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Myopie: 5 Mythen zur Kurzsichtigkeit

Junge Frau kann schlecht sehen und lehnt dicht über dem Laptop
Zu dicht vor digitalen Geräten zu sitzen, kann eine Kurzsichtigkeit fördern. | Bild: Соня Монштейн / AdobeStock

Myopie hat während der vergangenen Jahrzehnte stark zugenommen und kann aufgrund ihrer Häufung in Industrienationen als Zivilisationskrankheit bezeichnet werden. Besonders deutlich wird dies in ost- und südosteuropäischen Ländern mit vielen Großstädten: Hier leiden mittlerweile bis zu 90 Prozent der jungen Erwachsenen unter Myopie, während in Europa und Nordamerika „nur“ bis zu 42 Prozent in der entsprechenden Altersklasse betroffen sind.

Man sollte sich dessen bewusst sein, dass Kurzsichtigkeit in jeder Ausprägung, insbesondere aber starke Myopie, das Risiko für ernste Komplikationen wie Netzhautablösung, grünen und grauen Star oder auch myopische Makuladegeneration erhöht.  

Deshalb beschäftigt sich die Forschung nach wie vor mit den Ursachen der Myopie und sucht nach Strategien, um das Fortschreiten oder sogar das Entstehen von Kurzsichtigkeit zu verhindern. Die neuesten Erkenntnisse haben dabei einige Mythen widerlegt, die sich in vielen Köpfen hartnäckig halten.  

Gut zu wissen: Wann gilt man als kurzsichtig?

Myopie liegt vor, wenn das Auge das Licht vor statt auf der Netzhaut (Retina) fokussiert. Das ist zumeist Folge entweder eines zu langen Augapfels oder einer für dessen Länge zu starken Brechkraft der Linse.  

Kurzsichtigkeit wird mit negativen Dioptrien-Werten (dpt) angegeben, Weitsichtigkeit (Hyperopie) mit positiven. Als leichte Kurzsichtigkeit gelten Werte bis –3,00 dpt, als mittelstarke je nach Quelle bis –5,00 dpt oder –6,00 dpt; was darüber liegt, wird als starke Myopie bezeichnet.

Die meisten Neugeborenen sind weitsichtig und werden im Verlauf der ersten Lebensjahre, in denen sich der Augapfel verlängert und gleichzeitig die Brechkraft der Linse nachlässt, normalsichtig.  

Diese zwei Prozesse setzen sich beim Erwachsenwerden fort, bis das Längenwachstum des Augapfels in der dritten Lebensdekade abgeschlossen ist. Wenn sie nicht ideal aufeinander abgestimmt verlaufen, kann es zur Kurzsichtigkeit kommen.

Myopie-Mythos 1: Vererbung ist der größte Risikofaktor

Stimmt teilweise.

Eltern Brille, Kinder Brille? Die Annahme, Myopie sei vor allem genetisch bedingt, wird heute differenziert betrachtet. Die genetische Disposition ist ohne Frage vorhanden, aber zusätzlich rücken heute verstärkt Umweltfaktoren ins Zentrum des Interesses.  

Als Folge stetig voranschreitender Urbanisierung und Digitalisierung, aber auch überdurchschnittlich fordernder Bildungssysteme hielten sich Kinder heute viel länger als früher in geschlossenen Räumen auf, so Experten. 

Durch die lange tägliche Beschäftigung mit digitalen Geräten, aber auch durch das viele Bücherlesen für die Schule seien sie überwiegend auf das Sehen im Nahbereich eingestellt, was Myopie anerkanntermaßen begünstigt.

Myopie-Mythos 2: Schulmyopie ist nicht bedenklich

Stimmt nur bedingt.

Von einer Schulmyopie spricht man, wenn Kinder im Schulalter kurzsichtig werden. Dann bekommen sie in der Regel eine Brille, was allgemein als erträgliche Einschränkung empfunden wird.  

Man sollte aber bedenken, dass Kinder, die schon früh kurzsichtig werden, ein erhöhtes Risiko auf eine später eintretende starke Myopie und damit verbundene Komplikationen haben. Bei späterem Krankheitsbeginn sinkt das Risiko auf solche Komplikationen laut einer chinesischen Zwillingsstudie deutlich.  

Deshalb sollten Eltern stets aufmerksam sein, um eine etwaige Kurzsichtigkeit früh zu erkennen und gegebenenfalls behandeln zu können. Hierfür wird gemeinhin die regelmäßige abendliche Anwendung von Atropin-Augentropfen empfohlen, die das Fortschreiten einer Kurzsichtigkeit um bis zu 50 Prozent bremsen kann.  

Myopie-Mythos 3: Nur starke Kurzsichtigkeit erfordert Gegenmaßnahmen

Stimmt nicht.

Grundsätzlich gilt: Die Behandlung einer (beginnenden) Myopie sollte immer so früh wie möglich erfolgen. Kinder, die Anzeichen einer Kurzsichtigkeit zeigen, müssen schnellstens eine korrigierende Sehhilfe – meist eine Brille, in speziellen Fällen aber auch Kontaktlinsen – erhalten und gegebenenfalls wie oben beschrieben mit Augentropfen behandelt werden.  

Auch sollten Eltern ihre Kinder – im Idealfall schon vor ersten Anzeichen einer Kurzsichtigkeit – dazu anhalten, viel Zeit im Freien zu verbringen, wo sich die Augen regelmäßig auf den Fernbereich einstellen, was in (normalgroßen) geschlossenen Räumen schlichtweg nicht möglich ist.  

Myopie-Mythos 4: Im Erwachsenenalter nimmt Kurzsichtigkeit nicht weiter zu

Stimmt nicht.

Man hört oft die Aussage, eine Kurzsichtigkeit verschlechtere sich im Erwachsenenalter nicht mehr oder nur minimal. Das ist zwar vom Grundprinzip her logisch, denn bei jungen Erwachsenen kommt das Längenwachstum des Augapfels normalerweise zum Stillstand – und mit ihm oftmals auch die Verschlimmerung einer Myopie.  

Es gibt aber Ausnahmen zur Regel: In einer Studie aus Singapur hatten 18 Prozent der kurzsichtigen jungen Erwachsenen weiterhin einen Progress. Während hierfür unter anderem die asiatische Ethnie als ausschlaggebend betrachtet wurde, wurden in einer anderen Studie bei 55 Prozent kurzsichtiger US-Kadetten über 2,5 Jahre noch Veränderungen um –0,50 dpt oder mehr nachgewiesen.

Es ist also wichtig, die eigene Sehstärke regelmäßig kontrollieren zu lassen und gegebenenfalls eine neue Brille oder stärkere Kontaktlinsen anzuschaffen. Menschen, die das nicht tun, glauben unter Umständen an den fünften und letzten Myopie-Mythos:  

Myopie-Mythos 5: Unterkorrektur und Brillenverzicht trainieren das Auge

Stimmt nicht.

Beim Auge handelt es sich nicht um einen Muskel, den Kurzsichtige durch Training stärken könnten. Deshalb ist es ein Irrglaube, dass eine Myopie langsamer voranschreitet, wenn man bewusst eine zu schwache Brille trägt, die Sehschwäche also leicht unterkorrigiert.  

Eine entsprechende Studie aus den 1960er-Jahren, die den Mythos wohl maßgeblich befördert hat, wurde mittlerweile durch neuere Untersuchungen widerlegt. Vielmehr kann eine Unterkorrektur sogar zu einer noch stärker ausgeprägten Kurzsichtigkeit führen.  

Die Brille bewusst wegzulassen, wenn die Situation dies ermöglicht (zum Beispiel abseits vom Straßenverkehr), fällt in dieselbe Kategorie: Es gibt keine wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass sich das Auge durch erhöhte Anstrengung trainieren lässt. Quellen:
- https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Myopie-Seid-nicht-so-kurzsichtig-452220.html
- https://www.pharmazeutische-zeitung.de/augenaerzte-raeumen-mit-mythen-auf-146807/
- https://jamanetwork.com/journals/jamaophthalmology/article-abstract/2816892
- https://de.wikipedia.org/wiki/Kurzsichtigkeit
- https://jamanetwork.com/journals/jamaophthalmology/fullarticle/2770767
- https://bjo.bmj.com/content/108/6/884
- https://www.aaojournal.org/article/S0161-6420(20)30139-1/fulltext