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Ein Tresor zur Rettung unserer Darmbakterien

Aufnahme verschiedener bunter Bakterien
Forscher versuchen, die Vielfalt unseres Mikrobioms zu sichern. | Screenshot: Youtube / RAZOR Science Show

Mit dem Einfrieren von menschlichem Kot gegen den Schwund der Artenvielfalt? So ein Projekt ist in der Schweiz angelaufen. Dabei geht es nicht um die dramatische Entwicklung in der Natur, wo unzählige Pflanzen- und Tierarten verschwinden: Bedroht ist auch die Artenvielfalt im Menschen. 

„Wir haben festgestellt, dass wir die Biodiversität im Darm verlieren“, sagt der medizinische Mikrobiologe Adrian Egli von der Universität Zürich. „Im Amazonas gibt es viel mehr Vielfalt im Vergleich zur westlichen Bevölkerung. Das hat mit Stress, mit Antibiotika und auch mit der Ernährung zu tun.“

Artenvielfalt der Bakterien soll gerettet werden

Welchen Schatz jeder in sich trägt, macht Egli mit einem Vergleich deutlich: „In einem Gramm Stuhl befinden sich tausend Milliarden Bakterien, 125-mal so viel wie Menschen auf dem Planeten“, sagt er. „Unglaublich, wenn man bedenkt, was da in einem lebt.“ In einem Menschen kommen dabei zwischen 300 und 500 verschiedene Arten vor.

In einem internationalen Projekt soll nun gerettet werden, was noch zu retten ist: mit einem riesigen Tresor für menschlichen Kot, dem „Microbiota Vault“ – ähnlich dem Saatgut-Tresor auf Spitzbergen, wo Samen etlicher Sorten von Nahrungspflanzen aufbewahrt werden. In einer speziellen Lösung können Bakterien Jahrzehnte überleben, wie Egli sagt.

Gut zu wissen: Warum ist eine Bakterienvielfalt wichtig?

Die Darmbakterien können dann zum Beispiel die Ansiedlung von Pathogenen verhindern, die Menschen krank machen, berichtet ein Team um die Mikrobiologin Frances Spragge von der Universität Oxford in der Zeitschrift „Science“.

Forschung zu Darmbakterien noch am Anfang

Derzeit steckt die Erforschung der Darmflora noch in den Kinderschuhen. „Womöglich können aus der Erkenntnis zum Mikrobiom Therapien entwickelt werden, um Übergewicht, Diabetes, rheumatische Krankheiten oder chronische Darmentzündungen positiv zu beeinflussen“, so Egli. Zum Mikrobiom gehören auch Pilze und Viren, aber Bakterien sind besonders wichtig, weil sie viele bedeutsame Stoffwechseleigenschaften haben.

Aber dank neuer Maschinen und Methoden ist es inzwischen möglich und gut bezahlbar, Darmbakterien genetisch zu erforschen. „Es gibt jede Woche neue Entdeckungen“, sagt Egli. „Und von der Analyse der Bakterien kann die ganze Menschheit profitieren.“ Das Mikrobiom stehe zum Beispiel mit Krankheiten wie Krebs und Autoimmunkrankheiten in Zusammenhang.

Eine Besonderheit: Im Verdauungstrakt leben Unmengen von Bakterien, die keine Luft vertragen, sogenannte anaerobe Bakterien. Sie sind noch wenig untersucht worden, wie Egli erklärt. „Es gibt im Darm sicher 1000-mal so viele Bakterien, die keine Luft vertragen, wie solche, die wir isolieren konnten und kennen.“

Bakterien als Krebstherapie

Denkbar sei, dass eines Tages mit dem gezielten Einsatz von Bakterien etwa das Ansprechen auf Krebstherapien verbessert werden kann, sagt Egli. Stuhltransplantationen sind ein anderes Feld der Medizin. „Eine Stuhlprobe mit optimalem Mikrobiom, die einem Kranken gegeben wird – in Studien hat man gesehen, dass das zur Gesundung beitragen kann.“

Die aus Venezuela stammende und in den USA forschende Mikrobiologin Maria Gloria Dominguez-Bello setzt sich seit Jahren für einen Darmbakterien-Tresor ein. Sie hat als eine der Ersten festgestellt, wie stark sich die Bakterienvielfalt im Menschen je nach Wohngebiet und Lebensumständen unterscheidet, am Beispiel von Proben aus dem Amazonas-Gebiet.

Ballaststoffreiche Ernährung fördert gutes Mikrobiom

Zu einem guten Mikrobiom kann der Mensch selbst beitragen. Wichtig ist zum Beispiel eine ballaststoffreiche Ernährung. Bezeichnet werden damit weitgehend unverdauliche, pflanzliche Nahrungsbestandteile. 

Sie haben unter anderem Einfluss auf die Sättigungswirkung sowie darauf, wie lange aufgenommene Nahrung in Magen und Darm verbleibt und wie gut Nährstoffe vom Körper aufgenommen werden.

Eine hohe Ballaststoffzufuhr zeigt schützende Effekte bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, Adipositas, Bluthochdruck sowie Dickdarm- und Brustkrebs, wie es bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) heißt. 

Zu den ballaststoffreichen Lebensmitteln gehören demnach Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen, Vollkornprodukte sowie Gemüse und Obst wie Artischocken, Paprika und Rhabarber. Quelle: dpa / mia