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Nach Sitzung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht: Wird Viagra rezeptfrei?

Blaue Viagra-Pille auf Viagra-Schachtel von Pfizer
Über einen OTC-Switch von Viagra wurde bereits 2022 gesprochen. | Bild: Alex Segre / AdobeStock

Werden Viagra und Cialis bald ohne Rezept erhältlich sein? Diese Frage wurde jüngst vom Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht wieder intensiv diskutiert. Auf der 86. Sitzung des Ausschusses Anfang 2023 hatte ein Mitglied laut Ergebnisprotokoll „um Informationen zur Umsetzung der Empfehlung des Ausschusses zu Sildenafil“ von 2022 gebeten.

Dazu soll das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Januar ausgeführt haben, dass die Frage der Verschreibungspflicht von Sildenafil im BMG neu aufgegriffen worden sei – „insbesondere in Hinblick auf die Risiken und Gefahren des illegalen Onlinehandels“. Somit war bereits erwartet worden, dass der Ausschuss erneut über das Thema abstimmen würde. 

Zur Erinnerung: OTC-Switch bereits 2022 in der Diskussion

In manchen Ländern gibt es Sildenafil bereits ohne Rezept. Im Januar 2022 hatte der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht sich jedoch einstimmig dagegen ausgeprochen, Sildenafil auch in Deutschland von der Rezeptpflicht zu entlassen. Damals ging es um eine Dosis von 50 Milligramm.

Sildenafil und Tadalafil bleiben verschreibungspflichtig

Neu bekannt wurde schließlich im Juni dieses Jahres, dass auch gleich über Tadalafil mit abgestimmt werden würde. 

Doch sowohl für Sildenafil 25 mg als auch Tadalafil 10 mg heißt es nun: Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt mehrheitlich, den Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht zur oralen Anwendung abzulehnen. Das geht aus dem gestern veröffentlichten Kurzprotokoll zur 87. Sitzung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht hervor. 

Die Gründe dürften die gleichen sein, wie bei der vorherigen Entscheidung im Jahr 2022. 

Auch Urologen gegen Entlassung

Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) und der Berufsverband der Deutschen Urologie (BvDU) hatten davor gewarnt, Viagra aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Erektionsstörungen können demnach Frühwarnsymptome für dahinterliegende Krankheiten sein, die bei einem Arztbesuch auffallen – etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, niedriger Blutdruck oder Leberinsuffizienz.

Es liege auf der Hand, dass Patienten die Dosis auf eigene Faust leicht erhöhen könnten, indem einfach mehrere Pillen genommen würden, sagte Urologie-Professor und DGU-Sprecher Axel Merseburger. Insofern sei man –  egal ob es um 25 oder 50 Milligramm gehe – generell gegen eine Entlassung aus der Verschreibungspflicht. Doch warum wird dann überhaupt über einen OTC-Switch diskutiert?

Potenzmittel interessant für Schwarzmarkt

Es besteht die Hoffnung, dass eine Rezeptfreiheit dem florierenden Schwarzmarkt mit den Pillen Einhalt gebieten könnte. Illegale Potenzmittel enthalten oft andere Inhaltsstoffe als angegeben und können z. B. mit Schwermetallen verunreinigt sein. Das birgt gesundheitliche Risiken.

Es gebe durchaus eine gewisse Gefahr bei Schwarzmarktprodukten, sagte auch DGU-Sprecher Merseburger. Der Weg übers Internet sei natürlich anonymer, aber für Patienten letztendlich nicht sicherer. Der Weg über den Schwarzmarkt ist demnach etwa für Männer attraktiv, die aus Scham nicht zum Arzt gehen, die Einnahme vor der Partnerin geheim halten wollen oder schlicht nicht so viel Geld haben.

Dennoch überwiegen für den Verband die Vorteile eines Arztbesuchs, bei dem nicht nur Krankheiten erkannt werden, sondern auch auf mögliche Risiken und Nebenwirkungen der Viagra-Einnahme eingegangen werden kann.

Merseburger befürchtete außerdem, dass bei einer Freigabe ohne Rezept oft auch die Kontrollfunktion der Apotheken wegfallen würde, wenn die Pillen online bestellt würden.

Verschreibungspflicht für Azelastin und Fluticasonpropionat bleibt

Ebenfalls zum zweiten Mal wurde gestern die Entlassung aus der Verschreibungspflicht für Nasensprays mit den Wirkstoffen Azelastin und Fluticasonpropionat diskutiert, die bei schwerer allergischer Rhinitis indiziert sind. 

Doch auch hier gab es offenbar keine neuen überzeugenden Argumente: „Der Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für die Zubereitung aus Azelastin und Fluticasonpropionat zur nasalen Anwendung fand im Sachverständigen-Ausschuss nicht die erforderliche Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten.“

Rizatriptan in der Selbstmedikation

Gute Nachrichten gibt es hingegen für alle Migräne-Patienten, die sich nach einem vierten schnell wirksamen Triptan in der Selbstmedikation gesehnt haben: Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt einstimmig, den Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für Rizatriptan 5 mg zur oralen Anwendung anzunehmen.  

Gut zu wissen: Wieso ein viertes OTC-Triptan nützlich ist

Suma-, Nara- und Almotriptan stehen in der Selbstmedikation schon länger zur Verfügung. Doch trotz vieler Gemeinsamkeiten sind die Substanzen nicht gleichermaßen für jeden Patienten geeignet. Daher bietet ein OTC-Switch von Rizatriptan den Betroffenen weitere Möglichkeiten.

Die Empfehlungen des Ausschusses sind allerdings nicht bindend – sie haben aber Gewicht und werden oft übernommen. Tatsächliche Änderungen der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) erfolgen erst durch Rechtsverordnungen des Bundesministeriums für Gesundheit, nach Zustimmung des Bundesrates. Quelle: BfArM, dpa