Wirkstoffe mit mehr als einer Indikation

Einige Arzneistoffe gibt es in unterschiedlichen Dosierungen: etwa Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen. Je nach Dosierung und Einnahmeschema kann ein Wirkstoff unterschiedliche therapeutische Effekte erzielen und daher dosisabhängig in verschiedenen Indikationen eingesetzt werden. Welche weiteren gängigen Arzneistoffe dazu gehören und für welche Indikationen diese jeweils eingesetzt werden, das erfahren Sie in dieser Serie.
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Wann wird Simvastatin eingesetzt?

5 verschiedene Packungen von Simvastatin auf einem Apothekentisch
Simvastatin gehört zur Gruppe der Statine. | Bild: IMAGO / photothek

Bei einem erhöhten Cholesterol-Blutspiegel steigt das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung deutlich an. Zur Prävention werden daher Statine eingesetzt, die vor allem den LDL-Cholesterolwert senken. Zu den bekanntesten Statinen zählt Simvastatin. Bei welchen Indikationen kann Simvastatin eingesetzt werden?

Welche Funktion hat Cholesterol im Körper?

Cholesterol, auch Cholesterin genannt, ist ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Zellmembranen und Ausgangsstoff zur Bildung von Steroidhormonen und Gallensäuren. Chemisch gesehen handelt es sich bei der Substanz um einen polycyclischen Alkohol mit lipophilen Eigenschaften. 

Cholesterol wird zum Teil mit der Nahrung aufgenommen, kann aber auch im Körper selbst in der Leber synthetisiert werden. Wegen seiner Lipophilie wird es im Blut mithilfe wasserlöslicher Trägerproteine transportiert. Cholesterol wird dabei überwiegend zu Low-Density-Lipoproteinen (LDL) und High-Density-Lipoproteinen (HDL) verpackt. 

Diese Partikel weisen unterschiedliche Eigenschaften auf: Das LDL-Cholesterol, das umgangssprachlich auch als „böses Cholesterin“ bekannt ist, führt zu Einlagerungen von fetthaltigen Substanzen in den Blutgefäßen und ist mit die Hauptursache für Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Das „gute“ HDL-Cholesterin weist dagegen sogar einen kardioprotektiven Effekt auf. 

Gut zu wissen: Zielwert für LDL-Cholesterol

Bei erhöhten Cholesterolwerten wird durch eine entsprechende Diät und die Einnahme von Arzneimitteln versucht, den Wert zu senken. Der angestrebte Wert für LDL-Cholesterol muss dabei immer im Zusammenhang mit dem Risikoprofil eines Menschen für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung gesehen werden. 

Grundsätzlich gilt, je höher das Gesamtrisiko, desto niedriger sollte der LDL-Cholesterolwert sein. Bei Menschen, die bereits an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden, sollte der Wert auf unter 55 mg/dL abgesenkt werden. Bei besonders hohem Risiko ist sogar ein Wert von 40 mg/dL anzustreben.

Wofür wird Simvastatin genau angewendet?

Der Wirkstoff Simvastatin wird bei erhöhten Cholesterol- und Triglyceridwerten eingesetzt, wenn eine Diät und andere Maßnahmen wie körperliches Training und Gewichtsabnahme nicht ausreichen. 

Weiterhin wird Simvastatin bei der Erbkrankheit familiäre Hypercholesterinämie, die zu erhöhten Cholesterolwerten im Blut bereits in jungen Jahren führt, verschrieben. 

Angewendet wird die Substanz auch bei Patienten, die bereits eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben oder bei denen ein hohes Risiko besteht, in naher Zukunft eine solche Erkrankung zu entwickeln. 

Bei kardiovaskulären Patienten kann Simvastatin den atherosklerotischen Veränderungen in den Gefäßen wirkungsvoll vorbeugen und so die Mortalität senken. 

Simvastatin: Wie funktioniert der Wirkmechanismus?

Wie alle Substanzen aus der Arzneimittelgruppe der Statine greift Simvastatin in den Stoffwechsel von Cholesterol ein. 

Dazu hemmt die Substanz das Enzym HMG-CoA-Reduktase kompetitiv, welches bei der Biosynthese von Cholesterol in der Leber die Umwandlung von 3-Hydroxy-3-methyl-glutaryl-Coenzym A (HMG-CoA) zu Mevalonat katalysiert. Die HMG-CoA-Reduktase stellt eines der Schlüsselenzyme bei der körpereigenen Bildung von Cholesterol dar. 

Strukturformel von Simvastatin
Strukturformel von Simvastatin | Screenshot: chemicalbook.com

Statine weisen eine strukturelle Ähnlichkeit zum Substrat des Enzyms HMG-CoA-Reduktase auf. Da sie eine höhere Affinität als die körpereigene Substanz aufweisen, können sie 3-Hydroxy-3-methyl-glutaryl-Coenzym A vom Enzym verdrängen und dieses hemmen. 

Simvastatin liegt zunächst als inaktives Prodrug vor und wird in der Leber in seine aktive Form überführt. 

Bei einer Hemmung des Enzyms HMG-CoA-Reduktase nimmt die Konzentration an LDL-Cholesterol in den Leberzellen ab. Um diesen Mangel auszugleichen, bilden die hepatischen Zellen vermehrt LDL-Rezeptoren auf ihrer Zellmembran und können dadurch mehr LDL-Cholesterol aus dem Blut aufnehmen. Auch die Konzentration an Triglyceriden im Blut nimmt ab, während der HDL-Cholesterolspiegel ansteigt. 

Weiterhin hat Simvastatin, wie alle Statine, auch sogenannte pleiotrope Effekte – diese sind auf den ersten Blick nicht durch eine Abnahme des LDL-Spiegels erklärbar. Die Substanz wirkt auch antioxidativ, antientzündlich und vasodilatierend (gefäßerweiternd). Diese Effekte lassen sich unter anderem darauf zurückführen, dass durch die Hemmung der Biosynthese von Cholesterol auch verschiedene Folgeprodukte von Mevalonat nicht mehr entstehen können. 

Gut zu wissen: Was sind pleiotrope Effekte?

Als pleiotrop bezeichnet man Arzneimittel, wenn ihre Wirkung auf verschiedene Zielstrukturen (Organe, Gewebe, Zellen etc.) unterschiedliche Effekte hervorruft.

Häufig sind damit auch pharmakologisch interessante Effekte gemeint, die neben der bekannten Hauptwirkung auftreten. /mia 

Wie wird Simvastatin dosiert?

Simvastatin wird in Dosen zwischen 5 und 80 mg pro Tag angewendet. Die genaue Dosierung richtet sich dabei nach der Indikation. 

  • Bei Hypercholesterinämie: Anfangsdosis 10 bis 20 mg täglich.
  • Bei familiärer Hypercholesterinämie: Anfangsdosis 40 mg täglich.  
  • Zur kardiovaskulären Prävention: Anfangsdosis 20 mg bis 40 mg täglich.  

Die Einnahme erfolgt jeweils als Einzeldosis am Abend, da die körpereigene Synthese von Cholesterol dann am höchsten ist. Anpassungen der Dosis sollten in einem Abstand von mindestens 4 Wochen durchgeführt werden.  

Eine maximale Tagesdosis von 80 mg täglich wird nur bei schwerer Hypercholesterinämie und hohem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse empfohlen, wenn das Ziel der Therapie nicht durch niedrigere Dosen erreicht wird.  

Als Präparate kommen zum Beispiel zum Einsatz: Simvabeta® 5 mg Filmtabletten, Simva-Aristo® 10 mg Filmtabletten, SimvaHexal® 20 mg Filmtabletten, Simvastatin AbZ 40 mg Filmtabletten und Simvastatin-ratiopharm® 80 mg Filmtabletten.

Simvastatin: Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Grundsätzlich gelten Statine als gut verträgliche Arzneimittel. Als Nebenwirkungen fallen PTA meist als erstes Schmerzen an der Muskulatur ein. Bei leichten Beschwerden, die ohne Erhöhung bestimmter muskelspezifischer Enzyme auftreten, spricht man von einer Statin-Myalgie. 

Kommt es jedoch im Zusammenhang mit Muskelschmerzen zu einer Erhöhung bestimmter Enzyme wie der Kreatinkinase, liegt bereits eine Myopathie vor. Bei einer Myopathie treten nicht nur Muskelschmerzen, sondern auch Muskelschwäche und Muskelschwund auf. 

Die Kreatinkinase ist ein wichtiges Enzym im Energiestoffwechsel des Muskels. Ein erhöhter Wert im Blut weist häufig auf Schäden oder Erkrankungen der Muskulatur hin. 

Eine seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkung unter einer Simvastatin-Behandlung ist die Rhabdomyolyse. Dabei kommt es zu einer massiven Auflösung der quergestreiften Muskulatur. Die geschädigten Muskeln setzen den Farbstoff Myoglobin frei, dieser färbt den Urin dunkel und kann zu einem akuten Nierenversagen führen. 

Diese schwere Nebenwirkung kann im Extremfall tödlich enden und tritt meist bei hohen Dosen oder bei Interaktionen mit anderen Arzneistoffen auf. 

Welche Interaktionen sind bei Simvastatin bekannt?

Simvastatin wird in der Leber mithilfe des Cytochrom-P450-Enzyms CYP3A4 abgebaut. Arzneistoffe, die ebenfalls über dieses Enzym verstoffwechselt werden oder dieses Enzym hemmen, erhöhen damit den Plasmaspiegel von Simvastatin. 

Dadurch steigt das Risiko für das Auftreten der gefährlichen Rhabdomyolyse deutlich an. Azol-Antimykotika wie Itraconazol und Ketoconazol hemmen den CYP3A4-abhängigen Metabolismus von Wirkstoffen und dürfen daher unter einer Therapie mit Simvastatin keinesfalls gegeben werden. 

Ebenfalls kontraindiziert sind die Makrolidantibiotika Erythromycin und Clarithromycin, die potente Hemmstoffe des CYP3A4-Enzyms darstellen. 

Auch eine gleichzeitige Einnahme von Fibraten erhöht das Risiko für das Auftreten von Muskelerkrankungen. Gemfibrozil darf daher nicht zusammen mit Simvastatin eingenommen werden. 

Während einer Therapie mit Simvastatin muss auch auf den regelmäßigen Genuss von Grapefruitsaft verzichtet werden, da dieser ebenfalls eine hemmende Wirkung auf das CYP3A4-Enzym hat. 

Simvastatin: Was ist für die Beratung noch wichtig?

Die positive Wirkung der Statine als Schutz vor möglichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist wissenschaftlich eindeutig, trotzdem nehmen viele Patienten diese Wirkstoffe ungern ein. Da durch die Einnahme von Simvastatin keine Symptome behandelt werden, sondern sich „lediglich“ bestimmte Blutwerte verbessern, fehlt manchmal die Therapieeinsicht. 

Zudem sind Ängste vor Nebenwirkungen durch negative Pressemeldungen weit verbreitet. Hier ist in der Apotheke sensible Kommunikation gefragt. Die Patienten sollten über den Nutzen der Behandlung informiert und sachlich über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt werden. 

Bei unklaren Muskelschmerzen oder Schwäche in der Muskulatur sollten sich die Patienten unverzüglich an ihren Arzt wenden. Dieser kann abklären, ob die Beschwerden tatsächlich durch die Statin-Einnahme verursacht werden. Denn Muskelprobleme durch Statine treten deutlich seltener als angenommen auf und es liegen häufig andere Ursachen zugrunde. Quellen:
https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Simvastatin_10002?page=4
https://www.gelbe-liste.de/kardiologie/verschreibung-statine-zehn-irrtuemer
Gebrauchsinformation Simvastatin-ratiopharm® 20 mg Filmtabletten
Fachinformation Simvastatin-ratiopharm® Filmtabletten
 

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