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Was sind eigentlich Porphyrien?

Das Innere einer Blutader, in der die roten Blutplättchen schwimmen
Bei Porphyrien ist die Synthese des roten Blutfarbstoffs Häm gestört. | Bild TuMeggy / AdobeStock

Alle Formen von Porphyrie haben eines gemeinsam: Die Synthese des roten Blutfarbstoffs Häm ist gestört, da genetisch bedingt bestimmte Enzyme nicht mehr richtig arbeiten. Es häufen sich dann Vorläuferprodukte des Häm – verschiedene Porphyrine – übermäßig an. Diese lagern sich vor allem in der Leber und der Haut ab oder schädigen das Nervensystem.

Verschiedene Enzymstörungen – verschiedene Porphyrie-Formen

Die Häm-Synthese verläuft über mehrere Zwischenschritte und für jeden Zwischenschritt ist ein anderes Enzym verantwortlich. Je nachdem, welches dieser Enzyme in seiner Funktion gestört ist, werden verschiedene Porphyrie-Formen unterschieden. Sie können mit unterschiedlichen Symptomen einhergehen. Grob unterscheidet man akute und nichtakute Porphyrien.

Akute intermittierende Porphyrie: schubförmiger Verlauf

Unter den akuten Porphyrien ist die akute intermittierende Porphyrie die häufigste Form (ca. 1 von 100.000 betroffen). Sie gehört zu den hepatischen Porphyrien – also jenen, die die Leber betreffen. Bei ihr ist das Enzym Porphobilinogen-Desaminase in der Leber verändert.

Akute Porphyrien verlaufen schubförmig. Häufige Symptome bei einem Schub sind plötzlich auftretende kolikartige Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, außerdem Herzrasen und Bluthochdruck. Auch Missempfindungen und Lähmungserscheinungen sind möglich, ebenso Verwirrtheit und Angstzustände. 

Diese Beschwerden können diagnostisch zunächst auf eine falsche Spur führen, etwa in Richtung Reizdarmsyndrom, Endometriose, Fibromyalgie oder Herz-/Kreislauferkrankung.

Schubauslöser: Stress, Alkohol, Medikamente 

Ausgelöst wird ein Porphyrie-Schub zum Beispiel durch Stress, übermäßigen Alkoholkonsum, Fasten oder einen Infekt. Auch Hormonschwankungen, etwa beim Menstruationszyklus, können Auslöser für einen Schub sein. In diesen Situationen benötigt der Körper mehr Häm und kurbelt dessen Produktion an.

Durch den Enzymdefekt häufen sich jedoch die Häm-Vorstufen im Körper an, die die verschiedenen Beschwerden auslösen. Da Häm auch Bestandteil von Cytochrom-P450-Enzymen ist, können auch Medikamente die hierüber metabolisiert werden, die Häm-Biosynthese anregen und daher schubauslösend wirken. Kritische Substanzen sind zum Beispiel Diclofenac, Sulfonamid-Antibiotika sowie die Antikonvulsiva Carbamazepin, Phenytoin und Valproinsäure.

Porphyrie-Schübe treten überwiegend im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf. Die meisten Patienten erholen sich nach einem akuten Schub fast vollständig. Viele Betroffene erleiden während ihres Lebens nur wenige Schübe.

Wie werden Porphyrien diagnostiziert?

Labordiagnostisch lassen sich während eines akuten Porphyrie-Schubs im Urin stark erhöhte Werte der beiden neurotoxischen Porphyrin-Vorstufen Porphobilinogen und Delta-Aminolävulinsäure (δ-ALA) nachweisen. Die Betroffenen stellen außerdem meist selbst fest, dass ihr Urin rot oder dunkel verfärbt ist.  

Auch wenn der Enzymdefekt bei den akuten hepatischen Porphyrien in den Leberzellen liegt, verursachen die Stoffwechselerkrankungen primär keinen Leberschaden. Allerdings besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich später Leberkrebs bildet.

Nichtakute Porphyrien haben Auswirkung auf die Haut 

Neben weiteren Formen akuter Porphyrien (z. B. Porphyria variegata, hereditäre Koproporphyrie) gibt es die nichtakuten Formen, die sich vorwiegend auf die Haut auswirken. Dazu gehört die erythropoetische Protoporphyrie (1 von 200.000 betroffen), bei der der Enzymdefekt im Knochenmark liegt.

Bei ihr tritt bereits im Kindesalter eine zum Teil schwere Lichtunverträglichkeit auf. Wirksamer Sonnenschutz ist unabdingbar. Da sich bestimmte Porphyrine in der Leber ablagern, kann es mit der Zeit zu einer Leberzirrhose kommen. Die insgesamt häufigste Porphyrie-Form ist die Porphyria cutanea tarda (2 von 100.000 betroffen).

Bei den Betroffenen ist die Haut an lichtexponierten Stellen besonders verletzlich und es kommt ebenfalls zu Porphyrin-Ablagerungen in der Leber. Typisch sind begleitend andere Lebererkrankungen wie eine Hepatitis C.

Behandlungsmöglichkeiten einer Porphyrie

Ist die Diagnose einer akuten Porphyrie gesichert, müssen zunächst mögliche schubauslösende Medikamente ärztlich kontrolliert abgesetzt werden. Wichtig ist es, auf den Genuss von Alkohol und Nikotin zu verzichten.

Bei einem akuten Porphyrie-Schub kann Häm-Arginat (Normosang®) als Infusion eingesetzt werden. Seit wenigen Jahren steht ein neues Therapieprinzip für die akute hepatische Porphyrie zur Verfügung: das Medikament Givosiran (Givlaari), das einmal monatlich subkutan injiziert wird.

Es handelt sich bei diesem Arzneimittel um eine kleine interferierende Ribonukleinsäure (small interfering Ribonucleic Acid, siRNA). Sie bewirkt, dass ein Gen vorübergehend stumm geschaltet wird, sodass nicht so viele pathogene Häm-Vorstufen anfallen. Die Porphyrie-Attacken lassen sich mit diesem Medikament reduzieren.Quellen: Deutsche Leberstiftung; Selbsthilfegruppe Akute Porphyrie e.V. 

Porphyrien in Kürze:

  • Seltene, genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen; Biosynthese des roten Blutfarbstoffs Häm aufgrund von Enzymdefekten gestört
  • Durch Unterbrechung der Biosynthese Anhäufung von Porphyrinen oder deren Vorstufen, vor allem in Leber und Haut
  • Je nach Porphyrie-Form unterschiedliche Symptomatik; schubförmiger Verlauf bei akuten hepatischen Porphyrien mit Bauchkrämpfen, Übelkeit, Missempfindungen, Verwirrtheitszuständen u. a.; langfristig erhöhtes Leberkrebsrisiko; nichtakute Porphyrien meist mit Hautsymptomatik
  • Diagnose durch Nachweis von erhöhten Konzentrationen der Zwischenprodukte der Häm-Synthese in Urin-, Blut- und Stuhlproben
  • Nicht heilbar; Therapie des akuten Schubs mit Häm-Arginat; neuere Behandlungsmöglichkeit: siRNA-Medikament Givosiran; Meiden von Schubauslösern; bei kutanen Formen adäquater Sonnenschutz