COVID-19-Impfung
Corona-Pandemie
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Corona-Lebendimpfstoff als Nasenspray

Nahaufnahme einer Frau mit Nasenspray in Nasenloch
Könnte ein Nasenspray-Impfstoff das Ansteckungsrisiko mit COVID-19 verringern? | Bild: Syda Productions / AdobeStock

Der untersuchte Impfstoff zur nasalen Applikation enthält ein abgeschwächtes Coronavirus, rund 200 Stellen im Erbgut des Ursprungsvirus sind dazu verändert worden. Die RNA dieses im Labor veränderten Virus ist weniger stabil und wird schneller abgebaut. Das Virus ist zwar ansteckend, kann sich aber sehr viel schlechter vermehren. 

Bei dem Impfstoff (sCPD9) handelt es sich um einen Lebendimpfstoff. Ein ähnliches Präparat (CoviLiv) wird momentan auch von indischen Forschern untersucht. Die Berliner Wissenschaftler verglichen nun an Hamstern die Wirkung von sCPD9 im Vergleich zum mRNA-Impfstoff Comirnaty und einem Adenovirus-Impfstoff. 

Dazu wurden die geimpften Hamster mit der SARS-CoV-2-Delta-Variante infiziert. Den besten Schutz hatten die Tiere, die eine zweifache Impfung mit dem Lebendimpfstoff erhalten haben. Schon nach einer Dosis verlief bei allen drei verwendeten Impfstoffen die Infektion deutlich milder. Nach einer zweiten Impfung mit der nasalen Vakzine deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass die Hamster über eine sterile Immunität verfügen. Bei dieser Form der Immunität wird der Erreger durch Geimpfte nicht mehr weitergegeben und es kommt daher zu einem Abbruch der Infektionskette. 

Corona-Impfung erfolgt derzeit intramuskulär

Bisher werden alle eingesetzten Coronavirus-Impfstoffe in den Muskel des Oberarms appliziert. Nach einigen Tagen kommt es dann zu einer systemischen Antwort des Immunsystems. Die Immunität gegen SARS-CoV-2 wird dabei hauptsächlich im Blut erzeugt, der Schutz auf den Schleimhäuten bleibt gering. 

Die Impfstoffe schützen bekanntermaßen zuverlässig vor schweren COVID-19-Verläufen. Vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus können sie jedoch nur unzureichend schützen. Das hat sich in diesem Winter auch deutlich gezeigt: Selbst nach dreifacher Impfung haben sich viele Menschen mit der hochansteckenden Omikron-Variante infiziert. 

Ziel der Wissenschaftler ist es daher schon seit längerem, einen Impfstoff zu entwickeln, der auch eine Infektion möglichst verhindern kann. Da das Coronavirus den menschlichen Körper über die Schleimhäute von Nase und Mund befällt, könnte dieses Ziel mit der Entwicklung eines Nasenspray-Impfstoffs tatsächlich erreicht werden. Denn die nasale Applikation sorgt für eine Immunität in der Nasenschleimhaut und das Virus würde direkt eliminiert werden. 

Das Immunsystem der Schleimhäute

Zur Abwehr von Keimen besitzen die Schleimhäute ein eigenes Immunsystem. Dieses spezielle Abwehrsystem transportiert dort auftreffende Erreger zu speziellen Lymphfollikeln. Dort werden von B-Lymphozyten schützende Immunglobuline A und M gebildet. 

Durch die Bildung dieser Antikörper wird der Erreger direkt unschädlich gemacht und ein Eintritt in den Körper verhindert. Impfstoffe zur Anwendung auf Schleimhäuten sind in der Lage, dieses spezielle Immunsystem direkt anzusprechen. Geimpfte Personen sind dann auch vor Erkrankung geschützt und können den Erreger nicht mehr weitergeben. 

Gut zu wissen: Impfstoffe zur Anwendung auf Schleimhäuten

Zur Anwendung auf Schleimhäuten gibt es bereits zwei zugelassene Impfstoffe. Es handelt sich dabei um einen nasalen Impfstoff gegen Influenza zur Anwendung bei Kindern (Fluenz® Tetra Nasenspray) und um einen oralen Impfstoff gegen Rotaviren (Rotarix®). Bei beiden Vakzinen handelt es sich um abgeschwächte Lebendimpfstoffe.

Nasaler Impfstoff verbessert Schleimhautimmunität

Auch der nasale Corona-Impfstoff ist offensichtlich in der Lage, die Schleimhautimmunität zu verbessern. Nasensekret der mit sCPD9 geimpften Hamster, das mithilfe von Spülungen erhalten wurde, konnte SARS-CoV-2 deutlicher besser unschädlich machen als nach einer mRNA-Impfung. 

Die Berliner Forscher schreiben in ihrer Vorabveröffentlichung, dass nach der Nasenspray-Impfung größere Mengen des für die Immunität der Schleimhäute so wichtigen Immunglobulin A gebildet werden. Auch wirkt eine Impfung wohl deutlich besser gegen Immunescape-Varianten des Coronavirus wie Omikron. Bei sogenannten Escape-Varianten entzieht sich die veränderte Virusvariante teilweise einem Impfstoff. 

Der abgeschwächte Lebendimpfstoff enthält im Gegensatz zu mRNA- oder Adenovirus-Impfstoffen nicht nur das sehr veränderliche Spike-Protein, sondern das ganze Coronavirus. Nach einer zweifachen Impfung mit dem Nasenspray-Impfstoff waren die Hamster in der Lage, auch die spezielle Omikron-Variante zuverlässig zu neutralisieren. 

Alles in allem untermauern die Ergebnisse der Forscher die Hoffnung, dass Nasenspray-Impfstoffe auch die Verbreitung des Coronavirus wieder deutlich vermindern können. 

Nasenschleimhaut behindert Impfstoffaufnahme

Dass es bisher nur wenige Impfstoffe zur Applikation über die Nase gibt, hat allerdings seine Gründe. Die Immunisierung über die Schleimhäute ist deutlich komplexer als diejenige über das Blut. Denn die Nasenschleimhaut stellt der Aufnahme von Impfstoffen gewisse Hindernisse in den Weg. 

Zunächst einmal gibt es dort eine Schicht aus Zuckerverbindungen, Eiweißen und anderen Bestandteilen, die eine physikalische Barriere für alle Art von Fremdkörpern bilden. Flimmerhärchen der Schleimhaut transportieren Erreger oder eben auch Impfstoffe zum Rachen, wo sie geschluckt und unschädlich gemacht werden. 

Weiterhin existieren Enzyme zur Zerstörung von Biomolekülen und auch der pH-Wert der Schleimhaut kann die Struktur der Verbindungen verändern. Bei einer Injektion eines Impfstoffs kann man davon ausgehen, dass dieser nahezu vollständig in den Körper gelangt. Bei einer nasalen Anwendung ist das aufgrund der oben geschilderten Schwierigkeiten nicht so. 

Nasenspray-Impfstoff für den Menschen noch nicht fertig

Ob dieser verbesserte Schutz der Hamster vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus nun auch auf den Menschen zu übertragen ist, muss noch in klinischen Studien gezeigt werden. Dazu muss ein möglicher Impfstoff vor der Anwendung am Menschen zunächst sorgfältig auf Sicherheitsprobleme getestet werden, schließlich wird ein aktives Virus direkt in Nachbarschaft zum Gehirn appliziert. Unweit der Nase liegt mit dem Riechkolben ein Teil des Riechhirns. Von dort gibt es Nervenverbindungen durch den durchlöcherten Schädelknochen zur Schleimhaut der Nase. 

Ein weiteres Problem, das im Übrigen alle Lebendimpfstoffe betrifft, ist, dass der Einsatz bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem nicht ohne weiteres möglich ist. Lebende Erreger können bei diesen Patienten eine Erkrankung mit schwerwiegendem Verlauf verursachen. 

Klinische Studien zur Wirkung am Menschen sind nach Aussage der Wissenschaftler aus Berlin zwar in Vorbereitung, es sei aber unwahrscheinlich, dass diese schon in diesem Jahr beginnen können. Möglicherweise gibt es trotzdem vorher schon eine Nasenspray-Impfung gegen SARS-CoV-2, denn in Indien wird an einem vergleichbaren Präparat geforscht. Klinische Studien der Phase 2 und 3 sind dazu für den Sommer geplant. Quellen
https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2022.05.16.492138v1
https://www.spektrum.de/news/nasenspray-impfstoff-aus-berlin-erzeugt-schleimhautimmunitaet/2022082
 

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