In der Apotheke werden PTA mit den unterschiedlichsten Themen konfrontiert. Lesen Sie hier die tagesaktuellen News aus den Bereichen Pharmazie, Forschung, Ernährung, Gesundheit und vielem mehr. Bleiben Sie informiert, um Ihre Kunden stets kompetent zu beraten.
Bei Adipositas und Depression: Können Statine helfen?

Depressionen bzw. depressive Störungen treten häufig bei Personen auf, die stark übergewichtig oder adipös sind. Und umgekehrt: Wer unter Depressionen leidet, hat ein um etwa 50 bis 60 % erhöhtes Risiko für Adipositas.
Hinzu kommt, dass adipöse Menschen meist einen erhöhten Cholesterol-Spiegel aufweisen. Es wäre daher wünschenswert, wenn lipidsenkende Arzneistoffe wie Statine (z. B. Simvastatin) gleichzeitig antidepressiv wirken.
Dazu gab es bereits Hinweise in experimentellen Studien. Die Vermutung: Statine könnten aufgrund pleiotroper Effekte Entzündungen, Neurogenese, Stresshormone und die relevanten Neurotransmittersysteme gezielt beeinflussen.
Gut zu wissen: Was sind pleiotrope Effekte?
Als pleiotrop bezeichnet man Arzneimittel, wenn ihre Wirkung auf verschiedene Zielstrukturen (Organe, Gewebe, Zellen etc.) unterschiedliche Effekte hervorrufen.
Häufig sind damit auch pharmakologisch interessante Effekte gemeint, die neben der bekannten Hauptwirkung auftreten. /mia Quellen: DocCheck, PharmaWiki
Studie zu Statinen mit depressiven und adipösen Personen
Nun untersuchten Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin diesen Zusammenhang in einer doppelblinden, Placebo-kontrollierten, randomisierten Studie, an der 161 adipöse und depressive Patienten im Alter von 18 bis 65 Jahren teilnahmen.
Um Störeinflüsse zu vermeiden, wurden alle Personen von der Teilnahme ausgeschlossen, die bereits auf ein Statin eingestellt waren oder die Antidepressiva bzw. Psychopharmaka (z. B. Antipsychotika, Antiepileptika, Lithium oder Johanniskraut) einnahmen.
Escitalopram mit Simvastatin oder Placebo
In den ersten zwei Wochen erhielten alle Teilnehmenden 10 mg des selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmers Escitalopram. Die Dosis wurde bei guter Verträglichkeit bis zum Studienende auf 20 mg erhöht.
Zusätzlich nahmen circa die Hälfte aller Patienten täglich 40 mg Simvastatin und die andere Hälfte ein Placebo ein. Zu Beginn und zum Ende der Studie wurde der Schweregrad der depressiven Episode, die Dauer der aktuellen Episode und Anzahl früherer Episoden sowie vorherige Behandlungen erfasst. Auch das Körpergewicht der Teilnehmenden wurde dokumentiert und ob der Patient Drogen einnahm (Drogenscreening).
Antidepressiver Effekt durch verbesserte Entzündungswerte?
Aus Blutproben bestimmten die Forscher die aktuellen Blutfettwerte und ob das C-reaktive Protein (CRP), ein Entzündungsmarker, erhöht war. Laut Prof. Christian Otte, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter der Studie, weisen adipöse Menschen mit oder ohne Depression häufig leicht erhöhte Entzündungswerte im Blut auf, welche bei einem Teil der Betroffenen sogar für die Depression verantwortlich sein können.
Auf diesen Fakt bauten die Forscher auf. In einer Pressemitteilung der Charité erklärt Otte: „Wenn sich durch die Statin-Gabe die Entzündungswerte bessern, könnte dies bei manchen Studienteilnehmenden womöglich mit einem antidepressiven Effekt einhergehen.“
Statine bei Depression: kein zusätzlicher Nutzen
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass – wie zu erwarten war – Cholesterol-, LDL- und CRP-Werte deutlich sanken. Allerdings enttäuschte Simvastatin in seiner potenziellen antidepressiven Wirkung: Zwar verbesserten sich die Depressions-Symptome der Teilnehmenden nach zwölf Wochen, doch ohne Unterschied in der Statin- bzw. Placebo-Gruppe.
Otte sagt dazu: „Was die Behandlung von Depressionen angeht, haben Statine demnach keinen zusätzlichen Nutzen. Klassische Antidepressiva bleiben nach jetzigem Kenntnisstand der Goldstandard.“
Adipositas und Depression: Statine zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse?
Die Forscher resümieren: Obwohl unter Simvastatin keine zusätzlichen antidepressiven Effekte bei den Probanden auftraten, hatte es die erwarteten und bekannten Wirkungen auf Lipide und Entzündungsaktivität.
Weil Menschen mit schweren Depressionen und Adipositas ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine höhere Sterblichkeit haben, sollte geprüft werden, ob ihnen Statine zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse verschrieben werden sollten. Quellen:
www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/cholesterinsenker_wirken_nicht_antidepressiv
https://idw-online.de/de/news853338
https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/2834608