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Zum Welt-Braille-Tag: Mit Brailleschrift Arzneimittel ertasten

Paracetamol-Packung mit Brailleschrift
Die Brailleschrift auf Arzneimittelverpackungen hilft Blinden und stark Seheingeschränkten bei der korrekten Arzneimittelwahl. | Bild: IMAGO / Steinach

Fast 200 Jahre ist es nun her, dass Louis Braille die nach ihm benannte Blindenschrift entwickelt hat. Sie besteht in ihrer Grundform aus sechs Punkten, die in zwei senkrechten Reihen zu je drei Punkten nebeneinander angeordnet sind. Für Blinde oder stark Seheingeschränkte wird die Brailleschrift durch Ertasten mit den Fingerkuppen lesbar, denn die Punkte werden erhaben abgebildet.

Mittlerweile gibt es je nach Sprache leichte Abweichungen in der Brailleschrift, um alle benötigten Buchstaben abbilden zu können. So kann dasselbe Zeichen in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Bedeutungen übernehmen.

Noch heute wird die Brailleschrift international angewendet. Sie stellt für die Nutzenden ein wichtiges Medium dar und ermöglicht u. a. den Zugang zu Bildung und Berufstätigkeit.

Welt-Braille-Tag am 4. Januar

Am 4. Januar 1809 wurde der Erfinder der Blindenschrift, Louis Braille, geboren. Ihm zu Ehren hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2018 den 4. Januar zum internationalen Welt-Braille-Tag erklärt. 

Der Aktionstag will auf die zentrale Bedeutung der Blindenschrift und die Situation blinder und stark sehbehinderter Menschen aufmerksam machen.

Brailleschrift im öffentlichen Raum

Wie bedeutsam die Brailleschrift ist, zeigt sich auch daran, dass viele öffentliche Einrichtungen in Aufzügen, an Treppenauf- und -abgängen oder diversen Automaten die Punktschrift angebracht haben, um den Nutzenden mehr Orientierung zu ermöglichen.

Für mehr Orientierung, aber vor allem auch mehr Sicherheit für Blinde und Sehbehinderte hat auch eine EU-Richtlinie (2004/27/EG als Ergänzung zur Richtlinie 2001/83/EG) im Jahr 2004 gesorgt. Sie schrieb vor, dass der Name eines Arzneimittels zusätzlich in Brailleschrift auf der Verpackung angegeben werden muss.  

Außerdem musste der „Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen“ fortan dafür sorgen, „dass die Packungsbeilage auf Ersuchen von Patientenorganisationen in Formaten verfügbar ist, die für blinde und sehbehinderte Personen geeignet sind“. Quelle: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2004:136:0034:0057:DE:PDF 

Brailleschrift auf Arzneimitteln

Die Umsetzung dieser Richtlinie ist länderspezifisch geregelt. In Deutschland wurde sie 2006 im Arzneimittelgesetz (§ 10 Absatz 1b AMG) verankert. So müssen seit dem 2. Januar 2006 zugelassene Arzneimittel auf ihrer Verpackung den Namen und die Wirkstärke in Brailleschrift tragen.  

Weitere Angaben wie Darreichungsform, Verfallsdatum oder zu Personengruppen, für die das Arzneimittel bestimmt ist, können freiwillig vom Hersteller in Braille angegeben werden.

Ausgenommen von dieser Vorgabe sind Arzneimittel,  

  • die dazu bestimmt sind, ausschließlich durch Angehörige der Heilberufe angewendet zu werden (zum Beispiel Impfstoffe), oder
  • die in Behältnissen von nicht mehr als 20 ml Nennvolumen oder einer Inhaltsmenge von nicht mehr als 20 g in Verkehr gebracht werden (da dann nicht ausreichend Platz auf der Verpackung ist).

Außerdem generell ausgenommen von dieser Verpflichtung sind Desensibilisierungsmittel und homöopathische Arzneimittel.  

In Bezug auf Kleinstmengen (bis zu 7.000 Packungen in einem Jahr) gilt die sog. Blindenschrift-Kennzeichnungs-VerordnungQuelle: https://www.gesetze-im-internet.de/blindkennzv/BJNR169600006.html , die vorsieht:

„… die nach § 10 Abs. 1b des Arzneimittelgesetzes vorgeschriebenen Angaben [müssen] nicht angebracht werden, sofern bei einer Abgabe der Arzneimittel durch die Apotheke an blinde oder sehbehinderte Personen diese Angaben in Blindenschrift und normaler Schrift auf einem Klebeetikett auf der Packung angebracht werden oder, falls dies wegen des Umfangs der Bezeichnung nicht möglich ist, separat auf einem Informationsblatt übermittelt werden; es können geeignete Abkürzungen verwendet werden. Die Information in Blindenschrift ist vom pharmazeutischen Unternehmer bereitzustellen.“

Blindenschrift-Kennzeichnungs-Verordnung vom 14. Juli 2006

Braille-Norm für Arzneimittelverpackungen

Da es 2006 noch keine einheitlichen Vorgaben und Standards gab, wie die Blindenschrift gestalterisch und produktionstechnisch auf Arzneimittelverpackungen aufgebracht werden soll, wurde beim europäischen Normungsinstitut (CEN) eine Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung einer Norm beauftragt.  

Diese Norm für pharmazeutische Verpackungen in Blindenschrift (Norm EN 15823) trat 2010 in Kraft. Sie spezifiziert Anforderungen und gibt Hinweise für die Anwendung der Brailleschrift bei der Kennzeichnung von Arzneimitteln.

So wurde unter anderem die Punkthöhe der Brailleschrift auf Verpackungen festgelegt, um sicherzustellen, dass auch weniger geübte Nutzende der Schrift diese in jedem Fall ertasten können.

Für blinde und (stark) sehbehinderte Menschen bedeutet die Brailleschrift Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Im Bereich der Medikamentenversorgung sorgt sie außerdem für deutlich mehr Arzneimittelsicherheit.

Blinde und sehgeschwächte Kunden in der Apotheke

Worauf in der Beratung von blinden und sehgeschwächten Kunden in der Apotheke zu achten ist, haben wir für Sie in einem Artikel zusammengefasst. Hier finden Sie konkrete Tipps und Hinweise im Umgang mit diesen Kunden.