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Mit Ernährung Krebs vorbeugen – Teil 3: Warum Ballaststoffe und Fisch Krebs vorbeugen können

Mehr Fisch und dafür weniger Fleisch sowie eine ballaststoffreiche Ernährung unterstützen die Krebsprävention. | Bild: Jacek Chabraszewski / Adobe Stock

Im Sinne einer ernährungsbedingten Krebsprävention ist der wichtigste Faktor ein gesundes Normalkörpergewicht, denn: Adipositas zeichnet für 80 Prozent aller ernährungsbedingten Krebstodesfälle verantwortlich (siehe Teil 1), Alkohol immerhin für 10 Prozent. Auch verarbeitete Fleischwaren, wie Salami oder Schinken, erhöhen erwiesenermaßen das Darmkrebsrisiko (siehe Teil 2).

Wissen wir also, was wir meiden sollten, drängt sich die nächste Frage auf: Welche Lebensmittel sind denn protektiv in Bezug auf das Krebsrisiko? Das erklärte Professor Martin Smollich vom Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein vor kurzem in seiner Online-Vorlesung im Rahmen der Vorlesungsreihe „Iss Das! – Ernährung in der Medizin“ der PAN (Physicians Association for Nutrition).

Ballaststoffe wichtig in der Krebsprävention

Daten hierzu liefert der World Cancer Research Fund International (WCRF) und hat dafür eine interaktive Matrix erstellt – „eine Quelle von Erkenntnis“, wie Smollich diese beschreibt. Mit die wichtigsten protektiven Faktoren aus Sicht der Ernährungsmedizin sind Ballaststoffe: Mit steigender Zufuhr von Ballaststoffen sinkt das Risiko für Kolorektal- und Mammakarzinome. Einer Übersichtsarbeit im „British medical journal“ (2011) zufolge reduzierten 10 g Ballaststoffe täglich das Risiko für Kolorektalkarzinom um 10 Prozent. Mit weiterer Erhöhung (100 g täglich) kann das relative Risiko sogar um 50 Prozent gesenkt werden. 

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät zu 30 g Ballaststoffen pro Tag. Diesen Richtwert erreichen nach Daten der Nationalen Verzehrstudie II (2012) die meisten nicht, und zwar 75 Prozent der Frauen und 68 Prozent der Männer. Die durchschnittliche Zufuhr liegt der DGE zufolge bei Männern bei 25 g und bei Frauen bei 23 g täglich, wobei sich laut dem 14. Ernährungsbericht der DGE (2020) in den letzten Jahren zumindest ein positiver Trend abzeichnet, vor allem bei sich vegan oder vegetarisch ernährenden Heranwachsenden.

Entzündungshemmend und BMI-reduzierend

Bei Darmkrebs wirkten vor allem die unlöslichen Ballaststoffe protektiv – wie in Vollkornprodukten enthalten –, diese könnten Kanzerogene binden, erklärte Smollich. Hinzu kämen deren präbiotische Effekte, wenn Ballaststoffe also als Substrat für die Darmmikrobiota dienen. Die Darmbakterien produzierten dadurch Metaboliten (im Wesentlichen kurzkettige Fettsäuren) mit lokaler Wirkung an der Darmmukosa und auch systemischen antiinflammatorischen Effekten. Liefere man den Darmbakterien hingegen keine ausreichenden Ballaststoffe als Nahrungsquelle, beginnen sie laut Smollich Mucopolysaccharide des Darmmucus abzubauen, was die Mucosabarriere des Darms reduziert und ebenfalls lokale Entzündungen hervorruft. Zudem profitiert man bei ballaststoffreicher Kost von einer geringeren Energiedichte und damit einem tendenziell BMI-reduzierenden Effekt.

Ist Folsäure protektiv?

Folsäure hat tatsächlich durch eine genomische DNA-Stabilisierung einen schützenden Effekt auf bestimmte Krebsarten. Erhöht man die Zufuhr an Nahrungsfolaten, wirkt sich dies protektiv auf Darmkrebs, Brustkrebs und Prostatakrebs aus. Synthetische Folsäuresupplemente hingegen erhöhen laut Smollich das Risiko für Darmkrebs, vor allem wenn man eine familiäre Vorbelastung für Kolorektalkarzinom bereits „mitbringe“. Im Schnitt nehmen wir über unsere Nahrung 200 µg Folsäure täglich zu uns, die empfohlene Zufuhr liegt bei 300 µg. Gelänge es, diese Differenz durch die Ernährung auszugleichen (Folsäure ist viel in grünem Gemüse enthalten), entspreche dies einer Risikoreduktion von 35 Prozent – oder jährlich 20.000 Menschen weniger mit kolorektalem Karzinom.

Mehr Seefisch und dafür weniger Fleisch

Zudem gibt es einige randomisiert-kontrollierte klinische Studien (RCT) an Menschen, die für bestimmte Stoffe und Lebensmittel einen schützenden Effekt hinsichtlich des Krebsrisikos gefunden haben. Laut Smollich können Polyphenole in pflanzlichen Lebensmitteln das Risiko für Lungenkrebs verringern, Carotinoide sind mit einem geringeren Risiko für Tumoren der Lunge, Brust und Prostata assoziiert. Der Konsum von Seefisch senke das Brust- und Darmkrebsrisiko. Worauf der positive Effekt des Seefischs beruht, sei jedoch nicht abschließend geklärt. Die derzeit überwiegende Hypothese gehe davon aus, dass es nicht am Seefisch per se liegt, sondern dass Menschen, die mehr Fisch essen, automatisch auch weniger Fleisch konsumieren (und verarbeitete Fleischprodukte sind erwiesenermaßen krebserregend, rotes Fleisch wie Lamm und Rind sind wahrscheinlich krebserregend).

Mediterrane Ernährung senkt Krebssterblichkeit um ein Viertel

Gut vereint findet man diese protektiven Faktoren in einer pflanzenbasierten Ernährung – mit oder ohne Seefisch. Bestimmte Ernährungsmuster zeigten „ganz drastische Effekte“. Eine mediterrane Ernährung senke im Vergleich zur westlichen Ernährung die Krebssterblichkeit um 25 Prozent. Smollich bezieht sich dabei auf Daten der EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition), die den Einfluss der Ernährung auf Krebserkrankungen untersucht. (Die Studie wird unter anderem von der Europäischen Kommission finanziert, bis zum Jahr 2000 wurden etwa 520.000 Männer und Frauen aus 23 Studienzentren in zehn europäischen Ländern in die Studie aufgenommen.)

Nahrungsergänzungsmittel: keine gute Idee

Sind Nahrungsergänzungsmittel eine gute Idee, um Krebs vorzubeugen? Eher nicht. Viele große Studien konnten zeigen, dass einzelne Mikronährstoffe sogar zu einem Prävalenzanstieg bei Krebserkrankungen führen können. So zeigte die SELECT-Studie, veröffentlicht 2011 im JAMA, dass Vitamin E in Dosierungen von 400 IE täglich das Risiko für Prostatakrebs signifikant erhöht. Im „Journal of the National Cancer Institute“ wurde 2014 ein Beitrag veröffentlicht, der ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs durch Vitamin-E- oder Selen-Supplementation fand. Dass Vitamin-B6- und -B12-Nahrungsergänzungsmittel das Risiko für Lungenkrebs bei Männern erhöhen können, fanden Wissenschaftler um Theodore Brasky heraus. Andere Studien konnten auch für Betacarotin ein erhöhtes Risiko für Magenkrebs und Bronchialkarzinom feststellen.

Fazit: Was sollten wir essen und was nicht?

Smollich fasste zum Abschluss die wichtigsten Punkte zusammen: 

  • Gesundes Körpergewicht: Der BMI sollte zwischen 19 bis 25 kg/m2 liegen; der Bauchumfang sollte bei Frauen maximal 80 cm, bei Männern maximal 94 cm betragen. 
  • Körperliche Aktivität: Dadurch erhöht man den Kalorienverbrauch und auch die Insulinsensitivität. 
  • Die Ernährung sollte reich an Vollkorn, Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten sein. 
  • Wenig verarbeitete Lebensmittel und Fastfood konsumieren. Der NOVA-Score hilft bei der Bestimmung, welche Lebensmittel unverarbeitet (z. B. Früchte, Pilze, Eier) oder minimal verarbeitet (getrocknete unverarbeitete Lebensmittel beispielsweise) sind, welche Küchenzutat verarbeitet (pflanzliche Öle, Butter, Zucker) oder welches Lebensmittel verarbeitet (gebackenes Brot, Konserven) und welche Nahrungsmittel und Getränke hochverarbeitet (Fertiggerichte, Süßigkeiten, Erfrischungsgetränke) sind. 
  • Kein verarbeitetes Fleisch und rotes Fleisch maximal 500 g/Woche zu sich nehmen. 
  • Getränke in Form von Wasser, Tee, Kaffee zu sich nehmen und den Konsum von gesüßten Getränken reduzieren. 
  • So wenig Alkohol wie möglich trinken. 
  • Keine Nahrungsergänzungsmittel zur Krebsprävention einsetzen, sie sind im besten Fall wirkungslos. 
  • Frauen sollten nach der Geburt möglichst stillen.