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Social-Media-Trend: Rindertalg als Hautpflege?

Rindertalg in einem Glastiegel mit Spatel
Sich pures Rinderfett ins Gesicht zu schmieren, liegt gerade im Trend. | Bild: ricka_kinamoto / AdobeStock

Wenn man den Versprechen auf Social Media Glauben schenkt, könnte man meinen, Rindertalg sei das neue Wundermittel gegen Falten und Narben. Besonders brisant ist, dass es sogar als wirksamer Sonnenschutz propagiert wird. Außerdem soll Rindertalg für jede Haut geeignet, nachhaltig und eine Quelle für Kollagen sein. Was ist dran an den Versprechen?

Was ist Rindertalg eigentlich?

Rindertalg ist Eingeweidefett (Sebum). Es handelt sich um ein festes Fett, das bei 60–65 °C aus Schlachtteilen von Rindern ausgeschmolzen wird. Es besteht hauptsächlich aus Triglyceriden mit gesättigten Fettsäuren.

In der Kosmetikindustrie findet es schon lange Verwendung – etwa in Seifen, Lippenstiften und Haarpflegeprodukten. Auch als Ausgangsstoff zur Weiterverarbeitung zu Stearin und Ölsäure bzw. Olein wird es genutzt.

Neben der Hautpflege wird Rindertalg übrigens auch in der Küche eingesetzt – allerdings als Nierentalg. Dieser stammt aus dem Fettgewebe rund um die Nieren und wird traditionell beispielsweise zum Frittieren belgischer Pommes genutzt.

Gut zu wissen: Zusammensetzung von Rindertalg

Rindertalg besteht aus:

  • 23–29 % Palmitinsäure, 20–35 % Stearinsäure, 26–45 % Ölsäure
  • 0,5–7 % Linol- und α-Linolensäure
  • bis zu 4 % verzweigten oder ungeradzahligen Fettsäuren
  • 10 % Transfettsäuren
  • Cholesterin
  • 44 % einfach ungesättigten Fettsäuren, 4 % mehrfach ungesättigten Fettsäuren
  • Retinol 220 µg / 100 g, Beta-Carotin 220 µg /100 g, Vitamin E 1.300 µg / 100 g

Rindertalg: Was bringt es in der Hautpflege wirklich?

Influencer und Anbieter bewerben Rindertalg als Hautpflegeprodukt mit dem Argument, dass er im Grunde für jede Haut geeignet sei. Als tierisches Fett ähnelt er dem Sebum der menschlichen Haut tatsächlich – wobei Schweineschmalz (Adeps suillus) unserem Hautfett noch ähnlicher ist. 

Damit kann Tallow bestimmten Hauttypen und Zuständen guttun – nämlich dann, wenn die Haut selbst zu wenig Sebum produziert oder im Fall einer gestörten Hautbarriere. Besonders trockene und zu Neurodermitis neigende Haut kann hier vom barrierestärkenden Effekt profitieren. 

Rindertalg kann sehr trockene Hautstellen geschmeidig halten, weshalb er für Psoriatiker einen Versuch wert sein kann – solange keine aktive Entzündung besteht. Auch als Kälteschutz im Winter oder Hautschutzpflege für die Hände ist gegen den Einsatz von Rinderfett nichts einzuwenden. Für abgeheilte Narben kann es als Grundlage für die Narbenmassage verwendet werden.  

Rindertalg: Nicht auf entzündeter Haut anwenden

Problematisch kann es hingegen bei Rosazea, Akne oder perioraler Dermatitis (POD) werden. Auch bei anderen aktiven Entzündungen oder Infektionen der Haut ist Vorsicht geboten. Gerade bei Akne behaupten einige Anbieter einen therapeutischen Effekt und werben mit dem Hinweis „nicht komedogen“. Dermatologen widersprechen dieser Aussage: Tallow ist bei Akne ungeeignet und kann komedogen wirken. Denn Rindertalg hat durch den hohen Anteil gesättigter Fettsäuren einen stark okklusiven Effekt. 

Dieser kann einen Hitzestau auf der Haut verursachen und damit Entzündungsprozesse verstärken, was bei Akne, Rosazea und POD kontraproduktiv ist. Je mehr gesättigte Fettsäuren enthalten sind, desto schlechter zieht ein Produkt ein und desto länger verbleibt es auf der Hautoberfläche. Das erklärt den gehypten „Glow“ des Rindertalgs, was jedoch auch als Fettglanz bezeichnet werden kann.

Oft heißt es zudem, dass Tallow feuchtigkeitsspendend sei. Da kein Wasser in Rinderfett enthalten ist, kann es auch keines spenden. Aber es kann die Feuchtigkeit in der Haut gut bewahren und wirkt so dem transepidermalen Wasserverlust entgegen.  

Liefert Rindertalg der Haut Kollagen?

Die Behauptung, Tallow sei eine Kollagenquelle, ist schlichtweg falsch. Theoretisch könnten die enthaltenen fettlöslichen Vitamine die Kollagensynthese anregen, wobei praktisch ihre Konzentration dafür nicht ausreicht. 

Darüber hinaus liegt Vitamin A auch nicht in einer potenten Retinoid-Form vor, wie sie in der Kosmetik eingesetzt wird. Die antioxidative Wirkung kann man den enthaltenen Vitaminen zwar nicht absprechen, allerdings ist auch hier die Konzentration eher dem Produktschutz dienlich.

Die genaue Zusammensetzung von Rindertalg schwankt sehr je nach Haltungsregion und Futter, wodurch man kaum ein standardisiertes Produkt mit verlässlichen Konzentrationen der fettlöslichen Vitamine erhält.

Studien haben gezeigt, dass Rindertalg pflanzlichen Ölen in seiner Wirkung nicht überlegen ist. Somit finden Veganer sehr gute Alternativen zu Tallow wie Jojobawachs, Kokosöl oder Sheabutter. 

Gut zu wissen: Alternativen zu Rindertalg

Die folgenden Alternativen sind ebenso wie Rindertalg natürlichen Ursprungs, enthalten wenig Inhaltsstoffe und bieten eine ähnliche Fettsäurezusammensetzung sowie Wirkung wie Tallow:

  • Bombastus Arhama-Salbe
  • Lanolin (reines)
  • Bahnhof Apotheke Kälteschutzsalbe
  • Primavera Face Oil - Moisturizing & Protectiv
  • Farfalla Gesichtsöl Rosengeranie
  • Baldini by Taoasis Basisöl für die Schönheitspflege und Aromamassage mit Jojobaöl und Wildrosenöl
  • Reine Pflanzenöle: Kokosöl, Sheabutter, Avocadoöl, Jojobaöl, Arganöl

Gefährliche Behauptung: Rindertalg als Sonnenschutz

Wirklich verantwortungslos wird es, wenn auf sozialen Medien behauptet wird, Rindertalg sei als Sonnenschutz wirksam. Denn Fakt ist, es hat keinen nennenswerten Lichtschutzfaktor. Höchstens das enthaltene Vitamin E wirkt etwas dem UV-bedingten oxidativen Stress entgegen. Tallow blockt jedoch weder UV-Strahlen noch weist es einen messbaren oder standardisierten Lichtschutzfaktor auf. Solche Behauptungen sind ganz einfach grob fahrlässig.

Rindertalg kein neues Wundermittel in der Hautpflege

Rindertalg kann für sehr trockene Haut unterstützend sein – aber pauschale Heilversprechen sind nicht haltbar. Besonders der Mythos, Tallow könne Sonnenschutz ersetzen, ist nicht nur falsch, sondern gefährlich. 

Es lassen sich durchaus besser auf individuelle Hautbedürfnisse abgestimmte Alternativen in der Apotheke finden – darunter auch vegane Produkte.