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Bisphosphonate: Darauf kommt es bei der Einnahme an

Bisphosphonate sind seit vielen Jahren eine zentrale Säule in der Behandlung der Osteoporose. Zusätzlich kommen sie z. B. bei tumorinduzierter Osteolyse und Hyperkalzämie, Morbus Paget und Osteoporose unter Glucocorticoidtherapie zum Einsatz.
Ihre Wirkung beruht auf der Hemmung der Osteoklastenaktivität: Die Substanzen reichern sich aufgrund ihrer hohen Affinität zu Calciumhydroxylapatit im Knochen an, werden dort von Osteoklasten aufgenommen und hemmen zentrale Stoffwechselwege, was letztlich zur Inaktivierung oder zum Absterben dieser knochenabbauenden Zellen führt.
Die Folge: Eine Calciumfreisetzung aus dem Knochen wird gehemmt, Knochenabbau wird reduziert und Knochenmasse bleibt erhalten.
Doch damit dieser Mechanismus greift, braucht es die richtige Einnahmedisziplin – hier liegt die Herausforderung in der Beratung.
Bisphosphonate: Besonderheiten in der Anwendung
Die geringe Bioverfügbarkeit der Bisphosphonate erklärt die strengen Vorgaben – weniger als 2 % der oral eingenommenen Dosis wird überhaupt resorbiert.
Jede gleichzeitige Nahrungsaufnahme oder die Präsenz mehrwertiger Kationen wie Calcium, Magnesium, Zink oder Eisen, mit denen eine Komplexbildung stattfindet, verschlechtert die Bioverfügbarkeit zusätzlich drastisch. Schon ein Glas Milch kann die Wirksamkeit zunichtemachen.
Hinzu kommt das Risiko für Schleimhautschädigungen im oberen Gastrointestinaltrakt. Gelangen die Wirkstoffe in Kontakt mit der Speiseröhre, können Reflux, eine Entzündung der Speiseröhre (Ösophagitis) oder sogar Ulzera die Folge sein. Deshalb gelten die Einnahmeregeln als unerlässlich, nicht als Empfehlung.
Bisphosphonate: Präparate im Überblick
Zur Verfügung stehen sowohl orale als auch intravenöse Bisphosphonate:
- oral: z. B. Alendronat (Fosamax®, 1x wöchentlich), Risedronat (Actonel®, täglich, wöchentlich), Ibandronat (Bonviva®, monatlich) und Clodronat (Bonefos®, täglich)
- intravenös: z. B. Ibandronat (alle 3 Monate), Pamidronat (alle 4 Wochen) und Zoledronat (Aclasta®, 1x jährlich oder alle 3–4 Wochen bei onkologischer Indikation)
Die Wahl der Applikationsform hängt individuell von Patientensituation, gastrointestinaler Verträglichkeit und Adhärenz ab. Während orale Präparate günstig und flexibel sind, punkten i.v.-Optionen bei mangelnder Compliance oder bei ausgeprägten Magen-Darm-Beschwerden.
Bisphosphonate: Einnahmeregeln im Detail
Für die Beratung am HV-Tisch entscheidend sind klare, verständliche Hinweise:
- Zeitpunkt: morgens, nüchtern, mindestens 30 Minuten (besser 60 Minuten) vor dem Frühstück einnehmen
- Flüssigkeit: Einnahme mit 200–250 ml Leitungswasser oder mineralstoffarmem Wasser (Calcium- und Magnesiumarmut beachten)
- Körperhaltung: während und nach der Einnahme aufrecht bleiben, mindestens 30 Minuten, bei Ibandronsäure sogar 60 Minuten nicht hinlegen
- Nahrungsergänzung: Calcium und Vitamin D sind obligat, dürfen aber erst zu einem späteren Zeitpunkt eingenommen werden
- Schlucken der Tablette: kein Kauen oder Lutschen der Tablette
- Besonderheit: magensaftresistentes Risedronat (Actonel®) wird direkt nach einer Mahlzeit eingenommen
Im Falle des Vergessens einer Einnahme sollte der Patient noch am selben Tag, an dem er dies bemerkt, eine Tablette einnehmen. Anschließend kann die Einnahme wieder einmal wöchentlich zum gewohnten Wochentag fortgesetzt werden. Es dürfen jedoch nicht zwei Tabletten an einem Tag eingenommen werden.
Typische Beratungsfallen und Interaktionen bei Bisphosphonaten
Einige Fehler bei der Einnahme treten in der Praxis immer wieder auf:
- Milch, Milchprodukte, Kaffee, Orangensaft zum Frühstück: Nahrungsaufnahme sowie mehrwertige Kationen verringern die Resorptionsrate deutlich.
- Einnahme im Bett: Liegen erhöht das Risiko für Schleimhautschäden. Starke Reizungen der Speiseröhre bis hin zur Ösophagitis und Ulzera sind möglich. Bei Sodbrennen und Schmerzen hinter dem Brustbein sollte ein Arzt konsultiert werden.
- Kombination mit Antazida, Eisen- oder Magnesiumpräparaten: deutliche Wirkstoffverluste
- Zeitgleiche Vitamin-D- und Calcium-Gabe: Resorptionsminderung. Das Calciumpräparat kann am Tag der Bisphosphonateinnahme pausiert werden.
Die Interaktionsgefahr mit zwei- und dreiwertigen Kationen sowie Nahrung, Getränken und anderen Arzneimitteln ist der wichtigste Beratungsaspekt. Die zeitlichen Abstände, die es nach der Einnahme von Bisphosphonaten einzuhalten gilt, variieren je nach Fachinformation von 30 Minuten bis zu zwei Stunden je nach Präparat. Hier lohnt sich ein Blick in die Fachinformation der einzelnen Medikamente/Wirkstoffe.
Am praktikabelsten ist es, andere Präparate zu verschiedenen Tageszeiten anzuwenden, also z. B. Bisphosphonate morgens, Antazida oder Nahrungsergänzungsmittel mittags oder am Abend.
Bisphosphonate: Nebenwirkungen und Risiken
Auch bei korrekter Einnahme sind Nebenwirkungen möglich. Oral eingenommen kann es etwa zu gastrointestinalen Beschwerden, Schmerzen des Bewegungsapparates oder Schleimhautschäden der Speiseröhre kommen.
Intravenös angewendet kann es zu Akutphasenreaktionen wie Fieber, Muskel- oder Gelenkschmerzen, grippeähnlichen Symptomen und Müdigkeit kommen, die jedoch innerhalb von 1 bis 3 Tagen meist selbstlimitierend sind und bei folgenden Infusionen in Häufigkeit und Intensität abnehmen.
Langfristig gefürchtet sind vor allem die Kiefernekrosen, insbesondere unter hochdosierter Therapie bei Tumorpatienten. Obwohl diese selten vorkommen, besteht ein erhöhtes Risiko z. B. bei Patienten mit Parodontitis, Diabetes mellitus, Prothesendruckstellen oder schlecht heilenden Mundwunden. Hier ist eine engmaschige zahnärztliche Betreuung sowie kontinuierliche Mundhygiene entscheidend.
Symptome einer Nekrose sind etwa Schmerzen, Rötungen, Schwellungen, Zahnlockerungen und Fisteln. Diese können im Beratungsgespräch beim Patienten abgefragt werden.
Auch atypische Femurfrakturen (seltene Form von Oberschenkelknochenbrüchen) sind gefürchtet. Sie sind jedoch ebenso selten und treten v. a. nach mehrjähriger Therapie in Einzelfällen auf. Vermutlich stehen sie im Zusammenhang mit einem übermäßig gehemmten Knochenumbau.
Trotz dieser Risiken überwiegt der Nutzen deutlich. Das Frakturrisiko sinkt unter Bisphosphonattherapie erheblich.
Wechselwirkungen finden sich etwa bei Etidronat mit oralen Antikoagulantien – hier kommt es zu Schwankungen der Blutgerinnung. Für parenterale Bisphosphonate mit Aminoglykosiden ergeben sich aufgrund additiver Effekte erniedrigte Calciumspiegel.
Beratungsstrategien für die Offizin
Bisphosphonate sind hochwirksam – aber nur, wenn sie korrekt angewendet werden. Die niedrige Bioverfügbarkeit, das hohe Interaktionspotenzial und die Gefahr gastrointestinaler Nebenwirkungen machen die Beratung in der Apotheke unverzichtbar.
Für Apothekenpersonal bedeutet das: Nicht nur die klassischen Einnahmehinweise weitergeben, sondern auch individuelle Alltagsfragen der Patienten berücksichtigen. Mit Praxistipps und anschaulichen Beispielen kann so die Brücke zum Alltag geschlagen werden. Nur so wird die Therapie wirksam, verträglich und langfristig erfolgreich.
Hilfreiche Ansätze sind etwa:
- Visualisierung: Einnahmepläne mit Symbolen/Piktogrammen oder farbigen Markierungen, die den Ablauf veranschaulichen
- praxisnahe Tipps: Tablette griffbereit neben das Bett stellen, gleich nach dem Aufstehen mit Leitungswasser einnehmen. Das Glas Wasser muss nicht auf einmal, sondern kann in kleinen Schlucken über 5 Minuten getrunken werden.
- Sensibilisierung: z. B. auf Mineralwasserzusammensetzung hinweisen, Calciumpräparate auf den Abend legen.
- Risikohinweis: Patienten auf mögliche Schluckbeschwerden, Zahnarzttermine oder neue Oberschenkelschmerzen aufmerksam machen.
- Individualisierung: prüfen, ob orale Einnahme überhaupt praktikabel ist oder ob eine Umstellung auf i.v.-Therapie sinnvoll wäre, beispielsweise bei Patienten, die nicht lange aufrecht sitzen können. Zur Förderung der Compliance bei wöchentlicher Einnahme einen festen Tag definieren.
- Patientensprache wählen: Fachliche Erklärungen in alltagsnahe Bilder übersetzen, z. B. „Das Medikament wirkt nur, wenn es alleine durch den Magen gehen darf“, „Erst die Tablette, dann den Frühstückstisch decken“.
Quellen:
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/183-001
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2025/07/15/bisphosphonate-sicheranwenden
https://www.ptaheute.de/serien/haeufige-interaktionen/sinnvoll-kombiniert-bisphosphonate-undzweiwertigekationen#:~:
text=Die%20Bisphosphonate%20sollten%20daher%20auch,f%C3%BCr%20sie%20
praktikabelste%20L%C3%B6sung%20ist.
https://haematologieonkologie.
umg.eu/fileadmin/Redaktion/Haematologie_und_Onkologie/id2689_Patienten_und_B
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https://www.adka.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=308&token=13d61a71958619dffd3096b
293f417c49fdcb2c5#:~:text=Nur%20bei%20richtiger%20Einnahme%20kann,entfalten%20und
%20Nebenwirkungen%20werden%20vermindert.&text=Die%20Wirksamkeit%20des%20Medik
amentes%20wird,ein%20anderes%2C%20gleichwertiges%20Pr%C3%A4parat%20empfehlen.&
text=Haben%20Sie%20die%20Einnahme%20vergessen,Auftreten%20umgehend%20Ihren%20
Arzt%20informieren.
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/bisphosphonate-brauchen-beratung-155261/
https://www.die-zahnaerzte.de/behandlungen/behandlung-bei-bisphosphonat-einnahme
https://ec.europa.eu/health/documents/communityregister/
2012/20120420119609/anx_119609_de.pdf
https://www.fachinfo.de/fi/pdf/014017/ibandronsaeure-ratiopharm-r-150-mg-filmtabletten
https://www.organon.com/germany/wp-content/uploads/sites/38/2024/08/2024-04-
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Patrick Schäfer: Allgemeinpharmazie, WVG Stuttgart, 2. Auflage, S. 460 „Bisphosphonate und
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Karow/Lang: Allgemeine und spezielle Pharmakologie & Toxikologie, 2023/24, 31.Auflage,
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