert und ist bei Pecfent® niedriger, sodass Patienten bei einem Präparatewechsel keinesfalls die gleiche Dosis verwenden dürfen. 

Stattdessen ist eine erneute Dosistitration beginnend mit der niedrigsten Stärke nötig. Der Wirkeintritt ist dennoch bei beiden Präparaten vergleichbar schnell.

Zur Erinnerung: Was versteht man unter Bioverfügbarkeit?

Die Bioverfügbarkeit ist eine Messgröße, die angibt, wie schnell, in welchem Umfang und an welchem Ort der Wirkstoff eines Arzneimittels nach der Einnahme im Körper wirkt. Bestimmte Faktoren wie z. B. die Art der Arzneiform oder die Resorptionsgeschwindigkeit des Wirkstoffs können die Bioverfügbarkeit beeinflussen.

Bei intravenös verabreichten Arzneimitteln liegt die Bioverfügbarkeit definitionsgemäß bei 100%. Unter der absoluten Bioverfügbarkeit versteht man daher die Bioverfügbarkeit im Vergleich zur intravenösen Gabe. /vs

Anwendungsvorbereitung von Fentanyl-Nasensprays

Eine Flasche Pecfent® enthält immer acht Sprühstöße. Instanyl® wird hingegen als Einzeldosis oder im Multidosen-Behältnis angeboten. 

Nasensprays, die mehrere Dosen enthalten, müssen vor der allerersten Anwendung von den Patienten vorbereitet werden: Hierfür müssen drei oder vier Sprühstöße in die Luft abgeben werden, ehe ein feiner Sprühnebel entsteht. Bei Pecfent® signalisiert ein grüner Balken, dass das Nasenspray gebrauchsfertig ist. 

Wird Pecfent® mehr als vier Tage nicht angewendet (Instanyl® mehr als sieben Tage), muss die Flasche erneut vor der nächsten Anwendung durch Auslösen eines Sprühstoßes vorbereitet werden. Da hierdurch bereits kleine Mengen Fentanyl in die Luft abgegeben werden können, sollten diese Sprühstöße nie auf andere Menschen gerichtet und nur bei guter Lüftung ausgelöst werden.

Hinweise zum Instanyl®-Einzeldosis-Nasenspray:

Das Instanyl®-Einzeldosis-Nasenspray stellt tatsächlich nur einen einzigen Sprühstoß zur Verfügung. Dieser ist einzeln in einem (kindersicheren) Blister verschweißt, direkt gebrauchsfertig und darf keinesfalls vorab „getestet“ werden. 

Patienten sollten daher bei der Anwendung die Sprühdüse in die Nase einführen und dann erst den Kolben nach oben drücken, während sie leicht einatmen. Wurde der Kolben nach oben gedrückt, wurde die Dosis erfolgreich ausgelöst und die Patienten haben die Dosis erhalten. Nicht von jedem Patienten wird der Sprühstoß bemerkt! 

Gibt es Wechselwirkungen bei Fentanyl?

Laut Fachinformation ist auch bei Schnupfen eine Beratung der Fentanyl-Patienten unabdingbar. Oxymetazolin und wohl auch ähnlich vasokonstriktorische Nasensprays verdoppeln die Zeit bis zum Erreichen der maximalen Fentanyl-Plasmakonzentration.

Ein „klassisches“ Erkältungsnasenspray darf also keinesfalls während der Fentanyl-Anwendung, oder während der Dosistitration, verwendet werden.

Ein Infekt an sich beeinflusst die Wirkung von Fentanyl hingegen nicht. Die gleichzeitige Gabe anderer nasaler Arzneimittel mit Ausnahme von Oxymetazolin wurde nicht untersucht, sodass ein Abstand von mindestens 15 Minuten empfohlen wird. 

Fentanyl wird hauptsächlich über das Enzym Cytochrom P450 metabolisiert. Es ist also jenseits von Nasensprays an weitere Wechselwirkungen zu denken, da Wirkstoffe, die durch CYP-Enzyme verstoffwechselt werden, anfällig für Arzneimittel-Interaktionen sind.

Kindersichere Aufbewahrung und Entsorgung von Fentanyl

Eine behördlich genehmigte Checkliste – versehen mit dem Blaue-Hand-Logo – für Fachkreise fasst die erforderlichen Maßnahmen vor der Abgabe von Fentanyl-Nasensprays noch einmal zusammen:

  • „Die zugelassene Indikation ist gegeben.
  • Der Patient wurde unterrichtet, wie das Nasenspray anzuwenden ist.
  • Der Patient wurde darauf hingewiesen, sich mit den Inhalten der Packungsbeilage vertraut zu machen.
  • Die beiliegende Patientenbroschüre und die Dosierkarten wurden mit dem Patienten besprochen.
  • Der Patient wurde über die korrekte Vorbereitung des Nasensprays unterrichtet.
  • Der Patient wurde über die Anzeichen einer Fentanyl-Überdosierung und über die Notwendigkeit, beim Auftreten dieser Anzeichen unverzüglich medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, unterrichtet.
  • Der Patient wurde auf die Notwendigkeit einer sicheren und für Kinder unzugänglichen Aufbewahrung hingewiesen.
  • Der Patient wurde über das korrekte Öffnen und Schließen der kindersicheren Verpackung informiert, wie auf dem Folienetikett der Verpackung beschrieben.
  • Der Patient wurde über die geeignete Entsorgung von Instanyl® beraten.“

Laut dem Schulungsmaterial für Pecfent® muss eine entleerte Fentanyl-Flasche noch insgesamt viermal betätigt werden, bevor sie im kindersicheren Behälter zur Entsorgung in eine Apotheke gebracht werden „muss“. Gleiches gilt für alternative Entsorgungsmöglichkeiten.

Zur Erinnerung: Was ist die Blaue Hand?

Seit 2016 ergänzt die Blaue Hand die Rote und kennzeichnet behördlich angeordnetes und genehmigtes Schulungsmaterial, wie etwa Checklisten, Patientenausweise, Leitfäden oder Broschüren für Patienten. 

Dies wird immer dann erforderlich, wenn für die sachgerechte Anwendung zusätzliche Informationen erforderlich sind, die über die Fach- und Gebrauchsinformation hinausgehen. Das Material ist beispielsweise Bestandteil sogenannter Risikomanagementpläne und erforderlich, um ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zu gewährleisten.  

Seit der Einführung wird das Angebot stetig erweitert. Das Schulungsmaterial kann auf der Homepage des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beziehungsweise im Fall von biomedizinischen Arzneimitteln wie Antikörpern auf der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) aufgerufen werden.